Die AfD sucht einen Nachfolger für Alexander Gauland
Der AfD-Chef hatte seine Nachfolge minutiös geplant. Dann kam Gottfried Curio
Augsburg Die AfD ist ein „gäriger Haufen“sagte einst Alexander Gauland. Seit Mittwoch ist gewiss, dass der Mann mit der Hunde-Krawatte in diesem Gärkessel in absehbarer Zukunft nicht mehr auf der Schaumkrone schwimmen will. So weit, so gut. Aber natürlich will der 78-Jährige auch im Moment seines Abgangs alle Zügel in der Hand behalten. Doch dieser Plan ist zumindest in Gefahr geraten. Schuld daran ist ein Berliner: Gottfried Curio könnte den geordneten Rückzug des wohl bekanntesten AfD-Politikers von der Parteispitze durchkreuzen. Die Entscheidung fällt auf dem Parteitag der Rechtspopulisten – am Samstag wird in Braunschweig die neue Doppelspitze gewählt.
Wie ist die Ausgangslage vor dem Showdown? Der alte Parteichef, der ja nach wie vor als Fraktionschef eine übergeordnete Rolle spielen wird, hatte sich Folgendes überlegt: Er selber wird in der niedersächsischen Stadt mit Standing Ovations zum Ehrenvorsitzenden der Partei gekürt, um dann später seinem Nachfolger Tino Chrupalla, einem Malermeister aus Sachsen, zu seiner Wahl gratulieren zu können. Doch auch ausgefuchste Braumeister können manchmal nicht kontrollieren, was im Gärkessel vor sich geht.
Denn es gibt ein Problem bei der Sache. Chrupalla gilt in der AfD als gemäßigt. Jedenfalls hielt sich der Bundestagsabgeordnete rhetorisch bis dato zurück. Doch die Partei hat einen Flügel, der sich auch noch „Der Flügel“nennt und – je nach Betrachtung – zwischen rechtsnational und rechtsextrem changiert. Und diesem Flügel wachsen – um im Bild zu bleiben – nach den erfolgreichen Landtagswahlen im Osten Deutschlands immer mehr kräftige Federn. Einige Zeit lang wurde gemutmaßt, dass die Galionsfigur dieser Gruppe, Björn Höcke, selber für die Doppelspitze kandidiert. Doch der Thüringer AfD-Chef wird nach Stand der Dinge nicht in den Ring steigen.
Ganz anders als Jörg Meuthen. Der 58-Jährige aus dem badischen Ortenau tritt auf jeden Fall morgen in Braunschweig an. Der Co-Vorsitzende hat sich von der extremen Rechten in seiner Partei distanziert. Es gilt als sicher, dass der Professor für Volkswirtschaftslehre wieder gewählt wird. Allerdings dürfte er die 72 Prozent der Stimmen, mit denen er 2017 zu einem der beiden Bundessprecher – sprich Vorsitzenden – gewählt wurde, in Braunschweig
nicht annähernd erreichen. Er ist vielen Protagonisten des „Flügels“nicht rechts genug.
Diese Gemengelage wiederum will ganz offensichtlich Gottfried Curio nutzen, um als Kai aus der Kiste sozusagen in den Vorstand zu springen. Hat er Chancen? Skeptiker geben zu bedenken, dass Curio nicht so gut in der Partei vernetzt ist wie Chrupalla, der als Direktkandidat in den Bundestag eingezogen ist. Doch der 59-jährige Curio setzt darauf, dass er beim rechtsnationalen Flügel punkten kann – in dieser Gruppierung ist Konkurrent Chrupalla zwar gut gelitten, aber er gehört der Plattform nicht an.
Auch Curio ist kein „Flügel“-Mitglied. Doch für ihn könnte sprechen, dass er sich im Bundestag als gewiefter Redner einen Namen gemacht hat. Und zwar auch mit einigen schmissigen Zitaten, die bei Teilen der AfD und ihren Wählern gut ankommen dürften. So sagte er, dass für ihn „Masseneinwanderung“auch eine „Messereinwanderung“sei. Er raunte zudem davon, dass eine „Auslöschung des deutschen
Der Berliner gilt in der Partei als Youtube-Star
Staates durch muslimische Migranten“im Gange sei. Kaum einer in der AfD-Fraktion beherrscht die Kunst der dosierten Provokation derart versiert wie der Physiker, dessen Fachgebiet die Erforschung von Elementarteilchen-Modellen war. Kolportiert wird, dass Curio gerne Professor an der Berliner HumboldtUniversität geworden wäre. Doch daraus wurde nichts. Die Öffentlichkeit – im Sinne von Zeitungsinterviews oder TV-Auftritten – hat Curio bisher weitgehend gemieden. Allerdings muss dies in der AfD kein Nachteil sein. Zumal er umso reger die sozialen Netzwerke bespielt. Ja, er gilt gar als Youtube-Star der Partei. In kleinen Filmchen schleudert er seine zugespitzten Thesen ins weltweite Netz. Das ist besonders in der AfD, die im Internet präsenter ist als die meisten anderen Parteien, ein Pluspunkt.
Der alte Polit-Haudegen Gauland scheint sich dennoch sicher zu sein, dass sein Nachfolgeszenario von der Partei abgesegnet wird. Jedenfalls beendete er jetzt mit seiner Festlegung, nicht mehr als Parteichef antreten zu wollen, alle Spekulationen. So läuft alles auf ein Duell zwischen Handwerker und Wissenschaftler um den freien Platz neben Jörg Meuthen hinaus – Tino Chrupalla versus Gottfried Curio.