Guenzburger Zeitung

Treu bis zum Liebestod

Hunde sind die besten Freunde des Menschen. Nun verhelfen sie dem Bayerische­n Nationalmu­seum zu einer äußerst aufschluss­reichen und unterhalts­amen Ausstellun­g

- VON CHRISTA SIGG

München. Darf’s ein Napf mit Glitzerste­inchen sein? Und vielleicht noch ein Samthalsba­nd mit goldenen Initialen? Für den besten aller Freunde ist nichts zu teuer und kein Aufwand zu hoch. Ein Hundeleben kann fürstlich ausfallen – etwa als Mops des Grafen Brühl. Johann Joachim Kaendler, der findigste unter den Meißener Porzellan-Designern, musste im Winter 1743 auf Schloss Hubertusbu­rg antanzen, um das vornehm auf einem Kissen thronende Tier „nach dem Leben“zu modelliere­n. Heinrich von Brühl, der neben August III. mächtigste Mann im Königreich Sachsen, wurde sofort schwach, wenn es um seinen „Mopßhund“ging. Und er war damit keineswegs allein.

Zum einen wurden die Vierbeiner mit ihren kurz geratenen Schnauzen im 18. Jahrhunder­t zum Lieblingst­ier der Adligen und Reichen. Zum anderen sind besonders die unnahbaren Zeitgenoss­en vor der innigen Hundeliebe nicht gefeit. Im Gegenteil. Gerade dort, wo undurchläs­sige Hierarchie­n und kühle Distanzier­theit herrschen, spazieren Terrier, Weimaraner, Corgis und Malteser direkt und erhobenen Hauptes in die intimsten Gemächer, und sei es von Kaisern und Königen, von der Queen oder Sisi von Österreich. Und wer anfängt, in der Geschichte der Kunst nach Hunden zu fahnden, merkt schnell, dass mit Skulpturen, Gemälden, Grafik, Fotografie oder Porzellane­n problemlos mehrere Ausstellun­gen zu machen sind. Ganz zu schweigen, wenn Comics, Karikature­n, Spielzeug und Alltagsgeg­enstände dazukommen.

Auch im Bayerische­n Nationalmu­seum in München hätten Direktor Frank Matthias Kammel und sein Co-Kurator Raphael Beuing locker ein paar Säle mehr füllen können, dabei ist die Schau „Treue Freunde“mit ihren 220 teils wild kombiniert­en Objekten eh schon die schiere Wucht. Und es hätte beim überaus populären Thema „Hunde und Menschen“noch nicht einmal einen Aufhänger gebraucht. Doch wir sind in München, und nicht weit vom Museumsbau an der Prinzregen­tenstraße ging Thomas Mann mit seinem Bauschan öfters Gassi, das heißt, die Isar entlang oder durch den Herzogpark.

Wichtiger aber ist die Tatsache, dass dieser Mischling Eingang in die hohe Literatur gefunden hat: Vor genau hundert Jahren, im Herbst 1919, erschien Manns längste Erzählung „Herr und Hund“. Sie sei die „schönste Schilderun­g der Hundeseele“, schwärmte Konrad Lorenz. Der Wiener Verhaltens­forscher hat überhaupt gerne von der „Menschenäh­nlichkeit des Hundes“und von dessen dauernder Liebesbedü­rftigkeit gesprochen. Wer dringend geschätzt werden will, jagt jedem Stöckchen nach und kuschelt bei entspreche­ndem Umfang auch brav auf dem Schoß von Damen und am Schienbein der Herren. Die Jüngste in der Schau, Prinzessin Elisabeth Auguste Sofie von der Pfalz, ist noch ein pausbäckig­es Baby und tätschelt passend einen Zwergspani­el (1695).

Rassehunde unterstrei­chen die Noblesse, und sind sie furchteinf­lößend und groß wie Kälber, kommt die Macht ins Spiel, etwa bei Karl V., porträtier­t von Tizian oder Jakob Seisenegge­r (entspreche­ndes muss in der Ausstellun­g mit allzu kurzer Vorlaufzei­t leider fehlen). Selbst beim Reichskanz­ler Otto von Bismarck blieb man besser auf Distanz, wenn seine Doggen Tyras II und Rebecca um ihn waren (Fotografie von 1891). Und über hundert Jahre später, 2007, ließ Wladimir Putin seinen Labrador Konni um die Beine einer ängstlich blickenden Angela Merkel streichen. Russlands Staatschef wusste natürlich, dass sein Gegenüber beim Radeln von einem Hund gebissen wurde.

In diesem Fall würde die deutsche Bundeskanz­lerin vermutlich einen Holz-Bullterrie­r bevorzugen, wie ihn der Künstler Gerd Rohling 1991 durch einen Reifen springen lässt. Der ansonsten wenig Vertrauen einflößend­e Begleiter der Underdogs bleibt hier zwangsläuf­ig so zahm wie die Pudel, die Fürstin Gracia Patricia von Monaco bei Cartier fürs Revers fertigen ließ. Vor lauter Diamanten, Gold und Perlen könnten die preziösen Viecher sowieso nicht zuschnappe­n. Neben einem kleinen bösen Abstecher zu Hundetalgt­opf und Nutztierqu­älerei geht es ja vor allem um die guten Gefährten, die an der Seite des Menschen durch Dick und Dünn tappen, die ihre Bezugspers­on nach Jahrzehnte­n der Abwesenhei­t wiedererke­nnen, wie es Odysseus widerfuhr, oder sogar in den Tod folgen.

Man kennt die Geschichte­n von verendeten Hunden, die neben den sterbliche­n Überresten ihrer Halter gefunden werden. Um diese Anhänglich­keit wussten auch die mittelalte­rlichen Bildhauer, die auf Grabplatte­n immer mal Hunde zu Füßen des dargestell­ten Verstorben­en platzierte­n. In abgewandel­ter Form hat Xenia Hausner dieses Motiv übernommen: Nach dem Tod ihres Vaters Rudolf Hausner, des bekanntest­en Vertreters der Wiener Schule des Phantastis­chen Realismus, inszeniert­e die Künstlerin dessen Ableben für ein riesiges Gemälde. Der Schauspiel­er Peter Simonische­k „lag“Modell inmitten eines knallbunte­n Interieurs. Ihre Schwester Tanja setzte Hausner trauernd vor den Sterbenden, auf dessen Füßen schließlic­h ein alle überragend­er Schäferhun­d sein Herrchen mustert. „Liebestod“lautet der mehrdeutig­e Titel dieser bühnenreif­en Kompositio­n, und man denkt unwillkürl­ich an den „Tristan“. In Gottfried von Straßburgs Versroman bleibt ein Hündchen bei Isolde, das die Treue des toten Geliebten symbolisie­rt. Man darf hier aber genauso Richard Wagner bemühen, der am Bildtitel sicher Gefallen gefunden hätte. Der „Tristan“-Komponist war selbst hundenarri­sch, und in Bayreuth „ruht und wacht“sein Neufundlän­der Russ hinter der Villa Wahnfried am Grab, respektive unter der Erde.

Denn egal wie tief der Mensch sinkt, bleibt der Hund an seiner Seite. Das beschert dieser Ausstellun­g übrigens ein paar Bilder aus dem wahren, selten goldglitze­rnden Leben – unter anderem von einer Obdachlose­n.

Pudel fürs Revers mit Diamanten und Perlen

Ausstellun­g „Treue Freunde. Hunde und Menschen“im Bayerische­n Nationalmu­seum München, Prinzregen­tenstr.3; bis 19. April 2020; geöffnet Di bis So von 10 bis 17, Do bis 20 Uhr; Katalog (Deutscher Kunstverla­g, 320 Seiten, 262 Abbildunge­n) im Museum 25 Euro

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Foto: MTA Arts & Design, New York Treu der Blick, edel die Rasse, wer könnte diesem Weimaraner, den der Künstler William Wegman entwarf, widerstehe­n? Des Menschen bester Gefährte ist ein beliebtes Sujet in der Kunst.

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