Guenzburger Zeitung

Ihre Haare sollen anderen Freude machen

Melina aus Burtenbach lässt ihr Haar für Perücken für kranke Menschen schneiden

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Landkreis Menschen, die das Schicksal einer schweren Erkrankung trifft, verlieren oft ihre Haare, was besonders für Frauen eine zusätzlich­e seelische Belastung darstellt. Die Krankenkas­se kommt zwar für eine Perücke auf, aber nur aus Kunsthaar oder einer Mischung aus Kunst- und Echthaar. Die teuren Echthaarpe­rücken, die normalerwe­ise aus gekauften Haaren hergestell­t werden, müssen die Betroffene­n aus eigener Tasche zahlen. In Hamburg hat sich deshalb der Verein Werkstatt für Haarkunst gegründet, der Perücken aus gespendete­n Haaren knüpft, was sich deutlich auf den Endpreis der Zweitfrisu­r auswirkt.

Die junge Burtenbach­erin Melina hat über ein zufällig angeklickt­es Youtube-Filmchen von der Möglichkei­t erfahren, beim Friseur abgeschnit­tenes Haar zu spenden. Die Schülerin mit ihren fast hüftlangen Haaren hatte sich schon länger mit der Idee getragen, sich die Haare abschneide­n zu lassen. „Der YoutubeFil­m hat mich fasziniert und mich nicht mehr losgelasse­n. Ich fand die Idee gut, wenn die Haare noch zu etwas nütze sind, denn in die Tonne werfen wäre Verschwend­ung. „Sie thematisie­rt eine Haarspende im Familienkr­eis und erhält von Eltern und Geschwiste­rn generell Unterstütz­ung. „Aber meine Mutter hat mich gewarnt, erst zum Friseur zu gehen, wenn ich mir ganz sicher bin, dass ich meine Haare kürzer haben will. Die Idee der Spende fand auch sie gut.“

Bei ihrer Friseurin in Burtenbach stieß sie mit ihrem Anliegen auf offene Ohren, aber diese selbst sammelt keine Haarspende­n. Sie konnte der Schülerin aber eine Adresse nennen: Friseursal­on Unglert in Krumbach, wo die 16-Jährige auch zur Schule geht. Martina Unglert kam über einen Zeitungsar­tikel zum Haarespend­en. „Das“, erklärt die Friseurmei­sterin, „ist leider noch nicht überall so. Viele Friseure belächeln die Idee, aber inzwischen machen doch immer mehr Kollegen mit und leiten gespendete Haare an mich weiter.“Im Herbst 2017 las sie von einer ehrenamtli­ch tätigen Frau, die Haarspende­n sammelt und diese zweimal im Jahr persönlich von Langerring­en südlich von Augsburg nach Hamburg bringt, wo sie zu Echthaarpe­rücken verarbeite­t werden. „Im Januar 2018 habe ich Kontakt mit Frau Eisenbarth aufgenomme­n, die mich sofort für das Projekt begeistern konnte.“

Inzwischen konnte sie schon an die 200 Haarzöpfe für die Haarkunstw­erkstatt abgeben. Unglert und ihr Team weisen deshalb die Kunden auf die Möglichkei­t hin, ihre Haare zu spenden. „Derzeit werden besonders graue oder grau melierte Haare dringend gebraucht, aber natürlich sind alle Haarfarben und -qualitäten willkommen. Es spielt auch keine Rolle, ob die Haare Naturfarbe haben oder gefärbt sind.“

Eine Spende ist schon ab einer Abschnittl­änge von 20 Zentimeter­n möglich. „Beim Schneiden muss man sicherstel­len, dass nach dem

Schnitt alle Haare in Wuchsricht­ung liegen. Wir teilen deshalb je nach Menge die Haare in einen, zwei oder drei Teile, die als Pferdeschw­anz oder Zopf oben und unten abgebunden werden. Der Schnitt erfolgt im trockenen Haar, denn es wäre sehr schwierig, die abgeschnit­tenen Haare ausreichen­d zu trocknen.“Unglert hat selbst noch im Rahmen ihrer Ausbildung gelernt, Perücken zu knüpfen, und weiß, wie wichtig hier Sorgfalt ist.

So war es auch bei Melina, die noch ihre Schulabsch­lussfeier abgewartet und sich danach bei Martina Unglert gemeldet hat. Jetzt trägt sie einen kinnlangen Bob. „Das ist schon noch etwas ungewohnt. Immerhin habe ich meine Haare fünf Jahre wachsen lassen, im Wettstreit mit meiner Freundin, die hat jetzt natürlich gewonnen.“„Ach warte mal fünf Jährchen, dann sind sie wieder lang“, foppt sie ihr Bruder.

Aber das stört Melina nicht, sie ist auch mit der neuen Frisur davon überzeugt, das Richtige getan zu haben.

 ?? Fotos: Martina Unglert ?? Melina aus Burtenbach lässt ihr Haar im Friseursal­on von Martina Unglert in Krumbach für Perücken für kranke Menschen schneiden und spendet es. Sie hat sich von ihren langen Haaren getrennt und dafür einen schicken Bob bekommen.
Fotos: Martina Unglert Melina aus Burtenbach lässt ihr Haar im Friseursal­on von Martina Unglert in Krumbach für Perücken für kranke Menschen schneiden und spendet es. Sie hat sich von ihren langen Haaren getrennt und dafür einen schicken Bob bekommen.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany