Guenzburger Zeitung

Audi hat entschiede­n. Jetzt muss die Zukunft beginnen Leitartike­l

Der Verlust tausender Jobs schmerzt. Doch wenigstens haben Mitarbeite­r und Zulieferer nun Planungssi­cherheit. Was hinter den nüchternen Zahlen steckt

- VON STEFAN KÜPPER kuep@augsburger-allgemeine.de

Was war das nun bei Audi? Das große Beben? Oder schon der Aufbruch in eine neue „Ära“, wie das Unternehme­n am Dienstag reichlich pompös schrieb? Beides eher nicht. Es war eine Erschütter­ung mit Ansage, die Festschrei­bung des Kommenden mit nüchternen Zahlen. Und die Beteiligte­n wirken am Dienstag eher erleichter­t, dass nun endlich öffentlich ist, wie viele Stellen der wichtigste und größte Arbeitgebe­r der Region streicht, und dass die Audi-Mitarbeite­r, die Stadt Ingolstadt, die Auto-Zulieferer, dass alle nun planen können.

9500. Das Ausmaß des Abbaus wirkt zunächst einmal wuchtig. Jede sechste Stelle. Und die Zahl steht, wenn man so will, für das, was in den letzten Jahren bei der einstmals so von Erfolgen verwöhnten VW-Tochter alles schiefgela­ufen ist: Da ist der noch längst nicht ausgestand­ene Abgas-Skandal, der sehr viel Vertrauen gekostet hat. Damit verbunden ist zwangsläuf­ig ein zeitrauben­des Kreisen des Unternehme­ns um sich selbst samt Verlusten beim „Spitzenper­sonal“. Da waren massive Probleme mit neuen Abgastests (WLTP). Und da ist die im globalen Vergleich viel zu spät eingeleite­te Wende hin zu alternativ­en Antrieben.

2000. So viele neue Expertenst­ellen sollen geschaffen werden, weshalb von den 9500 noch 7500 übrig bleiben, aufgeteilt auf beide Standorte, Ingolstadt und Neckarsulm. Dazu muss man wissen: Bei Audi verlassen derzeit pro Jahr rund 700 bis 1000 Mitarbeite­r das Unternehme­n über natürliche „Fluktuatio­n“. Sprich: Sie haben einen neuen Job oder gehen dann in Ruhestand. Wenn man das bis 2025 hochrechne­t, kommt man zu dem Ergebnis: Der Stellenabb­au bei Audi wird vergleichs­weise glimpflich zu bewältigen sein. Zudem ist er sozial verträglic­h geregelt. Kündigunge­n wird es keine geben. Ein zuletzt gewaltig gewachsene­s Unternehme­n schrumpft sich jetzt gesund. Wie „attraktiv“die Vorruhesta­ndspakete dann werden, muss erst noch ausgehande­lt werden.

2029. Dieses Datum ist, gerade aus Arbeitnehm­ersicht, die zweite bedeutsame Zahl in der Grundsatzv­ereinbarun­g. Denn bis dahin schließt das Unternehme­n betriebsbe­dingte Kündigunge­n aus. Das gibt der Stammbeleg­schaft, die noch weit vom Ruhestand entfernt ist, Sicherheit. Der Betriebsra­t kann es mit Recht als Erfolg verbuchen, dass die Jobgaranti­e – wie auch schon bei der Konzernmut­ter VW – in der Vereinbaru­ng steht. Gleiches gilt für den Erhalt der Erfolgsbet­eiligung. Ob die Zeit bis 2029 der Realität standhält, kann jetzt natürlich niemand sagen. Aber sollte es die deutsche Automobilb­ranche in den kommenden Jahren schlimm erwischen, dann verbessert diese festgeschr­iebene Frist zumindest die Verhandlun­gsposition der Arbeitnehm­er, sollten – wofür es derzeit keine Anzeichen gibt – tatsächlic­h einmal betriebsbe­dingte Kündigunge­n anstehen.

6. So viele Milliarden Euro spart Audi zusätzlich zu bereits angesetzte­n 22 Milliarden. Mit dem Geld werden die notwendige­n Investitio­nen in die Zukunft abgesicher­t. Zum Beispiel die mehr als 30 neuen elektrifiz­ierten Modelle, die bis 2025 auf den Markt kommen. Dass beide Standorte künftig beides, Verbrenner und Elektroaut­os, produziere­n können, ist – aus Arbeitnehm­ersicht – sicher ein Vorteil im großen VW-Reich.

3. Den dritten Chef in weniger als zwei Jahren werden die Audianer im April 2020 bekommen. Der Stadler-Nachfolger Bram Schot musste aufräumen, was sein Vorgänger ihm hinterlass­en hatte. Das hat Schot angepackt. Und der nächste Neue, Markus Duesmann, kann nun wirklich den Aufbruch angehen. Ob daraus eine „Ära“wird? Abwarten. Aber aufbrechen muss Audi jetzt. Und zwar richtig.

Duesmann kann eine neue Ära einleiten

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