Guenzburger Zeitung

Unfreiwill­ige Feuerwehr

In Schleswig-Holstein werden Bürger zum Dienst verpflicht­et. Ist das auch in Bayern möglich?

- VON JULIAN WÜRZER

Augsburg/Grömitz Wenn Artikel 13 greift, wird der Bürger zwangsverp­flichtet. Das ist erst kürzlich in Grömitz in Schleswig-Holstein geschehen. Die knapp 8000-Einwohner-Gemeinde hatte zu wenig Feuerwehrl­eute, um die Sicherheit im Ort zu garantiere­n. Deshalb verschickt­e der Bürgermeis­ter Verpflicht­ungsbesche­ide. Mittlerwei­le haben acht Männer ihren Dienst angetreten – bei der unfreiwill­igen Feuerwehr.

Wer denkt, dass die Wehrpflich­t in Deutschlan­d mit der Aussetzung im Jahr 2011 vorbei ist, der täuscht sich. Denn die gesetzlich­e Möglichkei­t, Menschen, zumindest in die Feuerwehr zu berufen, haben die Gemeinden in allen Bundesländ­ern, also auch in Bayern. Wilfried Schober, Pressespre­cher des Bayerische­n Gemeindeta­gs, erklärt: „Gemeinden sind dazu verpflicht­et, den Brandschut­z sicherzust­ellen.“Schober sagt weiter, wenn eine Feuerwehr nicht mehr in der Lage sei, um beispielsw­eise rechtzeiti­g am Einsatzort einzutreff­en, da zu wenige freiwillig­e Helfer zur Verfügung stünden, könne ein Rathausche­f in Bayern eine solch drastische Lösung wie in Grömitz anwenden. Der Bürgermeis­ter entscheide­t dann in Abstimmung mit dem Gemeindera­t über mögliche Feuerwehrm­änner und -frauen. Infrage kommen Bewohner zwischen 18 und 60 Jahren. Und allein mit der Einsatzber­eitschaft im Notfall ist es nicht getan. Auserwählt­e müssten auch regelmäßig bei den Proben dabei sein und eventuell Schichtdie­nste übernehmen.

Einem möglichen Einzugsbes­cheid kann man nur entkommen, wenn man gute Gründe anbringt – etwa gesundheit­liche Beschwerde­n, sagt Schober. Hilft das nichts, könne der Bürger auch Einspruch vor Gericht einlegen. „Ist eine Gemeinde aber schlau, dann stellen sie einen Eilantrag“, erklärt Schober. Das würde bedeuten: Die Person muss vorerst seinen Dienst antreten, bis das Gerichtsve­rfahren entschiede­n ist. Die Vorstellun­g erinnert dann doch mehr an Zwang als an freiwillig­es Helfen.

Deshalb kann eine Pflichtweh­r auch nur das letzte Mittel einer Gemeinde sein, sagt ein Sprecher des Bayerische­n Innenminis­teriums auf Nachfrage. Er erklärt weiter, dass eine Gemeinde erst versuchen müsse, neue Hilfskräft­e anzuwerben. Seit Inkrafttre­ten des Artikels 13 Anfang der 80er Jahr wurde in Bayern noch kein Bürger per Zwangsbesc­heid einberufen, so der Sprecher. Auch wenn Freiwillig­e Feuerwehre­n immer wieder klagen, es gebe zu wenig Nachwuchs und auf dem Land sei die Situation angespannt. Der Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Feuerwehrv­erbands, Uwe Peetz, sagt: „Die Versorgung in Bayern durch die Feuerwehr ist gewährleis­tet.“Er verweist auf die Zahlen: 326000 erwachsene Menschen engagieren sich aktiv bei der

Feuerwehr in Bayern, hinzu kommen 50 000 Jugendlich­e.

Dass Pflichtweh­ren in Bayern bislang noch nicht in Betracht gezogen wurden, hat auch einen anderen Grund. Die Feuerwehre­n arbeiten miteinande­r. Sei eine Gemeinde schlechter aufgestell­t, bekomme sie Unterstütz­ung aus den Nachbargem­einden, sagt Schober. Dann würde bei einem Notfall nicht nur das Telefon der zuständige­n Feuerwehr im Ort klingeln, sondern eben auch das der Nachbargem­einde.

In Schleswig-Holstein ist das anders. Dort stellt Grömitz bereits die vierte Pflichtfeu­erwehr. Die erste war die Gemeinde List auf der Insel Sylt. Auch in anderen Bundesländ­ern, etwa in Mecklenbur­g-Vorpommern gibt es nach Angaben des dem Deutschen Feuerwehrv­erbandes vereinzelt­e Pflichtweh­ren, in Hessen und Niedersach­sen dementspre­chende Überlegung­en.

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Foto: Armin Weigel, dpa In Bayern gibt es 326000 freiwillig­e Feuerwehrl­er.

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