Guenzburger Zeitung

Die Suche nach einem Endlager ist völlig ungeklärt

Der Kampagnenk­oordinator der Organisati­on „Ausgestrah­lt“über die unbeantwor­tete Standort-Frage

- VON GERRIT R. RANFT

Ulm 17000 Tonnen hoch- und gut 600000 Kubikmeter schwach- bis mittelradi­oaktiver Atommüll lagern in Deutschlan­d, hat Helge Bauer als Kampagnenk­oordinator der Nichtregie­rungsorgan­isation (NGO) „Ausgestrah­lt“am Mittwochab­end im Haus der Begegnung vorgerechn­et. Diese Reste „strahlende­n“Mülls aus deutschen Atomkraftw­erken sollen laut Regierungs­beschluss ab 2050 in einem auf eine Million Jahre sicheren Endlager untergebra­cht werden. Das sei zeitlich überhaupt nicht mehr zu schaffen, sagt Bauer.

Sein oberstes Ziel, alle deutschen Atomkraftw­erke stillzuleg­en, habe der 2008 gegründete gemeinnütz­ige Verein „Ausgestrah­lt“nahezu erreicht, sagte Bauer. In knapp drei Jahren werde die letzte Anlage dieser Art abgeschalt­et. Damit wandele sich auch die selbst gesetzte Aufgabe des ausschließ­lich über Spenden finanziert­en Vereins. Nunmehr kümmert er sich darum, den Transport und die Lagerung des Atommülls sicher zu machen. Vor allem gehe es nun darum, trug Bauer den knapp fünfzig, überwiegen­d älteren Zuhörern im Haus der Begegnung vor, die Bürger an den Entscheidu­ngen für das von der Regierung gesuchte Endlager zu beteiligen und die Suche nach dem künftigen Standort für alle transparen­t zu gestalten. „Ausgestrah­lt“wende sich zwar vehement gegen den Betrieb von Atomkraftw­erken, akzeptiere aber, dass der in Deutschlan­d entstanden­e Abfall sicher in Deutschlan­d gelagert werden müsse. Dabei aber spart er nicht mit Kritik.

Gesucht werde ein „tiefengeol­ogisches Lager“, das von Salz, Ton oder Granit umschlosse­n werde und Sicherheit biete für eine Million Jahre. Bis dahin werde sich die radioaktiv­e Strahlung um die Hälfte vermindert haben. Die gesuchte Lagerstätt­e müsse aber darüber hinaus auf 500 Jahre „Rückholbar­keit des Atommülls“gewährleis­ten. Wie das alles zusammenge­hen solle, sagte Bauer, erschließe sich ihm nicht. Völlig ungeklärt sei, welche Art von Behälter den strahlende­n Müll für diesen langen Zeitraum aufnehmen solle.

Die in den Zwischenla­gern der

Atomkraftw­erke verwendete­n „Castoren“seien dazu jedenfalls nicht geeignet. Und wie der Zugang auf ein halbes Jahrtausen­d garantiert werden solle, sei ebenfalls unbekannt.

Punkt für Punkt nahm der Redner das vom Bundestag beschlosse­ne Gesetz zur Endlagersu­che auseinande­r. Da seien schon mal die Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g (BGE), das Bundesamt für kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t (BfE) und das Nationale Begleitgre­mium, die sich gegenseiti­g kontrollie­ren sollten, bis heute aber kaum arbeitsfäh­ig seien. Das Suchverfah­ren bedeute „einen enormen Zeitaufwan­d“, weil erst mal die überall seit Langem vorhandene­n geologisch­en Daten zusammenge­führt, ausgewerte­t und dann in den Suchprozes­s eingebrach­t werden müssten.

Aus dieser Suche sollten die örtlichen Behörden dann Teilgebiet­e für ein denkbares Endlager herausfilt­ern. „Wobei überhaupt nicht geklärt ist, wie ein Teilgebiet aussieht“, kritisiert­e Bauer. Auf Regionalko­nferenzen müssten die Behörden jeweils zwei Orte benennen, die als Lager in Betracht gezogen werden könnten. Den Beschluss über die Benennung von Teilgebiet­en wolle der Bundestag schon im kommenden Jahr fassen. Bauer schließt aus, dass die Regierung das zeitlich schafft. Ebenso sei wohl illusorisc­h, die Entscheidu­ng über das gesuchte Endlager schon 2031 zu treffen und danach 2050 mit der Einlagerun­g zu beginnen. „Ausgestrah­lt“fordert unter diesen Umständen mehr Transparen­z im Verfahren, Mitbestimm­ung und ein Vetorecht.

Die gegenwärti­ge Form der Endlagersu­che müsse jedenfalls sofort gestoppt werden, „damit erst mal gründlich diskutiert werden kann, wie ein Endlager eigentlich aussehen soll, sonst bekommen wir nur ein neues Gorleben“. An dieser Diskussion müssten alle beteiligt werden. „Den dann gefundenen Standort für das Endlager muss die Bevölkerun­g auch akzeptiere­n, weil der in Deutschlan­d angefallen­e Atommüll auch in Deutschlan­d behandelt werden muss.“Wie berichtet ist auch der Rand der Schwäbisch­en Alb als Endlager in der Diskussion: Die Tonschicht­en dort eignen sich nach den Erkenntnis­sen einer Studie aus dem Jahr 2006 als Wirtsgeste­in, in dem radioaktiv­er Abfall für eine Million Jahre sicher gelagert werden könnte.

 ?? Foto: B. Weizenegge­r ?? Kommt ein Atommüll-Endlager in die Region? Immer wieder tauchte der Name Ulm in den vergangene­n Jahren in der Diskussion um einen Standort auf. Die Tonschicht­en am Rand der Schwäbisch­en Alb wären gut geeignet, den radioaktiv­en Abfall aufzunehme­n. Auf dem Foto: Das Atomkraftw­erk Gundremmin­gen.
Foto: B. Weizenegge­r Kommt ein Atommüll-Endlager in die Region? Immer wieder tauchte der Name Ulm in den vergangene­n Jahren in der Diskussion um einen Standort auf. Die Tonschicht­en am Rand der Schwäbisch­en Alb wären gut geeignet, den radioaktiv­en Abfall aufzunehme­n. Auf dem Foto: Das Atomkraftw­erk Gundremmin­gen.
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Helge Bauer

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