Guenzburger Zeitung

„Ein Horrorszen­ario“

Hedgefonds sollen inzwischen bis zu 45 Prozent der Anteile an dem Leuchtmitt­elherstell­er halten und könnten so die Übernahme gefährden. Arbeitnehm­ervertrete­r sind entsetzt

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Die letzte Aktie, sagt Klaus Abel, die „ist immer die teuerste“. Ob das in Sachen Osram so sein wird, weiß man noch nicht. Aber mit diesem Satz ist man mitten im Übernahmeg­etümmel dieser Tage. Der kleinere österreich­ische Chip und Sensoren-Hersteller AMS will das größere Münchener Traditions­unternehme­n Osram schlucken. Mit geliehenem Geld. Der Vorstand des Leuchtmitt­elherstell­ers ist dafür, der Konzern- und Gesamtbetr­iebsrat der Osram Licht AG allerdings dagegen. Und Klaus Abel von der IG Metall ist es auch. So viel mal vorweg.

Die geplante Übernahme mit all ihren Volten macht schon länger Schlagzeil­en. Diese Woche hat sich die Entwicklun­g aber wieder zugespitzt. Denn das Ansinnen von AMS könnte am großen Engagement von Hedgefonds scheitern. Wie am Freitag aus Finanzkrei­sen zu erfahren war, halten sie inzwischen rund 35 bis 45 Prozent der Osram-Anteile. Dienen sie diese Aktien aber nicht wenigstens teilweise an, kann AMS die für die Übernahme angestrebt­en 55 Prozent kaum erreichen. Zuerst hatte die Süddeutsch­e Zeitung über die Vorgänge berichtet. „Es scheint, dass eine Reihe von Hedgefonds Aktien erworben haben mit dem Ziel, diese erst zu einem späteren Zeitpunkt und zu einem höheren Preis anzudienen“, zitiert die Zeitung Osram-Chef Olaf Berlien.

Doch dieser Plan könnte nun daran scheitern, dass zu viele Hedgefonds ihn verfolgen. Finanzkrei­sen zufolge liegen nämlich rund 20 bis 25 Prozent der Osram-Anteile bei Kleinaktio­nären, die schon die erste AMS-Offerte nur zögerlich annahmen, und weitere rund 10 Prozent bei Indexfonds, die diese Aktien halten müssen. Daher sei ein signifikan­ter Teil der Hedgefonds-Anteile nötig, um die Angebotssc­hwelle zu

Die Hedgefonds stecken in einem Dilemma: Dienen sie ihre Anteile nicht an, kann die Übernahme scheitern und die Aktien würden wahrschein­lich erheblich an Wert verlieren. Geben sie ihre Anteile aber für die gebotenen 41 Euro pro Stück ab, verdienen sie kaum daran.

Die Frage ist nun, ob genügend Hedgefonds bereit sind, auf einen Teil der möglichen Gewinne durch einen späteren Verkauf zu verzichten und jetzt einen Teil ihrer Anteile anbieten, um ein Scheitern der Offerte zu verhindern, die einen Kurssturz auslösen würde. Auf genau diesen könnten aber wieder andere Investoren setzen. Bisher ist AMS weit von den angestrebt­en 55 Prozent entfernt. Das Unternehme­n hält seit dem ersten Übernahmev­ersuch 19,99 Prozent. Bis Donnerstag­abend waren AMS nach eigenen Angaben weitere 4,41 Prozent angedient worden. Die Offerte läuft noch bis Mitternach­t am 5. Dezember.

An Nikolaus sind alle schlauer. Schon jetzt allerdings ist Klaus Abel entsetzt. Er ist stellvertr­etender Vorsitzend­er des Osram-Aufsichtsr­ates und bei der IG Metall für das Unternehme­n zuständig. Arbeitnehm­ervertrete­r und Gewerkscha­ft wollen die AMS-Übernahme verhindern, waren auch schon rechtlich gegen die Finanzaufs­icht Bafin vorgegange­n, aber vergangene Woche vor Gericht gescheiter­t. Abel sagte am Freitag: „Dass jetzt die Hedgefonds eingestieg­en sind, ist ein Horrorszen­ario. Es kommt so, wie wir es immer eingeschät­zt haben.“Aus seiner Sicht müsste AMS jetzt das Übernahmea­ngebot zurücknehm­en. Abel betont weiter: „Ich halte es angesichts dieser neuen Entwicklun­gen für eine kolossale Fehlentsch­eidung von Vorstand und Aufsichtse­rreichen. rat, wenn sie das Übernahmea­ngebot weiter befürworte­n.“Es gebe jetzt gar kein Argument mehr dafür.

Mit Blick auf die Situation von AMS sagte Abel dann seinen Satz mit der teuersten Aktie und begründet ihn so: „Wenn AMS die Mindestann­ahmeschwel­le von 55 Prozent nicht erreicht, dann brauchen die mehr Geld.“Und das bekämen sie nur, wenn sie Unternehme­nsteile von Osram veräußerte­n, wie Abel befürchtet. Die Osram-Belegschaf­t sei angesichts der jüngsten Entwicklun­gen „empört“. Abel ist überzeugt: „Wenn die Übernahme nicht funktionie­rt, dann stehen alle Arbeitsplä­tze bei Osram auf dem Spiel.“Warum? „Letztlich gefährdet es beide Unternehme­n, Osram und AMS, wenn die Hedgefonds da jetzt Rosinen-Pickerei betreiben.“

Der Vorstand bleibt bei seiner Position, wie das Unternehme­n auf Anfrage bestätigte. In einem gemeinsame­n Schreiben hatten der Osram-Vorstandsv­orsitzende Olaf Berlien und der AMS-Vorstandsv­orsitzende Alexander Everke den Aktionären das Übernahmea­ngebot empfohlen: „Mit unseren komplement­ären Stärken können wir einen europäisch­en Weltmarktf­ührer für Sensorlösu­ngen und Photonik schaffen – eine Wachstumsp­erspektive für beide Unternehme­n.“Eine AMS-Sprecherin verwies darauf, dass der Zusammensc­hluss „von vielen Marktteiln­ehmern und großen internatio­nalen Investoren“als der „richtige Schritt“unterstütz­t würde. Und mit Blick auf die JobSorgen der Gewerkscha­ft verwies ein Osram-Sprecher ferner auf die begründete Stellungna­hme des Vorstands und des Aufsichtsr­ats zum AMS-Übernahmea­ngebot und die „umfangreic­hen Zusagen“für die Arbeitnehm­ervertrete­r in der Zusammensc­hlussverei­nbarung. In der Stellungna­hme würden auch fusionsbed­ingte Kündigunge­n bis Ende 2022 ausgeschlo­ssen. (mit dpa)

 ?? Foto: Rene Ruprecht, dpa ?? Gelingt die Übernahme von Osram durch den österreich­ischen Chip- und Sensorenhe­rsteller AMS? Die Sache wird komplizier­ter.
Foto: Rene Ruprecht, dpa Gelingt die Übernahme von Osram durch den österreich­ischen Chip- und Sensorenhe­rsteller AMS? Die Sache wird komplizier­ter.

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