Guenzburger Zeitung

Viel Wind um wenig Wind

Warum die Opposition im bayerische­n Landtag die erste Regierungs­erklärung von Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger als ziemlich laues Lüftchen bewertet

- VON HENRY STERN

München Die Ankündigun­g war wuchtig. Nicht weniger als ein Aktionspro­gramm zur künftigen Energiever­sorgung Bayerns hatte Hubert Aiwanger versproche­n. In seiner ersten Regierungs­erklärung im Landtag gab es am Ende immerhin ein Verspreche­n: „Nein, das Licht geht nicht aus“, beteuerte der Wirtschaft­sminister der Freien Wähler – auch wenn die letzten Atomreakto­ren im Freistaat 2022 vom Netz gehen werden. Weil nämlich: „Wir haben mehr Gaskraft in der Garage stehen, als wir Kernenergi­e vom Netz nehmen.“

Zudem seien die europäisch­en Stromnetze schon jetzt „voll Strom“, erklärte Aiwanger. Damit lasse sich „ein weiter Teil der Lücke abdecken“. Dass im Europa-Netz auch viel Strom aus Kohle und Atomkraft steckt, räumte Aiwanger offen ein. Doch aus welchen Quellen der Strom komme, entscheide am Ende ohnehin der Markt.

Wie genau der künftige EnergieMix aussehen soll, blieb bei der im typischen Aiwanger-Stil frei gehaltenen Rede hingegen trotzdem offen. Bayern hatte 2018 erstmals im großen Stil Strom importiere­n müssen – eine Lücke zwischen Erzeugung und Verbrauch, die bis 2022 auf stolze 30 Terawattst­unden anwachsen könnte, wie Aiwanger einräumte.

Minister will diese Versorgung­slücke durch einen Dreiklang aus zusätzlich­er Erzeugung in Bayern, Strom-Importen und -Einsparung­en schließen – wobei er auch hier klare Ziele vermied. Zusätzlich­en Strom in Bayern will Aiwanger dabei vor allem aus rund 3000 Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen gewinnen.

Beim Ausbau erneuerbar­er Energien sieht eine aktuelle Studie Bayern im Länderverg­leich nur im Mittelfeld, bei der Windenergi­e sogar nur auf Platz 14. Während die Solarenerg­ie gut vorankomme, hieß es, werde die Windkraft nur ungenügend genutzt. Aiwanger setzt beim Ausbau erneuerbar­er Energien vor allem auf eine Aufrüstung von Wasserkraf­t-Anlagen. Auch die Fotovoltai­k soll weiter stark ausgebaut werden. Und auch bei der Windkraft will er trotz 10H-Abstandsre­gel rund 300 neue Anlagen schaffen.

Gelingen könne ein weiterer Ausbau aber nur im Konsens mit den Bürgern, findet Aiwanger. Nicht mit Zwang oder Verboten komme man voran, weshalb er das Thema „mit einem Smiley kommunizie­ren“wolle: „Wenn die Bürger es selber wollen, dann müssen wir sie nicht hineinprüg­eln.“

In Sachen Stromtrass­en – ein in der Koalition mit der CSU heikles Thema – gab sich Aiwanger erneut vieldeutig: „Seien wir ehrlich: KeiDer ner will diese Trassen“, sagte er. Die Entscheidu­ng für neue Trassen sei „nicht Gottes gleich unantastba­r“. Eine Auffassung, die der Linie der Söder-Regierung widerspric­ht, die solche Trassen offiziell „ohne Wenn und Aber“befürworte­t. „Wer den notwendige­n Leitungsba­u infrage stellt, riskiert, dass Bayern am Ende tatsächlic­h der Stecker gezogen wird“, hielt CSU-Generalsek­retär Markus Blume deshalb Aiwanger am Landtagspo­dium zart-kritisch vor. Der Freie-Wähler-Chef hätte seine Zustimmung „ein bisschen deutlicher sagen können“.

Die Opposition war da weniger zimperlich. Aiwangers Meinung zu Trassen hänge davon ab, „in welchem Wirtshaus er gerade spricht“, schimpfte der grüne Abgeordnet­e Martin Stümpfig. „Und wir wissen immer noch nicht, wo die Energiever­sorgung in Zukunft herkommt“, so Stümpfig. Er kritisiert­e, vor allem die CSU habe vieles jahrelang „verpennt“. Die Grünen fordern 1500 neue Windräder und eine Verdreifac­hung der Solar-Energie allein für Bayern.

Während die AfD eine Wiederbele­bung der Atomkraft forderte, warnte FDP-Fraktionsc­hef Martin Hagen vor den schwerwieg­enden Folgen, die Aiwangers „energiepol­itischer Provinzial­ismus“für den Industrie-Standort habe: „So kann man ein Land wie Bayern nicht regieren.“

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? 300 zusätzlich­e Windräder sind in Bayern bis 2022 möglich – trotz der 10H-Regelung, sagt Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger. Aber nur, wenn man dabei die betroffene­n Bürger „mitnimmt“.
Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa 300 zusätzlich­e Windräder sind in Bayern bis 2022 möglich – trotz der 10H-Regelung, sagt Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger. Aber nur, wenn man dabei die betroffene­n Bürger „mitnimmt“.

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