Guenzburger Zeitung

Demokratie-Projekte vor dem Aus

Eine Mehrheit im Bundestag wird das Ende zahlreiche­r Einrichtun­gen beschließe­n, die sich dem Kampf gegen Hass und Hetze verschrieb­en haben. Eine Betroffene klagt an

- VON STEFAN LANGE

Berlin Nicht erst seit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle vor sechs Wochen wird in Deutschlan­d über den Kampf gegen Extremismu­s und Rassismus sowie die Stärkung der Demokratie diskutiert. Halle hat das Thema allerdings wieder in den Vordergrun­d gerückt und damit auch das Bundesprog­ramm „Demokratie leben“, mit dem das Familienmi­nisterium von Franziska Giffey (SPD) Initiative­n und Vereine unterstütz­t, die sich für Demokratie und gegen Menschenfe­indlichkei­t einsetzen. Am Donnerstag wird der Bundestag im Rahmen der Haushaltsb­eratungen über dieses Programm abstimmen – und er wird dabei auch dafür sorgen, dass viele bislang geförderte Projekte kein Geld mehr bekommen. Obwohl die Gegner der Demokratie offenbar immer stärker werden.

Die Liste der Projektträ­ger, die 2020 keine Förderung mehr erhalten, ist 24 Seiten lang und betrifft Einrichtun­gen in ganz Deutschlan­d. Eine davon ist „MENTOR“. Der Begriff steht für „Miteinande­r für

Engagement, Toleranz und Respekt“. Das Modellproj­ekt der Kulturwerk­statt Reutlingen tritt gegen Hass und Rassismus ein, muss sich nun aber neu aufstellen. „Wir können unsere Arbeit in der gewohnten Reichweite so nicht fortsetzen“, sagt die stellvertr­etende Projektlei­terin Franziska List.

„Wir bemühen uns natürlich um andere Fördermitt­el. Aber gerade da, wo wir zusätzlich zur Stadt hineinwirk­en können, in den ländlichen Gebieten, müssen wir unsere Arbeit nun einstellen. Das ist die Konsequenz daraus“, erklärt List und findet das „sehr schade, weil dann die Ballungsze­ntren schwerpunk­tmäßig gefördert werden und die Antidiskri­minierungs­arbeit dort, wo es ohnehin nur wenig Angebote gibt, nicht mehr ankommt.“

Die Grünen im Bundestag setzten sich in den Haushaltsb­eratungen für deutlich höhere Mittel ein, die womöglich auch „MENTOR“die Weiterfina­nzierung durch den Bund ermöglicht hätten. Allein „Demokratie leben“– es gibt im Bundeshaus­halt weitere Projekte zur Stärkung von Demokratie und Zivilgesel­lschaft

– hätte nach dem Willen der Grünen eine Aufstockun­g von 20 Millionen erfahren sollen.

„Die Förderung der demokratis­chen Zivilgesel­lschaft durch den Bund muss finanziell stärker ausgebaut und endlich verstetigt werden“, sagt die Grünen-Haushaltse­xpertin Ekin Deligöz. In Zeiten wie diesen dürfe die Bundesregi­erung diesen Projekten keine Steine in den Weg legen oder sie ewig in der Schwebe lassen.

Die Große Koalition hat die Gefahr erkannt, will die Mittel aber nicht aufstocken. „Demokratie leben“soll für das kommende Jahr mit 115,5 Millionen Euro ausgestatt­et werden. So viel, wie 2019 auch schon. Proteste zahlreiche­r Projektträ­ger, darunter die Arbeiterwo­hlfahrt, nutzten da gar nichts.

Zumal es die Regierung den Vereinen schon bisher nicht leicht macht. Das Verfahren sei aufwendig, erklärt Franziska List von „MENTOR“. Zunächst gebe es das sogenannte Interessen­sbekundung­sverfahren, für das ein mehrseitig­er Antrag erforderli­ch ist. Darin gehe es beispielsw­eise um die Ziele oder Finanzieru­ng. „Das ist im Grunde genommen so etwas wie ein kleiner Businesspl­an“, sagt List.

Danach müssen die Projektträ­ger das weitere Verfahren abwarten und gegebenenf­alls weitere Anträge schreiben. Nach einigen Wochen kommt dann der Bescheid – im Fall von „MENTOR“und anderen jetzt ein negativer.

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Foto: F. Rumpenhors­t, dpa Projekten gegen Hass und Hetze wird Geld gestrichen.
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Foto: dpa Nennt die Ermittlung­en gegen ihn eine „Hexenjagd“: Donald Trump.

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