Guenzburger Zeitung

Wer zu Udos Zeiten im Allgäu lebte

Vor etwa 11,6 Millionen Jahren soll der wohl erste aufrecht gehende Menschenaf­fe in der Region gelebt haben. Dort war er nicht alleine – das beweisen zahlreiche erstaunlic­he Funde

- VON JAKOB STADLER

Augsburg „Udo“, der wohl erste aufrecht laufende Menschenaf­fe, ist ein Sensations­fund, der internatio­nal für Aufsehen gesorgt hat. Wie berichtet, handelt es sich um ein bislang fehlendes Bindeglied der Evolutions­geschichte des Menschen. Entdeckt wurden die etwa 11,6 Millionen Jahre alten Knochen im Ostallgäu, bei Grabungen in der Tongrube Hammerschm­iede bei Pforzen. Udo ist zwar der bedeutends­te, aber bei weitem nicht der einzige Fund an diesem Ort. Tatsächlic­h wurden dort schon mehr als 15000 Fossilien geborgen, die eine Menge über die Zeit verraten, in der auch Udo durch das Allgäu lief. Insgesamt wurden 115 Wirbeltier­arten nachgewies­en.

Die Tübinger Professori­n Madelaine Böhme, die Entdeckeri­n der bislang unbekannte­n Menschenaf­fen-Art, hat zusammenge­fasst, welche Tiere in der Hammerschm­iede nachgewies­en wurden. Eine Auswahl von Udos Zeitgenoss­en:

● Ur-Panda Kretzoiarc­tos beatrix gehört einer Unterfamil­ie an, von der es heute nur noch eine Art gibt: den großen Panda. Besonders an den Funden in der Hammerschm­iede ist, dass dort Knochen des Schädels und von Extremität­en entdeckt wurden. Bisher war von dieser Art nur ein Unterkiefe­r bekannt. Deshalb könnten die neuen Funde helfen, mehr über den Panda-Vorfahren herauszufi­nden.

● Riesensala­mander Auch Andrias scheuchzer­i lebte zu Udos Zeiten. In der Hammerschm­iede wurden gleich mehr als hundert gut erhaltene Knochen der Art entdeckt. Laut Böhme sind so erst mal detaillier­te Neubeschre­ibungen der Art möglich. Nicht ausgestorb­en sind zwei nahe Verwandte des Andrias scheuchzer­i: Der Japanische Riesensala­mander, der bis zu 1,5 Meter groß werden kann, und der Chinesisch­en Riesensala­mander, von dem es sogar noch etwas größere Exemplare gibt, sind heute die beiden größten Amphibien der Welt.

● Raubkatze Udo musste sich auch mit der Pseudaelur­us quadrident­atus herumschla­gen. Das Tier wurde wohl etwa 30 Kilogramm schwer und in etwa so groß wie ein Puma. Der Räuber, der auch in der Hammerschm­iede nachgewies­en wurde, gilt als Vorläufer der Säbelzahnk­atzen – die oberen Eckzähne waren deutlich verlängert. Der Pseudaelur­us quadrident­atus starb vor etwa zehn Millionen Jahren aus.

● Hundebär Das größte Raubtier, das in der Hammerschm­iede gefunden wurde, ist der Amphicyoni­dae.

Die Tiere erreichten etwa die Größe eines Löwen und sahen, wie der Name vermuten lässt, wie eine Mischung aus Bär und Hund aus. Sie waren Lauerjäger und Knochenfre­sser, vergleichb­ar mit späteren Hyänen.

● Affe Neben Udo wurde in der Hammerschm­iede noch eine zweite Affenart, der etwa gibbongroß­e Pliopithec­us, nachgewies­en. Die Affenart wurde wohl zwischen 20 und 40 Zentimeter groß, hatte einen Schwanz und lebte auf Bäumen. Sie waren zur damaligen Zeit nicht selten, vor rund elf Millionen Jahren ist die Gattung aber ausgestorb­en. Anders als Udo gehörten sie nicht zu den Menschenaf­fen.

● Robben In der Hammerschm­iede gefunden wurden auch Semantorid­ae, primitive Robben-Vorfahren.

Sie sahen heutigen Ottern ähnlich und waren im Süßwasser beheimatet. Es gibt nur sehr wenige Funde aus dieser Familie – die im Allgäu entdeckten Reste sind sehr gut erhalten und deswegen von besonderem wissenscha­ftlichen Wert.

● Elefanten Auch Elefanten-Arten wie der Tetralopho­don longirostr­is lebten zur gleichen Zeit wie Udo im Allgäu. Vom Tetralopho­don wurden in der Hammerschm­iede Teile eines Skeletts gefunden. Viele Knochenres­te stammen von Jungtieren. Unter den Funden sind auch seltene Skeletttei­le, etwa ein Zungenbein – diese sind für Wissenscha­ftler besonders bedeutend.

● Nashorn Hoploacera­therium belvederen­se war zu Udos Zeiten auch im Allgäu beheimatet. Im Gegensatz zu heutigen Nashörnern war das Horn des Tieres aber wohl deutlich kleiner.

● Hirschferk­el Vom Dorcatheri­um naui wurde in der Hammerschm­iede ein nahezu komplettes Skelett gefunden. Männliche Schädel geben Hinweise darauf, dass sich Männchen und Weibchen stark unterschie­den haben könnten.

Von den meisten dieser Tiere gibt es keine wissenscha­ftlich genauen Lebend-Rekonstruk­tionen, sprich: Illustrati­onen. Professor Böhme erklärt, diese lassen sich erst dann zuverlässi­g anfertigen, wenn viele Elemente eines Skeletts bekannt sind. Für einige der Tiere könnten dank der Funde in der Hammerschm­iede noch gute Rekonstruk­tionen entstehen, weil im Allgäu bisher unbekannte Skelettpar­tien oder ganze Skelette nachgewies­en wurden.

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 ?? Fotos: Hildenbran­d, dpa/Velizar Simeonovsk­i/FunkMonk (Michael B. H.) Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 ?? In der Tongrube Hammerschm­iede bei Pforzen wurden schon mehr als 15 000 Fossilien gefunden. Neben Knochen von Danuvius guggenmosi, auch „Udo“genannt, wurden unter anderem Überreste des Riesensala­manders Andrias scheuchzer­i (Bild rechts unten) entdeckt.
Fotos: Hildenbran­d, dpa/Velizar Simeonovsk­i/FunkMonk (Michael B. H.) Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 In der Tongrube Hammerschm­iede bei Pforzen wurden schon mehr als 15 000 Fossilien gefunden. Neben Knochen von Danuvius guggenmosi, auch „Udo“genannt, wurden unter anderem Überreste des Riesensala­manders Andrias scheuchzer­i (Bild rechts unten) entdeckt.
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