Guenzburger Zeitung

Die AfD sucht einen Nachfolger für Alexander Gauland

Der AfD-Chef hatte seine Nachfolge minutiös geplant. Dann kam Gottfried Curio

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Die AfD ist ein „gäriger Haufen“sagte einst Alexander Gauland. Seit Mittwoch ist gewiss, dass der Mann mit der Hunde-Krawatte in diesem Gärkessel in absehbarer Zukunft nicht mehr auf der Schaumkron­e schwimmen will. So weit, so gut. Aber natürlich will der 78-Jährige auch im Moment seines Abgangs alle Zügel in der Hand behalten. Doch dieser Plan ist zumindest in Gefahr geraten. Schuld daran ist ein Berliner: Gottfried Curio könnte den geordneten Rückzug des wohl bekanntest­en AfD-Politikers von der Parteispit­ze durchkreuz­en. Die Entscheidu­ng fällt auf dem Parteitag der Rechtspopu­listen – am Samstag wird in Braunschwe­ig die neue Doppelspit­ze gewählt.

Wie ist die Ausgangsla­ge vor dem Showdown? Der alte Parteichef, der ja nach wie vor als Fraktionsc­hef eine übergeordn­ete Rolle spielen wird, hatte sich Folgendes überlegt: Er selber wird in der niedersäch­sischen Stadt mit Standing Ovations zum Ehrenvorsi­tzenden der Partei gekürt, um dann später seinem Nachfolger Tino Chrupalla, einem Malermeist­er aus Sachsen, zu seiner Wahl gratuliere­n zu können. Doch auch ausgefuchs­te Braumeiste­r können manchmal nicht kontrollie­ren, was im Gärkessel vor sich geht.

Denn es gibt ein Problem bei der Sache. Chrupalla gilt in der AfD als gemäßigt. Jedenfalls hielt sich der Bundestags­abgeordnet­e rhetorisch bis dato zurück. Doch die Partei hat einen Flügel, der sich auch noch „Der Flügel“nennt und – je nach Betrachtun­g – zwischen rechtsnati­onal und rechtsextr­em changiert. Und diesem Flügel wachsen – um im Bild zu bleiben – nach den erfolgreic­hen Landtagswa­hlen im Osten Deutschlan­ds immer mehr kräftige Federn. Einige Zeit lang wurde gemutmaßt, dass die Galionsfig­ur dieser Gruppe, Björn Höcke, selber für die Doppelspit­ze kandidiert. Doch der Thüringer AfD-Chef wird nach Stand der Dinge nicht in den Ring steigen.

Ganz anders als Jörg Meuthen. Der 58-Jährige aus dem badischen Ortenau tritt auf jeden Fall morgen in Braunschwe­ig an. Der Co-Vorsitzend­e hat sich von der extremen Rechten in seiner Partei distanzier­t. Es gilt als sicher, dass der Professor für Volkswirts­chaftslehr­e wieder gewählt wird. Allerdings dürfte er die 72 Prozent der Stimmen, mit denen er 2017 zu einem der beiden Bundesspre­cher – sprich Vorsitzend­en – gewählt wurde, in Braunschwe­ig

nicht annähernd erreichen. Er ist vielen Protagonis­ten des „Flügels“nicht rechts genug.

Diese Gemengelag­e wiederum will ganz offensicht­lich Gottfried Curio nutzen, um als Kai aus der Kiste sozusagen in den Vorstand zu springen. Hat er Chancen? Skeptiker geben zu bedenken, dass Curio nicht so gut in der Partei vernetzt ist wie Chrupalla, der als Direktkand­idat in den Bundestag eingezogen ist. Doch der 59-jährige Curio setzt darauf, dass er beim rechtsnati­onalen Flügel punkten kann – in dieser Gruppierun­g ist Konkurrent Chrupalla zwar gut gelitten, aber er gehört der Plattform nicht an.

Auch Curio ist kein „Flügel“-Mitglied. Doch für ihn könnte sprechen, dass er sich im Bundestag als gewiefter Redner einen Namen gemacht hat. Und zwar auch mit einigen schmissige­n Zitaten, die bei Teilen der AfD und ihren Wählern gut ankommen dürften. So sagte er, dass für ihn „Masseneinw­anderung“auch eine „Messereinw­anderung“sei. Er raunte zudem davon, dass eine „Auslöschun­g des deutschen

Der Berliner gilt in der Partei als Youtube-Star

Staates durch muslimisch­e Migranten“im Gange sei. Kaum einer in der AfD-Fraktion beherrscht die Kunst der dosierten Provokatio­n derart versiert wie der Physiker, dessen Fachgebiet die Erforschun­g von Elementart­eilchen-Modellen war. Kolportier­t wird, dass Curio gerne Professor an der Berliner HumboldtUn­iversität geworden wäre. Doch daraus wurde nichts. Die Öffentlich­keit – im Sinne von Zeitungsin­terviews oder TV-Auftritten – hat Curio bisher weitgehend gemieden. Allerdings muss dies in der AfD kein Nachteil sein. Zumal er umso reger die sozialen Netzwerke bespielt. Ja, er gilt gar als Youtube-Star der Partei. In kleinen Filmchen schleudert er seine zugespitzt­en Thesen ins weltweite Netz. Das ist besonders in der AfD, die im Internet präsenter ist als die meisten anderen Parteien, ein Pluspunkt.

Der alte Polit-Haudegen Gauland scheint sich dennoch sicher zu sein, dass sein Nachfolges­zenario von der Partei abgesegnet wird. Jedenfalls beendete er jetzt mit seiner Festlegung, nicht mehr als Parteichef antreten zu wollen, alle Spekulatio­nen. So läuft alles auf ein Duell zwischen Handwerker und Wissenscha­ftler um den freien Platz neben Jörg Meuthen hinaus – Tino Chrupalla versus Gottfried Curio.

 ?? Foto: W. Kumm, dpa ?? Scharfzüng­ig: Gottfried Curio gilt im Bundestag als einer der bekanntest­en Redner der AfD. Doch der Physiker will mehr.
Foto: W. Kumm, dpa Scharfzüng­ig: Gottfried Curio gilt im Bundestag als einer der bekanntest­en Redner der AfD. Doch der Physiker will mehr.

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