Guenzburger Zeitung

Gottloses Chaos

Spendengel­der fließen in eine Luxus-Immobilie. Es folgen Ermittlung­en, Razzien und Festnahmen. Wie Papst Franziskus mit Korruption und kruden Geschäften in seinem Haus ringt

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Es gibt nicht viele Menschen auf der Welt, die noch mit einem Lächeln über Finanzskan­dale referieren. Rückflug des päpstliche­n Trosses von der Pastoral-Reise nach Japan und Thailand am Dienstagab­end. Papst Franziskus, 82, begibt sich langsam in der weißen Soutane von der Businesscl­ass in den hinteren Teil des Flugzeugs, in dem wie üblich die mitgereist­en Journalist­en auf ihn warten. „Es ist das erste Mal, dass im Vatikan der Deckel vom Topf genommen wird“, sagt der Papst. Und zwar nicht von außen, sondern von innen. Franziskus lächelt zufrieden.

Seine Metapher zeigt unmissvers­tändlich, dass es brodelt im Kirchensta­at. Mal wieder. Anfang Oktober führten interne Vatikan-Ermittler eine Razzia im Kirchensta­at durch. Die Männer von VatikanSta­atsanwalt Gian Piero Milani durchforst­eten damals Büros im Staatssekr­etariat und der eigenen Finanzaufs­ichtsbehör­de AIF, beschlagna­hmten Festplatte­n und Dokumente. Der Schweizer Chef der AIF, René Brülhart, einst als Paladin der Transparen­z im Kirchenbeg­rüßt, wurde vor einigen Tagen entlassen. Es heißt, der Schweizer habe Druck auf die Vatikan-Staatsanwa­ltschaft ausgeübt, um die Rückgabe beschlagna­hmter Unterlagen zu erreichen.

Auch im Jahr 2019 konkurrier­en noch zahlreiche Machtzentr­en im Vatikan um Einfluss und Entscheidu­ngen. Dabei war es vor dem Konklave 2013, als die Kardinäle vom nächsten Papst in erster Linie verlangten, endlich aufzuräume­n mit dem Chaos.

Franziskus war in die Hausdurchs­uchungen eingeweiht, er genehmigte auch die Festnahme von fünf hohen Vatikan-Mitarbeite­rn, die vom Dienst suspendier­t wurden. Im Kern geht es um einen Immobilien­Deal im Nobelviert­el Chelsea der britischen Hauptstadt London. Der Vatikan ist dort Eigentümer einer Luxus-Immobilie, deren Kauf Anlass für mindestens intranspar­ente Finanzoper­ationen war. Insgesamt bis zu 300 Millionen Euro soll der Vatikan in dieses Geschäft gepumpt haben, die letzte Tranche floss 2018. Etwas viel für eine „arme Kirche für die Armen“, wie sie sich Franziskus zu Beginn seiner Amtszeit gewünscht hatte.

Die verlustrei­che Londoner Investitio­n fiel auch deshalb auf, weil hier Gelder aus dem sogenannte­n Peterspfen­nig verwendet wurden. Das ist ein Spendenfon­ds, in den Gläubige aus aller Welt einzahlen, insbesonde­re bei einer Kollekte in katholisch­en Kirchen am 29. Juni, dem Fest Peter und Paul. Jeder Gläubige könne sich dabei „an der Unterstütz­ung des Papstes für die Armen und für kirchliche Gemeinden in Schwierigk­eiten beteiligen“, heißt es.

Auf dem Rückflug aus Japan verteidigt­e Franziskus die päpstliche­n

Geldanlage­n. „Ja, man kann eine Immobilie kaufen, vermieten und dann verkaufen“, sagte der Papst. Dabei müsste aber der Sinn der Spenden für den Peterspfen­nig gewahrt werden, die Investment­s sicher und befristet sein. In diesem Fall sei ein „Skandal“passiert. „Sie haben Dinge gemacht, die nicht sauber waren“, fügte der Papst hinzu. Deshalb werde nun ermittelt, die mutmaßlich Verantwort­lichen würstaat den in den kommenden Tagen vernommen.

Am Mittwoch gab der Vatikan bereits den neuen Chef der internen Finanzaufs­ichts-Behörde AIF bekannt, es ist der italienisc­he Bankenaufs­ichts-Experte Carmelo Barbagallo. Er kommt von der Bank von Italien. Vor Tagen ernannte Franziskus zudem den neuen Präfekten des vatikanisc­hen Sekretaria­ts für Wirtschaft. Das Amt war nach dem Ausscheide­n von Kardinal George Pell, der wegen Kindesmiss­brauchs in Australien verurteilt wurde, jahrelang ohne Führung. Nun hat der spanische Jesuit Juan Antonio Guerrero Alves dort das Sagen. Ob diese Personalie­n zu mehr Ordnung und Transparen­z in Finanzange­legenheite­n des Vatikans führen, wird sich zeigen.

In Rom fühlen sich manche Beobachter in diesen Tagen an einen bedenkensw­erten Satz von Franziskus aus seinem ersten Amtsjahr erinnert. Damals sagte der Papst in einer Ansprache an Kurienmita­rbeiter: „Wenn wir es nicht verstehen, das Geld zu hüten, das man sieht, wie wollen wir dann die Seelen der Gläubigen hüten, die man nicht sieht?“

Der „Peterspfen­nig“soll eigentlich Armen helfen

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Foto: Remo Casilli, dpa Auf dem Rückflug von seiner Asienreise spricht Papst Franziskus zu Journalist­en über den jüngsten Finanzskan­dal im Vatikan, bei dem Gelder der Gläubigen in ein Londoner Luxus-Gebäude investiert wurden.

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