Wie Pfarrer ihre Seele gesund halten
Zusammengelegte Pfarreien, Bürokratie, große Verantwortung und manchmal auch Einsamkeit können Priestern seelisch zusetzen. Wie sie sich davor schützen und warum auch die Abschaffung des Zölibats keine Lösung wäre
Thannhausen Noch immer trifft man in Thannhausen auf Unverständnis über die plötzliche Entscheidung Pfarrer Finkls, alles hinzuschmeißen. Die Art seines Abschieds und die Tatsache, dass Finkl im Grunde alle Brücken hinter sich eingerissen hat, macht viele Menschen betroffen. Bis auf Weiteres betreut Pfarrer Joseph Moosariet aus Ursberg als Temporalienverwalter die Thannhauser Pfarrgemeinde. Die Diözesanverwaltung ist dankbar, dass er diese Aufgabe zusätzlich zu den Aufgaben in der Pfarrei Ursberg
Der Beruf birgt Risiken
schultert. „Dieser Dank gilt auch allen Gläubigen und insbesondere den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter auch den Priestern aus dem Dekanat, die in der jetzigen Situation die Belange der Pfarrei mitgestalten“, sagt Bistumssprecher KarlGeorg Michel. Ende November soll die Thannhauser Pfarrstelle im Amtsblatt für die Diözese ausgeschrieben werden. Michel zufolge wird dort spätestens zum 1. September 2020 ein neuer Pfarrer seinen Dienst antreten.
Wo sich Finkl derzeit aufhält und wie es ihm geht, ist unklar. Die Diözese kann und will dazu nichts sagen. Pfarrer in der Region gehen davon aus, dass Finkls Entscheidung eher persönliche Gründe hat, als strukturelle. Trotzdem birgt der Priesterberuf natürlich auch Risiken durch hohe Arbeitsbelastung, große Verantwortung und manchmal auch Einsamkeit. Da braucht es Rezepte, wie man damit umgeht. „Ich selber spüre immer mehr, wie wichtig Freunde unter den Priestern sind. Ich bin froh, fast jeden freien Tag oder auch im Urlaub etwas mit anderen Priestern unternehmen zu können“, sagt Dekan Klaus Bucher. Bei Wanderungen, Ausflügen oder gemeinsamen Essen kämen auch viele Dinge des Alltags zur Sprache. „Dieser Austausch tut mir gut.“
Darüber hinaus gebe es auch für Priester die Möglichkeit Atempausen im Alltag zu schöpfen. „Jeder Priester ist sogar verpflichtet, einmal im Jahr Exerzitien, also eine geistliche Intensivzeit zu machen“, betont Bucher. Es steht ihm außerdem ein freier Tag zu, in aller Regel ist das der Montag. Natürlich hat auch ein Priester Urlaub.
Aber auch in einem Priestergewand steckt nur ein Mensch, der hin und wieder an die Grenzen seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit geraten kann. Wer merkt, dass er allmählich ausgebrannt ist, kann laut Bistumssprecher Michel verschiedene feste Beratungsangebote in Anspruch nehmen. Neben der für diesen Dienst eigens abgestellten Priesterseelsorger sind dies diözesane sowie externe psychologische Beratungsstellen. „Auch das seit Langem bewährte Angebot, Sabbatzeiten zu nehmen, ist in diesem Zusammenhang zu nennen“, erklärt Michel.
Der Dekan soll auf die Mitbrüder schauen und sie im Dekanat zu regelmäßigen Treffen zusammenführen, beschreibt Bucher seine
Aufgabe. „Dieser monatliche ’Dies’ war sicher früher bei kleineren Dekanaten mehr ein Ort des Austauschs und auch der Geselligkeit als heute, wo oft Sachthemen und Informationsweitergabe im Vordergrund stehen.“Im Optimalfall wäre der Nachbarpfarrer ja auch ein gleichgesinnter Mitbruder und Gesprächspartner, so Bucher. In der persönlichen Verantwortung eines Priesters liege es zudem, ob er einen „geistlichen Begleiter“und einen regelmäßigen Beichtvater hat.
Trotz der umfangreichen Vorbereitungszeit von insgesamt rund acht Jahren, kann man als Priester auch zu dem Schluss kommen, den Anforderungen einer Pfarrstelle nicht gewachsen zu sein. Deswegen müsse man aber nicht gleich seine Berufung insgesamt infrage stellen, sagt Bucher. „Pfarrer ist nur eine von vielen Wirkmöglichkeiten eines Priesters.“Im Dekanat Günzburg gibt es einen Krankenhausgeistlichen, einen geistlichen Direktor eines großen Sozialwerks oder einen Wallfahrtsdirektor. Man könne auch im Schuldienst oder in der geistlichen Begleitung von Menschen, als Jugendseelsorger oder Priester, denen besondere Aufgaben anvertraut sind, als Priester, der in der Wissenschaft oder in der Diözesanverwaltung mitarbeitet, seiner Berufung nachgehen, zählt Bucher auf. In der Diözese seien in den vergangenen Jahren mehrere Dutzend Verwaltungsleiterinnen und -leiter eingestellt worden, die dabei helfen sollen, die Pfarrer bei verschiedensten Verwaltungsaufgaben zu entlasten und ihnen somit Freiräume für die Seelsorge zu verschaffen, heißt es von der Diözesanleitung. Dass es einem Priester mit einer Frau an seiner Seite automatisch leichter fallen würde, glaubt Bucher nicht. „Ein Priester lebt ja nicht beziehungslos. Er hat sich einmal nach langer Vorbereitung und Prüfung freiwillig und aus Liebe für ein Leben mit Gott entschieden“, sagt der Dekan. Er sollte getragen sein von einer Gemeinschaft von Mitbrüdern.
„Dass Pfarrer oft allein in einem Pfarrhaus leben und über die Fläche eines Bistums verteilt werden, ist eine ungesunde Entwicklung der letzten Jahrzehnte“, kritisiert Bucher. Schon der heilige Augustinus
Leben in einer Hausgemeinschaft
habe eine Regel für das Zusammenleben von Weltpriestern, nach der heute vor allem Ordensgemeinschaften leben, aufgestellt. Auch Weltpriester können sich zu solchen Gemeinschaften zusammenfinden, der Bischof von Passau lebt beispielsweise in so einer Hausgemeinschaft, weiß Bucher. Im Bistum Augsburg habe es schon wiederholt solche Projekte gegeben, die sich aber alle wieder aufgelöst haben. „Scheinbar sind Priester schon eine eigene Spezies. Vielleicht auch, weil sie es gewohnt sind, immer recht zu haben“, lacht Bucher.
Ihm habe als Student ein lebenserfahrener alter Priester gesagt: „Wenn Du keine Ehe durchhältst, wirst Du auch den Zölibat nicht aushalten – und umgekehrt.“Er verstehe immer mehr, was er damit gemeint haben könnte, sagt Bucher.