Kommt Tempo 120 auf Teilen der Autobahn?
Vor allem zwischen Neusäß und Friedberg sehen die Beamten „akuten Handlungsbedarf“. Und wie wird die Lage im Landkreis Günzburg beurteilt?
Die Polizei spricht sich klar für eine zeitweise Geschwindigkeitsbegrenzung aus. Aber betrifft das auch den Kreis Günzburg?
Landkreis Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter so wie ein Tempolimit auf der Autobahn – auch für die A 8, wo sich seit dem Ausbau die Zahl der Unfälle und der Verletzten stark erhöht hat. Die Polizei sprach sich bisher für die Telematik aus, also für eine zeitweise Geschwindigkeitsbegrenzung mithilfe von Schilderbrücken. Aber da diese nicht schnell genug kommen, hat das Polizeipräsidium Schwaben Nord nun für die A 8 zwischen Neusäß und Friedberg tagsüber ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern empfohlen – aufgrund erhöhter Unfallgefahr. Dies sagte Polizeioberrat Ralf Bührle bei einem Runden Tisch der Grünen zu diesem Thema.
Eingeladen dazu hatte der Günzburger Landratskandidat und Landtagsabgeordnete
der Grünen, Maximilian Deisenhofer. Er will trotz Widerstände im Landkreis Augsburg, im Land und im Bund beim Tempolimit nicht locker lassen und wollte hören, was die Experten der Region zu dem Thema sagen. Dabei waren auch Robert Schmidt vom Autobahnbetreiber Pansuevia, von den Feuerwehren waren es Wolfgang Baumeister aus Gersthofen und Markus Furnier aus Adelsried sowie die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Augsburger Kreistag, Landratskandidatin Silvia Daßler.
Die geplanten Schilderbrücken hält jeder für sinnvoll, sie sollen aber bekanntlich nur zwischen den Abschnitten Neusäß und München und frühestens 2022 kommen. Das ist zu spät, finden nicht nur die Grünen, sondern auch die Polizei. Wie Polizeioberrat Bührle erklärte, halte man zwischen Neusäß und Friedberg tagsüber Tempo 120 für nötig. „Wir sehen hier akuten Handlungsbedarf.“Weil es im Ballungsraum
auf der Autobahn immer wieder zu gefährlichen Situationen und Unfällen kommt, könne man nicht noch Jahre auf die Telematik warten. Daßler setzt auf ein generelles Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen. Dies sei die sicherste, sinnvollste, günstigste und umweltfreundlichste Lösung.
Bührle meint hingegen, dass die Akzeptanz in der Gesellschaft wichtig sei: „Die Telematik-Anzeige liefert einen nachvollziehbaren Grund für die Beschränkung, da ist der Bürger eher bereit, sich daran zu halten.“Für die Feuerwehren stelle sich ohnehin nicht so sehr die Frage nach einem Tempolimit, „denn der Verkehr hat allgemein enorm zugenommen“, sagte Wolfgang Baumeister. Die Rettungskräfte würden eher von einem Lkw-Überholverbot an manchen Stellen profitieren, weil dann die Rettungsgassen öfter frei wären. Dem pflichtete Markus Furnier bei und kritisierte die Zunahme an Zwischenfällen mit Gaffern an der Unfallstelle.
Nach Auskunft von Robert Schmidt von der Autobahnbetreibergesellschaft Pansuevia passieren die meisten Unfälle zwischen 9 und 18 Uhr. Bei den Wochentagen ist der Samstag der Spitzenreiter, gefolgt von Freitag. Für Schmidt sollten die Schilderbrücken zu jeder modernen, neu gebauten oder sanierten Autobahn standardmäßig dazugehören. So ließen sich nicht nur viele Unfälle vermeiden, auch Reinigungsarbeiten und andere Maßnahmen könnten so viel sicherer abgewickelt werden. „Ich verstehe nicht, warum man jetzt so lange mit der Nachrüstung zögert.“
Ein Tempolimit findet auch er zwischen Neusäß und Friedberg sinnvoll, weil sich dort sehr viel Verkehr auf andere übergeordnete Straßen verteile und es sich regelmäßig staue. Für die anderen Streckenabschnitte hält er eine Geschwindigkeitsbeschränkung aber nicht für generell nötig, auch wenn es weitere neuralgische Stellen wie zwischen Burgau und Adelsried gebe wegen der Tal- und Höhenlagen, erklärte er auf Anfrage unserer Zeitung. Es gebe auch speziell zwischen dem Zusmarshauser Berg und Adelsried sowie Richtung Burgau viele Beinahe-Unfälle, die fließen nach seinen Worten aber in keine Statistik ein. Hier könne eventuell mithilfe eines Gutachters entschieden werden, ob Lkw-ÜberholverAugsburg bote und auch zeitlich begrenzte Tempolimits sinnvoll sind.
Fakt sei, dass durch die Begrenzung auf 130 Stundenkilometer in der Waldvogelkurve in Richtung München dort so gut wie keine Unfälle registriert würden, und auch die Herabsenkung der Geschwindigkeit auf Tempo 100 bei Nässe unter der Bahnbrücke bei der Rastanlage Burgauer See sei wichtig, weil dort keine größere Querneigung möglich sei und deshalb das Regenwasser nicht schnell abfließen könne. Aber auch wenn sich die Unfallzahlen in diesem Jahr erneut erhöhten: Am wichtigsten seien Schilderbrücken, mit ihnen könne man einfach am flexibelsten agieren.
Auch Werner Schedel, Chef der Autobahnpolizei Günzburg, hätte diese Anlagen gerne. Gerade jetzt bei Nebel habe er immer ein mulmiges Gefühl, und wenn man die Fahrer
warnen sowie das Tempo herabsenken könne, sei der Sicherheit aller – auch seiner Beamten – am meisten gedient. Das Limit in der Waldvogelkurve und dahinter will er belassen, denn wenn es einen Unfall in der leichten Senke gebe, sei der kaum rechtzeitig wahrzunehmen. Weitere Stellen, wo eine Begrenzung wegen einer Unfallhäufigkeit nötig sei, sehe er aber nicht, sagte er gegenüber unserer Zeitung.
Und Günzburgs neuer Kreisbrandrat Stefan Müller betonte auf Anfrage, dass es zu viele Faktoren wie einen nicht eingehaltenen Sicherheitsabstand bei Lastkraftwagen gebe, um pauschal sagen zu können, dass Tempo 120 ein Allheilmittel gegen Unfälle wäre. Man müsse sich die Vorfälle genau ansehen und auch Rücksprache mit den für den jeweiligen Streckenabschnitt der Autobahn zuständigen Feuerwehrkommandanten halten, um eine belastbare Aussage zu treffen. Und das brauche Zeit. »Kommentar
Schilderbrücken sollen frühestens 2022 kommen Geschwindigkeitsbegrenzung in Waldvogelkurve soll bleiben