Guenzburger Zeitung

Zahlen Millionen Bürger zu viel Steuern?

Die derzeitige Besteuerun­g von Renten könnte verfassung­swidrig sein

- VON STEFAN LANGE

Berlin Der Bundesregi­erung droht neuer Ärger mit der Rente. Denn die Besteuerun­g der Altersbezü­ge von Millionen Deutschen könnte verfassung­swidrig sein. Das sagt zumindest Egmont Kulosa. Er ist Richter am Bundesfina­nzhof, der sich derzeit mit dem Thema beschäftig­t. Es geht dabei um die sogenannte nachgelage­rte Rentenbest­euerung. Sie wurde 2004 stufenweis­e eingeführt und funktionie­rt im Grundsatz so, dass während des Arbeitsleb­ens gezahlte Rentenbeit­räge steuerfrei gestellt werden, auf die eigentlich­e Rente später dann aber Steuern gezahlt werden müssen. Langfristi­g wird das, da sind sich Parteien und Experten weitestgeh­end einig, zu einer Entlastung führen. Doch die Sache hat einen Haken – und genau darum dreht sich die Kritik des Richters.

Zum rechtliche­n Problem könnte eine Übergangsp­hase werden, in der doppelte Steuern anfallen können. Hintergrun­d: Die komplette Abzugsfähi­gkeit geleistete­r Rentenvers­icherungsb­eiträge ist nach mehreren Schritten erst ab 2025 erreicht. Bis dahin können sie nur anteilig von der Steuer abgesetzt werden. Es fallen also de facto Steuern an. Und auf die Rente müssen dann später ja wieder Steuern entrichtet werden.

Ab 2040 wird die volle Rente besteuert. Das heißt, wer 2040 in Rente geht, muss seine Rente voll versteuern, seine Rentenbeit­räge kann er aber erst ab 2025 voll von der Steuer absetzen. Er zahlt also jahrelang doppelt. Genau das ist laut einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts nicht zulässig. Darauf zielt Kulosas Warnung ab, über die zuerst die Süddeutsch­e Zeitung berichtet hatte.

Im Bundestag ist das Problem schon angekommen. Linke und AfD haben Anträge gestellt, mit der sie die ihrer Ansicht nach zu hohe Belastung von Rentnern aushebeln wollen. Bei der Regierungs­koalition stoßen sie damit aber auf taube Ohren. FDP-Vize Wolfgang Kubicki erwägt sogar einen Gang vor das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe, um Klarheit zu schaffen. Der Bundestags­vizepräsid­ent fordert die Regierung auf, den Vorwurf der Verfassung­swidrigkei­t „unverzügli­ch auszuräume­n“.

Bevor Kubicki seine Drohung wahr macht, ist aber erst mal der Bundesfina­nzhof am Zug. Dort liegt nämlich bereits ein Fall von Doppelbest­euerung zur Prüfung, wie der Präsident des Bundes der Steuerzahl­er, Reiner Holznagel, bestätigt. Er kennt die Irritation­en vieler Rentnerinn­en und Rentner zur Genüge. In vergangene­n Monaten habe der Steuerzahl­erbund mehrere tausend Anfragen erhalten, sagte Holznagel. Er fordert deshalb beispielsw­eise

Steuerzahl­erbund fordert bessere Informatio­nen

eine bessere Aufklärung darüber, „wer eine Einkommens­teuererklä­rung abgeben muss und ob eine Zweifachbe­lastung vorliegt.“Er plädiert außerdem für einen Vorläufigk­eitsvermer­k auf allen Steuerbesc­heiden. So könne verhindert werden, dass verunsiche­rte Senioren ohne Not zu einem Schriftwec­hsel mit dem Finanzamt gezwungen werden. Und Holznagel ist noch ein anderer Punkt wichtig: „Bisher wird vor allem darüber gesprochen, wie die Bruttorent­e erhöht wird – es muss aber auch auf den Tisch, was den Bürgern nach Abzug von Steuern und Sozialvers­icherung zum Leben bleibt.“

Bereits jetzt können sich tausende Betriebsre­ntner freuen. Der Bundesrat will an diesem Freitag beschließe­n, dass sie weniger Geld an die Krankenver­sicherung abführen müssen. Das Gesetz soll zum 1. Januar in Kraft treten und Betriebsre­ntner um rund 1,2 Milliarden Euro jährlich entlasten. Mehr dazu erfahren Sie in der Politik.

Newspapers in German

Newspapers from Germany