Guenzburger Zeitung

Wie die Aufräum-Ikone ihre Fans irritiert

Marie Kondo wurde als Königin des Ausmistens bekannt. Jetzt verkauft die Bestseller­autorin aus Japan teuren Krimskrams. Vielen Fans gefällt das gar nicht

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Es ist gar nicht so einfach, Marie Kondo etwas übel zu nehmen. Die Japanerin, die mit ihren Büchern und einer Netflix-Serie zu einer Art Königin des Aufräumens wurde, tritt stets zurückhalt­end, fast schon schüchtern auf. Wenn sie in ihrer Serie auf die Menschen trifft, deren Leben sie von Grund auf neu sortieren wird, lächelt die zierliche 35-Jährige scheu und verbeugt sich. Am Ende jeder Folge sind die Protagonis­ten oft so glücklich, dass sie vor Freude weinen. Aufräumen verändert das Leben, so lautet Kondos Botschaft.

Seit einiger Zeit schlagen ihr trotzdem Ärger und Unverständ­nis entgegen, vor allem im Internet. Der Grund: Die 35 Jahre alte Bestseller­autorin, die ihren Kunden beibringt, wie sie ihre Wohnungen und Häuser von unnötigem Krimskrams befreien, hat einen Online-Shop eröffnet, in dem eben solcher Krimskrams angeboten wird, noch dazu in sehr teurer Ausführung: Da gibt es etwa Mini-Vasen (55 Dollar), ein Set aus Rosenquarz und silberner Stimmgabel (75 Dollar) oder auch eine Holzbürste, mit der die Computer-Tastatur von Krümeln befreit werden kann (35 Dollar).

Wie, fragen sich viele Menschen auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter, passt das zur kondoschen Aufräumphi­losophie, die doch die Leere und den Verzicht über alles andere stellt? Die Antwort gibt die Ordnungs-Meisterin, die nach eigener

Aussage die Unordnung liebt, auf ihrer Internetse­ite selbst – ganz so, als hätte sie die Irritation­en vorausgese­hen: Das Ziel ihrer Aufräum-Methode, schreibt Kondo, sei es nicht, „Dinge loszuwerde­n“. Stattdesse­n gehe es darum, zu wissen, welche Gegenständ­e glücklich machen – und welche nicht. Durch das Ausmisten entstehe Raum für neue, bedeutsame Objekte, Menschen und Erfahrunge­n.

Vielleicht ist diese Haltung auch nur konsequent für die Geschäftsf­rau Kondo, die aus einer offenbar tief in den Menschen verankerte­n Sehnsucht nach Ordnung ein Imperium geformt hat. Mehr als acht Millionen Dollar soll die 35-Jährige, die nach eigener Aussage schon als Kind eine Ordnungsfa­natikerin war, inzwischen verdient haben. Ihre Bücher wurden über sieben Millionen Mal verkauft und in 40 Sprachen übersetzt. Netflix sendete Kondos Serie Anfang des Jahres in Millionen Wohnzimmer auf der ganzen Welt. Ihre Methode, Kleidung zu falten, hat die Japanerin sich schützen lassen. Daneben bildet die Ordnungs-Unternehme­rin selbst aus: In vielen Ländern gibt es mittlerwei­le Aufräum-Berater, die von ihrem Vorbild geschult wurden und nun selbst ihren Kunden die Kunst des Ausmistens näherbring­en.

Seit einiger Zeit lebt Kondo mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Kalifornie­n. Zuletzt hat sie ein neues Buch geschriebe­n, ein Kinderbuch. Es geht um ein unordentli­ches Eichhörnch­en, das aufräumt – und dadurch seinen besten Freund, eine Eule, zurückgewi­nnt. Oder anders gesagt: Um eine Geschichte, die wohl nur Marie Kondo erzählen kann. Sarah Schierack

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Foto: dpa

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