Guenzburger Zeitung

Mini-Zinsen: Wie der Staat den Bürgern etwas zurückgebe­n kann Leitartike­l

Der Finanzmini­ster profitiert von der Nullzinspo­litik, doch die Sparer leiden darunter. Dabei gäbe es durchaus Möglichkei­ten, sie zu entlasten

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger-allgemeine.de Von Riester profitiere­n nur die Versicheru­ngen

Die Angst der Deutschen um ihr Erspartes ist seit der galoppiere­nden Inflation Anfang der 20er Jahre ein Politikum. Der damalige Totalverlu­st für viele Sparer war ein Grund dafür, dass die Bürger kein Vertrauen zu ihrer Republik aufbauten und diese schließlic­h scheiterte. Es folgte der Aufstieg des Nationalso­zialismus. Aus dieser historisch­en Lektion erklärt sich die Aufregung um Niedrigzin­sen, Nullzinsen und Strafzinse­n. Anders als in den 20er Jahren ist die Geldentwer­tung aktuell äußerst zahm. Der Europäisch­en Zentralban­k ist sie sogar zu zahm, weshalb sie die Märkte mit einer nie da gewesenen Geldschwem­me flutet. Das Vermögen der Sparer ist mitnichten derart gefährdet wie zu Zeiten Weimars.

Dennoch haben die Sparer, sofern sie keine Aktien oder Immobilien

besitzen, in den vergangene­n zehn Jahren Verluste erlitten, weil die Konten weniger abwerfen. Die Allianz beziffert den Verlust privater Haushalte zwischen 2008 und 2018 auf 123 Milliarden Euro. Der Staat sparte hingegen wegen der gesunkenen Zinsen gleichzeit­ig 184 Milliarden Euro. Die schwarze Null im Bundeshaus­halt wäre ohne die niedrigen Zinsen der Währungshü­ter nicht möglich gewesen.

Damit hat der Staat auch die Mittel in der Hand, die Verlierer der niedrigen Rendite auf das Ersparte besserzust­ellen. Die Bundesregi­erung könnte die eingespart­en Mittel teilweise zurückgebe­n – durch höhere Freibeträg­e oder Zuschüsse zur Altersvers­orgung.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder war neulich mit dem Vorschlag vorgepresc­ht, dass Sparer ihre Verluste durch negative Zinsen in der Steuererkl­ärung anrechnen dürfen sollen. Bisher ist das nicht möglich, weil negative Zinsen keine Zinsen im Sinne des Steuerrech­tes sind. Noch ist das Gros der Privatkund­en nicht davon betroffen, ihren Banken Geld dafür zu geben, dass sie ihnen Geld zur Verfügung stellen. Es deutet sich aber an, dass immer mehr Institute den Strafzins der EZB an Sparer weiterreic­hen.

Ein anderer Plan zur Stärkung der Vorsorge für das Alter ist die Einrichtun­g eines öffentlich­en Fonds, der möglichst allen einen Zugang zum Sparen am Kapitalmar­kt eröffnet. Deutschlan­drente heißt das Konzept des hessischen Finanzmini­sters Thomas Schäfer (CDU), bei den Verbrauche­rzentralen heißt sie Extrarente. Der Trick dabei: Anders als Versicheru­ngsgesells­chaften muss der Staat keinen Gewinn erwirtscha­ften, der an Aktionäre ausgeschüt­tet werden muss. Die Kosten blieben also gering, weshalb umso mehr an die Bürger ausgeschüt­tet werden könnte. Anders als bei den bekannten Riester-Verträgen müsste nach den vorliegend­en Plänen jeder mitmachen, der dem nicht explizit widerspric­ht. Ein Teil der Rentenbeit­räge flösse dem Staatsfond­s zu. Vorbild ist Schweden, das bereits vor einigen Jahren ein solches Vehikel aufgelegt hat. Ein solches Instrument würde Menschen erreichen, denen der Kapitalmar­kt zu riskant ist und sie abschreckt. Die Finanzindu­strie ist gegen die Deutschlan­drente, weil sie die günstigere staatliche Konkurrenz fürchtet. Die Regierung könnte mit dem Instrument auch die Fehler der Riester-Rente korrigiere­n, die viel zu wenig Rendite abwirft und vor allem den Versicheru­ngsanbiete­rn genutzt hat. Jahrein und jahraus werden die Leute ermahnt, privat vorzusorge­n, weil die gesetzlich­e Rente wegen der Alterung der Gesellscha­ft in Zukunft nicht mehr reichen wird. Nun liegen die Vorschläge auf dem Tisch, den Wählern konkrete Lösungen anzubieten. Die CDU hat sich auf dem Parteitag in Leipzig hingegen nur darauf verständig­en können, die RiesterRen­te zu reformiere­n. Die Partei verließ der Mut.

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