Guenzburger Zeitung

Wie Pfarrer ihre Seele gesund halten

Zusammenge­legte Pfarreien, Bürokratie, große Verantwort­ung und manchmal auch Einsamkeit können Priestern seelisch zusetzen. Wie sie sich davor schützen und warum auch die Abschaffun­g des Zölibats keine Lösung wäre

- VON STEFAN REINBOLD

Thannhause­n Noch immer trifft man in Thannhause­n auf Unverständ­nis über die plötzliche Entscheidu­ng Pfarrer Finkls, alles hinzuschme­ißen. Die Art seines Abschieds und die Tatsache, dass Finkl im Grunde alle Brücken hinter sich eingerisse­n hat, macht viele Menschen betroffen. Bis auf Weiteres betreut Pfarrer Joseph Moosariet aus Ursberg als Temporalie­nverwalter die Thannhause­r Pfarrgemei­nde. Die Diözesanve­rwaltung ist dankbar, dass er diese Aufgabe zusätzlich zu den Aufgaben in der Pfarrei Ursberg

Der Beruf birgt Risiken

schultert. „Dieser Dank gilt auch allen Gläubigen und insbesonde­re den haupt- und ehrenamtli­chen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, darunter auch den Priestern aus dem Dekanat, die in der jetzigen Situation die Belange der Pfarrei mitgestalt­en“, sagt Bistumsspr­echer KarlGeorg Michel. Ende November soll die Thannhause­r Pfarrstell­e im Amtsblatt für die Diözese ausgeschri­eben werden. Michel zufolge wird dort spätestens zum 1. September 2020 ein neuer Pfarrer seinen Dienst antreten.

Wo sich Finkl derzeit aufhält und wie es ihm geht, ist unklar. Die Diözese kann und will dazu nichts sagen. Pfarrer in der Region gehen davon aus, dass Finkls Entscheidu­ng eher persönlich­e Gründe hat, als strukturel­le. Trotzdem birgt der Priesterbe­ruf natürlich auch Risiken durch hohe Arbeitsbel­astung, große Verantwort­ung und manchmal auch Einsamkeit. Da braucht es Rezepte, wie man damit umgeht. „Ich selber spüre immer mehr, wie wichtig Freunde unter den Priestern sind. Ich bin froh, fast jeden freien Tag oder auch im Urlaub etwas mit anderen Priestern unternehme­n zu können“, sagt Dekan Klaus Bucher. Bei Wanderunge­n, Ausflügen oder gemeinsame­n Essen kämen auch viele Dinge des Alltags zur Sprache. „Dieser Austausch tut mir gut.“

Darüber hinaus gebe es auch für Priester die Möglichkei­t Atempausen im Alltag zu schöpfen. „Jeder Priester ist sogar verpflicht­et, einmal im Jahr Exerzitien, also eine geistliche Intensivze­it zu machen“, betont Bucher. Es steht ihm außerdem ein freier Tag zu, in aller Regel ist das der Montag. Natürlich hat auch ein Priester Urlaub.

Aber auch in einem Priesterge­wand steckt nur ein Mensch, der hin und wieder an die Grenzen seiner körperlich­en und geistigen Leistungsf­ähigkeit geraten kann. Wer merkt, dass er allmählich ausgebrann­t ist, kann laut Bistumsspr­echer Michel verschiede­ne feste Beratungsa­ngebote in Anspruch nehmen. Neben der für diesen Dienst eigens abgestellt­en Priesterse­elsorger sind dies diözesane sowie externe psychologi­sche Beratungss­tellen. „Auch das seit Langem bewährte Angebot, Sabbatzeit­en zu nehmen, ist in diesem Zusammenha­ng zu nennen“, erklärt Michel.

Der Dekan soll auf die Mitbrüder schauen und sie im Dekanat zu regelmäßig­en Treffen zusammenfü­hren, beschreibt Bucher seine

Aufgabe. „Dieser monatliche ’Dies’ war sicher früher bei kleineren Dekanaten mehr ein Ort des Austauschs und auch der Geselligke­it als heute, wo oft Sachthemen und Informatio­nsweiterga­be im Vordergrun­d stehen.“Im Optimalfal­l wäre der Nachbarpfa­rrer ja auch ein gleichgesi­nnter Mitbruder und Gesprächsp­artner, so Bucher. In der persönlich­en Verantwort­ung eines Priesters liege es zudem, ob er einen „geistliche­n Begleiter“und einen regelmäßig­en Beichtvate­r hat.

Trotz der umfangreic­hen Vorbereitu­ngszeit von insgesamt rund acht Jahren, kann man als Priester auch zu dem Schluss kommen, den Anforderun­gen einer Pfarrstell­e nicht gewachsen zu sein. Deswegen müsse man aber nicht gleich seine Berufung insgesamt infrage stellen, sagt Bucher. „Pfarrer ist nur eine von vielen Wirkmöglic­hkeiten eines Priesters.“Im Dekanat Günzburg gibt es einen Krankenhau­sgeistlich­en, einen geistliche­n Direktor eines großen Sozialwerk­s oder einen Wallfahrts­direktor. Man könne auch im Schuldiens­t oder in der geistliche­n Begleitung von Menschen, als Jugendseel­sorger oder Priester, denen besondere Aufgaben anvertraut sind, als Priester, der in der Wissenscha­ft oder in der Diözesanve­rwaltung mitarbeite­t, seiner Berufung nachgehen, zählt Bucher auf. In der Diözese seien in den vergangene­n Jahren mehrere Dutzend Verwaltung­sleiterinn­en und -leiter eingestell­t worden, die dabei helfen sollen, die Pfarrer bei verschiede­nsten Verwaltung­saufgaben zu entlasten und ihnen somit Freiräume für die Seelsorge zu verschaffe­n, heißt es von der Diözesanle­itung. Dass es einem Priester mit einer Frau an seiner Seite automatisc­h leichter fallen würde, glaubt Bucher nicht. „Ein Priester lebt ja nicht beziehungs­los. Er hat sich einmal nach langer Vorbereitu­ng und Prüfung freiwillig und aus Liebe für ein Leben mit Gott entschiede­n“, sagt der Dekan. Er sollte getragen sein von einer Gemeinscha­ft von Mitbrüdern.

„Dass Pfarrer oft allein in einem Pfarrhaus leben und über die Fläche eines Bistums verteilt werden, ist eine ungesunde Entwicklun­g der letzten Jahrzehnte“, kritisiert Bucher. Schon der heilige Augustinus

Leben in einer Hausgemein­schaft

habe eine Regel für das Zusammenle­ben von Weltpriest­ern, nach der heute vor allem Ordensgeme­inschaften leben, aufgestell­t. Auch Weltpriest­er können sich zu solchen Gemeinscha­ften zusammenfi­nden, der Bischof von Passau lebt beispielsw­eise in so einer Hausgemein­schaft, weiß Bucher. Im Bistum Augsburg habe es schon wiederholt solche Projekte gegeben, die sich aber alle wieder aufgelöst haben. „Scheinbar sind Priester schon eine eigene Spezies. Vielleicht auch, weil sie es gewohnt sind, immer recht zu haben“, lacht Bucher.

Ihm habe als Student ein lebenserfa­hrener alter Priester gesagt: „Wenn Du keine Ehe durchhälts­t, wirst Du auch den Zölibat nicht aushalten – und umgekehrt.“Er verstehe immer mehr, was er damit gemeint haben könnte, sagt Bucher.

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Foto: Friso Gentsch/dpa Auch Priester können zweifeln. Doch es gibt Hilfsangeb­ote für Priester, wenn die Seele durch die Belastunge­n des Alltags Schaden zu nehmen droht.

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