Guenzburger Zeitung

Winterspor­t mit Köpfchen und Seele – nur ein Traum?

Leitartike­l Die Gletscher schmelzen, das Klima wird wärmer. Die Branche setzt weiter auf Spaß im Schnee. Offenbar machen sich nur wenige Touristen Gedanken darüber

- VON MILAN SAKO ms@augsburger-allgemeine.de

Wiesen statt Winterland­schaften, Steine statt Schnee, Geröll statt Gletschern – Winter gibt es gefühlt nur noch auf Werbefotos. Irgendwann wird er kommen. Doch die bange Frage lautet: Wie viel Schnee und Minusgrade wird die kalte Jahreszeit bringen? Angesichts des Klimawande­ls muss die Frage erlaubt sein, wie zeitgemäß Winterspor­t noch ist. Zumindest wenn die Basis so aufwendig gelegt werden muss. Kann ich es mit meinem ökologisch­en Gewissen verantwort­en, mit Kunstschne­e präpariert­e Hänge herunterzu­wedeln oder boarden zu gehen in Skigebiete­n, in denen Berggipfel weggespren­gt wurden, um sie zu einer Mega-Super-Riesen-Skischauke­l zu verbinden?

Den meisten Winterspor­tlern ist es auf gut Bayerisch „wurscht“. Die Spaßgesell­schaft will sich in malerische­r Bergkuliss­e austoben. So lassen sich jedenfalls die Ergebnisse einer Studie der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München von vor wenigen Jahren interpreti­eren. Untersucht wurde, ob Skifahrer angesichts von Klimawande­l und Schneemang­el zu einer Verhaltens­änderung bereit sind. Die Resultate sind ernüchtern­d. In beiden Jahren stellte die „Destinatio­n Switcher“die größte Gruppe. Das sind die Skifahrer, die im Zweifelsfa­ll in ein höher gelegenes, schneesich­eres Skigebiet ausweichen, um ihrem Hobby zu frönen. Die zweitgrößt­e Gruppe stellten die „Hardcore Skifahrer“, die es nicht stört, grüne Hänge auf einem weißen Kunstschne­eband herunterzu­wedeln. Beide Gruppen machten in den Untersuchu­ngen 80 Prozent aus.

Der Mehrheit ist egal, dass Berghänge mit Millionena­ufwand präpariert, beschneit und gewalzt werden, bevor der Spaß im Schnee beginnen kann. Winterspor­t zu verteufeln kann jedoch nicht das Ziel sein. Viele Alpenregio­nen leben vom Tourismus, der den Bewohnern ihr Einkommen garantiert.

Der Trend geht zu häufigeren und dafür kürzeren Winterurla­uben. Seit dem Jahr 2000 hat die Zahl der Ankünfte stark zugenommen, während die Verweildau­er sinkt.

Ziel muss es sein, die Interessen von Naturschut­z, Landschaft­spflege und Tourismus in Einklang zu bringen. Kosten-Nutzen-Rechnungen aufzustell­en, ist nicht verboten. Konkret: Wie viele neue

Liftanlage­n und Schneekano­nen machen wirklich Sinn?

Entscheide­nd ist die Frage, wie viel Winter uns in den Alpen bleibt. Die Konsequenz­en haben die Tourismus-Manager längst gezogen und bieten ein schneefrei­es Alternativ­programm an. Der dramatisch­e Rückzug der Gletscher ist nur ein Indiz für die globale Erwärmung. Winter mit langen Kältephase­n und einer langlebige­n Schneedeck­e bis ins Flachland sind in unseren Breiten seit Jahren die absolute Ausnahme. Die Tourismusb­ranche verkauft dagegen weiterhin den Wintertrau­m in Weiß. Alljährlic­h legt der Ski-Weltverban­d Fis den Saisonauft­akt auf Ende Oktober, obwohl die nächsten Alpen-Rennen erst Mitte Dezember starten. Sportlich passt der Auftakt auf dem Rettenbach­gletscher von Sölden nicht in den Rhythmus der Skiprofis. Darum geht es nicht. Sondern darum, bei den Winterkund­en den Reiz zu setzen: Es geht wieder los. Taugen Ski und Anzug noch?

In dieses Bild passen die SkiOpening­s, die in diesen Tagen die Ski-Destinatio­nen zelebriere­n. Musikgröße­n heizen dem jungen Zielpublik­um am Berg ein. Doch nicht jedem Wintertour­isten gefällt die Gabalieris­ierung des Ski-Tourismus mit Dauergedud­el und Après-Ski bis zum Umfallen. Einen Berg mit einem halben Dutzend Liften oder präpariert­e Loipen in stillen Wäldern schätzen gerade nicht mehr ganz junge Gäste. Winterspor­t mit Köpfchen und Seele – das wäre ein (Winter-)Traum.

Nicht jeder mag die Gabalieris­ierung des Ski-Tourismus

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