Ein Übersetzer als Nebenmann
Kino ist ein Gemeinschaftserlebnis – ob man will oder nicht. Deshalb ist an dieser Stelle ja so oft vom Publikum die Rede, seinen Essvorlieben, Launen, seinem Benehmen. Der Kinosaal ist im Prinzip wie ein Großraumwagen im ICE. Niemand kann sich aussuchen, wer da neben und hinter und vor einem sitzt. Die Leute haben schließlich auch bezahlt und sind 2. Klasse wie alle. Doch während Essen, Reden und Telefonieren im Zug tolerierbar sein muss, ist Kino doch bitteschön kein Betriebsausflug, sondern eher eine Andacht. Einverstanden? Dann bitte hier entlang.
Neulich an einem Sonntagnachmittag in einem großen Kinocenter als ein Nachzügler (alle haben den Film doch eigentlich schon gesehen, oder?) „Joker“angeschaut. Die synchronisierte deutsche Fassung. Der Saal füllte sich überraschend – mit sehr vielen Zuschauern und den inzwischen offenbar üblichen Putzeimern voller Getränke und Popcorn. Soweit alles wie im Großraumwagen. Sessel gut, Projektion gut – und als der Film schon ein paar Minuten läuft, erste Erleichterung: Es ist ziemlich still, fast andächtig. Doch dann beginnt der Nebenmann, ein netter Kerl übrigens, seiner Begleiterin (Freundin? Schwester? Verlobte?) die wichtigsten Dialoge zu übersetzen. In einer Sprache, die fremd klingt, irgendwie osteuropäisch, schwer zu sagen. Der Flüsterer, der zum Glück nicht den Ehrgeiz hat, simultan zu übersetzen, und Mut zu Lücken beweist, löst einige Nachfragen bei seiner Begleiterin aus. Man spürt, dass das Paar Rücksicht zu nehmen versucht – aber es stört natürlich schon. Man bucht es ab unter Lebenserfahrung, just another Cinema-Story. Als gegen Ende die Vorderleute Spaß daran entwickeln, mit ihren Strohhalmen in ihren leeren ColaEimern Saug- und Leerpumpgeräusche zu erzeugen, beugt sich der Übersetzer vor und zischt: Psst! Psst! Das ist Kino!