Stimmwunder
47 Jahre nach ihrem Konzert kommt nun der Kinofilm über Aretha Franklin
Es ist heiß in der „New Temple Missionary Baptist Church“in Watts, Los Angeles. Die afroamerikanische Kirchengemeinde ist hier zusammengekommen, nicht nur um ihren Glauben, sondern auch um eine Stimme zu feiern, von der viele behaupten, dass sie von Gott berührt worden sei: Aretha Franklin. Als „Queen of Soul“1972 hatte sie schon mehr als 20 Alben veröffentlicht und fünf Grammys gewonnen. Hier in der baptistischen Kirche, die früher einmal ein Kino war, beweist sie, wie sehr sie mit den Wurzeln der Gospel-Musik verbunden ist.
Das Album „Amazing Grace“, das aus dem Konzertmitschnitt entstand, ist heute noch das meistverkaufte ihrer Karriere. Der junge Sydney Pollack begleitete das Musik-Event damals mit der Kamera, aber technische Probleme bei der Synchronisierung von Bild und Ton führten dazu, dass der Film nie fertiggestellt wurde. Erst mit neuer Digitaltechnologie bekam Produzent Alan Elliott die Probleme in den Griff. Entstanden ist ein ergreifender Konzertfilm, der sich mit formaler Schlichtheit auf seine Protagonistin, ihr hingerissenes Publikum und die enorme energetische Wirkung der Musik konzentriert.
Im weiten weißen Kaftankleid steht Franklin auf der Kirchenbühne und lässt ihre Stimme durch den Saal schweben, die das Publikum immer wieder zu begeisterten Zwischenrufen und Tanzeinlagen verleitet. Das Reden überlässt sie Reverend James Cleveland, einem begnadeten Kirchenentertainer und Gospel-Musiker. Aber auch er verliert irgendwann die Fassung, setzt sich abseits auf einen Stuhl und weint vor Rührung in ein Handtuch hinein. Auch wenn kein Wort über die Realität draußen auf der Straße verloren wird, ist Euphorie und Schmerz der schwarzen Bürgerrechtsbewegung vier Jahre nach Ermordung Martin Luther Kings fühlbar mit im Raum.
» Aretha Franklin: Amazing Grace (1 Std. 27 Min.), Konzertfilm, USA 2018 Wertung ★★★★✩