„Ein Horrorszenario“
Hedgefonds sollen inzwischen bis zu 45 Prozent der Anteile an dem Leuchtmittelhersteller halten und könnten so die Übernahme gefährden. Arbeitnehmervertreter sind entsetzt
Augsburg Die letzte Aktie, sagt Klaus Abel, die „ist immer die teuerste“. Ob das in Sachen Osram so sein wird, weiß man noch nicht. Aber mit diesem Satz ist man mitten im Übernahmegetümmel dieser Tage. Der kleinere österreichische Chip und Sensoren-Hersteller AMS will das größere Münchener Traditionsunternehmen Osram schlucken. Mit geliehenem Geld. Der Vorstand des Leuchtmittelherstellers ist dafür, der Konzern- und Gesamtbetriebsrat der Osram Licht AG allerdings dagegen. Und Klaus Abel von der IG Metall ist es auch. So viel mal vorweg.
Die geplante Übernahme mit all ihren Volten macht schon länger Schlagzeilen. Diese Woche hat sich die Entwicklung aber wieder zugespitzt. Denn das Ansinnen von AMS könnte am großen Engagement von Hedgefonds scheitern. Wie am Freitag aus Finanzkreisen zu erfahren war, halten sie inzwischen rund 35 bis 45 Prozent der Osram-Anteile. Dienen sie diese Aktien aber nicht wenigstens teilweise an, kann AMS die für die Übernahme angestrebten 55 Prozent kaum erreichen. Zuerst hatte die Süddeutsche Zeitung über die Vorgänge berichtet. „Es scheint, dass eine Reihe von Hedgefonds Aktien erworben haben mit dem Ziel, diese erst zu einem späteren Zeitpunkt und zu einem höheren Preis anzudienen“, zitiert die Zeitung Osram-Chef Olaf Berlien.
Doch dieser Plan könnte nun daran scheitern, dass zu viele Hedgefonds ihn verfolgen. Finanzkreisen zufolge liegen nämlich rund 20 bis 25 Prozent der Osram-Anteile bei Kleinaktionären, die schon die erste AMS-Offerte nur zögerlich annahmen, und weitere rund 10 Prozent bei Indexfonds, die diese Aktien halten müssen. Daher sei ein signifikanter Teil der Hedgefonds-Anteile nötig, um die Angebotsschwelle zu
Die Hedgefonds stecken in einem Dilemma: Dienen sie ihre Anteile nicht an, kann die Übernahme scheitern und die Aktien würden wahrscheinlich erheblich an Wert verlieren. Geben sie ihre Anteile aber für die gebotenen 41 Euro pro Stück ab, verdienen sie kaum daran.
Die Frage ist nun, ob genügend Hedgefonds bereit sind, auf einen Teil der möglichen Gewinne durch einen späteren Verkauf zu verzichten und jetzt einen Teil ihrer Anteile anbieten, um ein Scheitern der Offerte zu verhindern, die einen Kurssturz auslösen würde. Auf genau diesen könnten aber wieder andere Investoren setzen. Bisher ist AMS weit von den angestrebten 55 Prozent entfernt. Das Unternehmen hält seit dem ersten Übernahmeversuch 19,99 Prozent. Bis Donnerstagabend waren AMS nach eigenen Angaben weitere 4,41 Prozent angedient worden. Die Offerte läuft noch bis Mitternacht am 5. Dezember.
An Nikolaus sind alle schlauer. Schon jetzt allerdings ist Klaus Abel entsetzt. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Osram-Aufsichtsrates und bei der IG Metall für das Unternehmen zuständig. Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaft wollen die AMS-Übernahme verhindern, waren auch schon rechtlich gegen die Finanzaufsicht Bafin vorgegangen, aber vergangene Woche vor Gericht gescheitert. Abel sagte am Freitag: „Dass jetzt die Hedgefonds eingestiegen sind, ist ein Horrorszenario. Es kommt so, wie wir es immer eingeschätzt haben.“Aus seiner Sicht müsste AMS jetzt das Übernahmeangebot zurücknehmen. Abel betont weiter: „Ich halte es angesichts dieser neuen Entwicklungen für eine kolossale Fehlentscheidung von Vorstand und Aufsichtserreichen. rat, wenn sie das Übernahmeangebot weiter befürworten.“Es gebe jetzt gar kein Argument mehr dafür.
Mit Blick auf die Situation von AMS sagte Abel dann seinen Satz mit der teuersten Aktie und begründet ihn so: „Wenn AMS die Mindestannahmeschwelle von 55 Prozent nicht erreicht, dann brauchen die mehr Geld.“Und das bekämen sie nur, wenn sie Unternehmensteile von Osram veräußerten, wie Abel befürchtet. Die Osram-Belegschaft sei angesichts der jüngsten Entwicklungen „empört“. Abel ist überzeugt: „Wenn die Übernahme nicht funktioniert, dann stehen alle Arbeitsplätze bei Osram auf dem Spiel.“Warum? „Letztlich gefährdet es beide Unternehmen, Osram und AMS, wenn die Hedgefonds da jetzt Rosinen-Pickerei betreiben.“
Der Vorstand bleibt bei seiner Position, wie das Unternehmen auf Anfrage bestätigte. In einem gemeinsamen Schreiben hatten der Osram-Vorstandsvorsitzende Olaf Berlien und der AMS-Vorstandsvorsitzende Alexander Everke den Aktionären das Übernahmeangebot empfohlen: „Mit unseren komplementären Stärken können wir einen europäischen Weltmarktführer für Sensorlösungen und Photonik schaffen – eine Wachstumsperspektive für beide Unternehmen.“Eine AMS-Sprecherin verwies darauf, dass der Zusammenschluss „von vielen Marktteilnehmern und großen internationalen Investoren“als der „richtige Schritt“unterstützt würde. Und mit Blick auf die JobSorgen der Gewerkschaft verwies ein Osram-Sprecher ferner auf die begründete Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats zum AMS-Übernahmeangebot und die „umfangreichen Zusagen“für die Arbeitnehmervertreter in der Zusammenschlussvereinbarung. In der Stellungnahme würden auch fusionsbedingte Kündigungen bis Ende 2022 ausgeschlossen. (mit dpa)