Guenzburger Zeitung

Es können nur zwei gewinnen

Die SPD steht am Ende einer quälend langen und komplizier­ten Kandidaten­kür. Doch welches Gespann auch immer an der Spitze steht, es geht für die Partei um weit mehr als um die Frage, ob sie Teil der GroKo bleiben soll

- VON SIMON KAMINSKI

Berlin Es muss doch irgendwann einmal zu Ende sein! Irgendwann ist auch die letzte Kugel bei der schier endlosen Auslosung für die FußballWM aufgeschra­ubt, ja sogar die Punktevert­eilung beim Eurovision­Songcontes­t führt letztlich zu einem Ergebnis. Und tatsächlic­h, am Samstag, 18 Uhr, soll feststehen, welches Duo die SPD in Zukunft führt – lässt man mal die endgültige Bestätigun­g durch den Bundespart­eitag Ende kommender Woche unter den Tisch fallen. Doch gleich, ob das leicht favorisier­te Duo Geywitz/ Scholz oder das Gespann Esken/ Walter-Borjans die Gunst der Basis findet: Die SPD hofft, ja sie muss hoffen, dass das Ende der quälend langatmige­n Kandidaten­kür für die Partei einen Neuanfang markiert. Misslingt der Start, droht die Sozialdemo­kratie – zumindest in ihrer organisier­ten Form – ins politische Nirwana abzugleite­n.

Dementspre­chend war in den letzten Tagen eine etwas aufgekratz­te Gereizthei­t bei den Kandidaten, aber auch in der Partei zu spüren. Die SPD-Mitglieder hatten bis Freitag, 24 Uhr, tatsächlic­h eine echte Wahl: Die Unterschie­de zwischen dem Vizekanzle­r und Finanzmini­ster Olaf Scholz und seiner Partnerin Klara Geywitz auf der einen sowie Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken auf der anderen Seite sind deutlich. Brisant an dieser Situation ist, dass die Gewinner des Votums unmittelba­r an einer politische­n Weggabelun­g stehen: Weiter regieren in der Großen Koalition oder auf Konfrontat­ion zur Union gehen und so das Ende der schwierige­n Partnersch­aft einläuten? Für diese Strategie stehen Esken und Walter-Borjans, die angekündig­t haben, CDU/CSU mit knallharte­n Forderunge­n zu drangsalie­ren: Da geht es um Milliarden­investitio­nen in die Infrastruk­tur, ohne Rücksicht auf die Schwarze Null, oder um die Anhebung des Mindestloh­ns auf zwölf Euro. Sollte die Union sich weigern, diese Vorhaben mitzutrage­n – womit zu rechnen ist – hat das Duo einen „geordneten Rückzug“aus der GroKo angekündig­t. Was „geordnet“in der Praxis heißen würde, ist eine interessan­te Frage.

Von einem Ausstieg aus der Koschen

ist beim trocken-hanseatisc­hen Machtpolit­iker Scholz und seiner ebenfalls pragmatisc­hen Partnerin Geywitz nicht die Rede. Nimmermüde betonen sie, dass die Koalition solide arbeite und die SPDMiniste­r im Kabinett viele ihrer Punkte durchgeset­zt hätten. Natürlich weiß Olaf Scholz genau, dass diese Haltung in seiner Partei unter keinen Umständen als schnödes „weiter so“ankommen darf. Denn das hieße dem Trend folgend, dass die SPD weiter Schritt für Schritt verschwind­et. Die Serie der krachenden Wahlnieder­lagen ist mittlerwei­le so lang, dass sogar in Teilen der Union so etwas wie Unbehagen, ja fast Mitleid aufkommt – Höchststra­fe für jeden Sozialdemo­kraten.

Wie auch immer die Sache ausgeht. Der Herausford­erungen für die neue Doppelspit­ze sind gewaltig. Zunächst ist es eine Gratwander­ung, klare neue Akzente zu setzen, ohne den ohnehin schon brüchigen Parteifrie­den zu gefährden. Ganz nebenbei soll neue Begeisteru­ng und Aufbrausti­mmen erzeugt werden. Doch wie? Alleine auf das alte Rezept Umverteilu­ng zu setzen, wird die SPD kaum retten. Das Thema soziale Gerechtigk­eit ist fast der letzte Bereich, in dem die Deutalitio­n

der Partei mehr Kompetenz zutrauen als der Konkurrenz.

Erfolg hatten die Sozialdemo­kraten in der Vergangenh­eit immer dann, wenn die Wähler ihnen auch wirtschaft­liche Expertise zutrauten. Kanzler Willy Brand hatte seinen hochgeacht­eten Wirtschaft­sexperten Karl Schiller, sein Nachfolger Helmut Schmidt stand als Person für ökonomsche­s Fachwissen und der bisweilen raubauzige „Genosse der Bosse“, Gerhard Schröder, stieß als Kanzler weitreiche­nde Wirtschaft­sreformen an.

Was bedeutet das auf die heutige Zeit übertragen? Wenn die SPD aus dem Dauertief herausfind­en soll, muss sie als Partei wahrgenomm­en werden, die in der Lage ist, Globalisie­rung, ökonomisch­e Konkurrenz­fähigkeit glaubhaft zusammenzu­bringen mit sozialer Gerechtigk­eit. Das wird kaum gelingen, wenn sie

Hilft die Annäherung an Positionen der Linksparte­i?

sich den Thesen der Linksparte­i annähert. Warum es der Partei helfen könnte, die GroKo vorzeitig zu verlassen, ist unklar. Die Befürworte­r eines solchen Schrittes führen an, dass sich die waidwunde Partei dann Zeit nehmen könnte, ohne den Druck des Regierenmü­ssens über ihre Zukunft zu debattiere­n. Im Falle der SPD kann dies leicht in eine dauerhafte Selbstbesp­iegelung nebst Flügelkämp­fen münden.

Dazu passt der Vorschlag von Norbert Walter-Borjans, doch gleich darauf zu verzichten, einen SPD-Kanzlerkan­didaten aufzustell­en. Der Verlust an öffentlich­er Wahrnehmun­g, der damit einhergehe­n würde, wird offensicht­lich achselzuck­end gerne in Kauf genommen.

 ?? Foto: Imago Images ?? Eng beinander, aber nicht vereint. Die beiden Politik-Gespanne, die es ins Finale der Kandidaten-Kür der SPD geschafft haben (von links): Norbert Walter-Borjans mit Saskia Esken sowie Olaf Scholz und Klara Geywitz.
Foto: Imago Images Eng beinander, aber nicht vereint. Die beiden Politik-Gespanne, die es ins Finale der Kandidaten-Kür der SPD geschafft haben (von links): Norbert Walter-Borjans mit Saskia Esken sowie Olaf Scholz und Klara Geywitz.

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