Audi hat entschieden. Jetzt muss die Zukunft beginnen Leitartikel
Der Verlust tausender Jobs schmerzt. Doch wenigstens haben Mitarbeiter und Zulieferer nun Planungssicherheit. Was hinter den nüchternen Zahlen steckt
Was war das nun bei Audi? Das große Beben? Oder schon der Aufbruch in eine neue „Ära“, wie das Unternehmen am Dienstag reichlich pompös schrieb? Beides eher nicht. Es war eine Erschütterung mit Ansage, die Festschreibung des Kommenden mit nüchternen Zahlen. Und die Beteiligten wirken am Dienstag eher erleichtert, dass nun endlich öffentlich ist, wie viele Stellen der wichtigste und größte Arbeitgeber der Region streicht, und dass die Audi-Mitarbeiter, die Stadt Ingolstadt, die Auto-Zulieferer, dass alle nun planen können.
9500. Das Ausmaß des Abbaus wirkt zunächst einmal wuchtig. Jede sechste Stelle. Und die Zahl steht, wenn man so will, für das, was in den letzten Jahren bei der einstmals so von Erfolgen verwöhnten VW-Tochter alles schiefgelaufen ist: Da ist der noch längst nicht ausgestandene Abgas-Skandal, der sehr viel Vertrauen gekostet hat. Damit verbunden ist zwangsläufig ein zeitraubendes Kreisen des Unternehmens um sich selbst samt Verlusten beim „Spitzenpersonal“. Da waren massive Probleme mit neuen Abgastests (WLTP). Und da ist die im globalen Vergleich viel zu spät eingeleitete Wende hin zu alternativen Antrieben.
2000. So viele neue Expertenstellen sollen geschaffen werden, weshalb von den 9500 noch 7500 übrig bleiben, aufgeteilt auf beide Standorte, Ingolstadt und Neckarsulm. Dazu muss man wissen: Bei Audi verlassen derzeit pro Jahr rund 700 bis 1000 Mitarbeiter das Unternehmen über natürliche „Fluktuation“. Sprich: Sie haben einen neuen Job oder gehen dann in Ruhestand. Wenn man das bis 2025 hochrechnet, kommt man zu dem Ergebnis: Der Stellenabbau bei Audi wird vergleichsweise glimpflich zu bewältigen sein. Zudem ist er sozial verträglich geregelt. Kündigungen wird es keine geben. Ein zuletzt gewaltig gewachsenes Unternehmen schrumpft sich jetzt gesund. Wie „attraktiv“die Vorruhestandspakete dann werden, muss erst noch ausgehandelt werden.
2029. Dieses Datum ist, gerade aus Arbeitnehmersicht, die zweite bedeutsame Zahl in der Grundsatzvereinbarung. Denn bis dahin schließt das Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen aus. Das gibt der Stammbelegschaft, die noch weit vom Ruhestand entfernt ist, Sicherheit. Der Betriebsrat kann es mit Recht als Erfolg verbuchen, dass die Jobgarantie – wie auch schon bei der Konzernmutter VW – in der Vereinbarung steht. Gleiches gilt für den Erhalt der Erfolgsbeteiligung. Ob die Zeit bis 2029 der Realität standhält, kann jetzt natürlich niemand sagen. Aber sollte es die deutsche Automobilbranche in den kommenden Jahren schlimm erwischen, dann verbessert diese festgeschriebene Frist zumindest die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer, sollten – wofür es derzeit keine Anzeichen gibt – tatsächlich einmal betriebsbedingte Kündigungen anstehen.
6. So viele Milliarden Euro spart Audi zusätzlich zu bereits angesetzten 22 Milliarden. Mit dem Geld werden die notwendigen Investitionen in die Zukunft abgesichert. Zum Beispiel die mehr als 30 neuen elektrifizierten Modelle, die bis 2025 auf den Markt kommen. Dass beide Standorte künftig beides, Verbrenner und Elektroautos, produzieren können, ist – aus Arbeitnehmersicht – sicher ein Vorteil im großen VW-Reich.
3. Den dritten Chef in weniger als zwei Jahren werden die Audianer im April 2020 bekommen. Der Stadler-Nachfolger Bram Schot musste aufräumen, was sein Vorgänger ihm hinterlassen hatte. Das hat Schot angepackt. Und der nächste Neue, Markus Duesmann, kann nun wirklich den Aufbruch angehen. Ob daraus eine „Ära“wird? Abwarten. Aber aufbrechen muss Audi jetzt. Und zwar richtig.
Duesmann kann eine neue Ära einleiten