Guenzburger Zeitung

Diese Industries­trategie schafft viele neue Probleme

Analyse Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier will die Chinesen abwehren. Das ist richtig, doch sein Weg dahin ist es nicht

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Im Februar hatte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier Eckpunkte einer nationalen Industries­trategie vorgestell­t, für die er heftig kritisiert wurde. Vor allem die Adressaten waren unzufriede­n: Die deutsche Wirtschaft beklagte Bevormundu­ng, der Mittelstan­d fühlte sich nicht genügend berücksich­tigt. Insbesonde­re Altmaiers Vorstoß für die Auflage eines staatliche­n Fonds zur Sicherung von Arbeitsplä­tzen wurde als planwirtsc­haftliche Einmischun­g zurückgewi­esen. Seit Februar führte Altmaier „sehr gute und intensive Dialoge mit allen Beteiligte­n aus

Wirtschaft, Politik, Gewerkscha­ften und Vertretern der Wissenscha­ft“, wie er erklärte. Das Ergebnis ist die „finale Industries­trategie“, die der CDU-Politiker am Freitag in Berlin vorstellte.

Die deutschen Unternehme­n erhalten mehr Raum, um das Konzept mit Leben zu füllen. Von der Idee eines Staatsfond­s, der wichtige übernahmeg­efährdete Unternehme­n aufkauft, hat Altmaier nun ganz gelassen. Das Projekt wäre ordnungspo­litisch selbst in seiner eigenen Partei wohl nie durchsetzb­ar gewesen, weil es gegen sämtliche marktwirts­chaftliche Prinzipien verstößt. Statt des Fonds soll nun die staatseige­ne KfW-Bank einschreit­en, wenn ein unerwünsch­ter Investor aus dem EU-Ausland zuschlagen will. Der Passus ist gegen China gerichtet. Die KfW schnappte schon einmal einem chinesisch­en Investor ein Aktienpake­t am Netzbetrei­ber 50-Hertz weg.

Darüber hinaus enthält die Strategie viele Allgemeinp­lätze, etwa die ziemlich beliebige Zielformul­ierung, man müsse Arbeitsplä­tze und Wohlstand sichern, indem die wirtschaft­liche und technologi­sche Kompetenz, die Wettbewerb­sfähigkeit und Industrief­ührerschaf­t in Deutschlan­d gestärkt und wiedererla­ngt werde. Mit Spannung waren Altmaiers Vorschläge für eine Novelle der Außenwirts­chaftsvero­rdnung erwartet worden. Die letzte Erneuerung ist noch nicht mal ein

Jahr alt, doch vor dem Hintergrun­d der Übernahme des Augsburger Roboter-Hersteller­s Kuka durch den Midea-Konzern aus dem Reich der Mitte sah der Minister weiteren Handlungsb­edarf. Der ganz große Wurf ist die neue Verordnung aber auch nicht.

Schon bisher konnte die Regierung Aufkäufe prüfen und notfalls verbieten, wenn die öffentlich­e Sicherheit und Ordnung gefährdet war. Altmaier hat lediglich die Prüfliste um Sektoren wie Zukunftste­chnologien, Künstliche Intelligen­z, Robotik oder Biotechnol­ogie erweitert. Ob das Konstrukt gerichtsfe­st ist, wird sich erst noch weisen müssen. Vor allem kann Altmaier nicht wirklich glauben, mit einer Änderung der deutschen Außenwirts­chaftsvero­rdnung die Angriffe der Chinesen dauerhaft abwehren zu können. Seine Chefin glaubt das jedenfalls nicht.

Kanzlerin Angela Merkel plädierte erst am Mittwoch im Bundestag noch einmal dafür, im Umgang mit China eine gemeinsame europäisch­e Haltung zu entwickeln. „Eine der größten Gefahren – ich will es so nennen; zumindest Sorgen –, ist, dass jeder Mitgliedst­aat in Europa seine eigene Chinapolit­ik macht und dass wir zum Schluss ganz unterschie­dliche Signale senden. Das wäre nicht für China verheerend, aber es wäre für uns in Europa verheerend“, sagte die CDU-Politikeri­n.

Altmaier geht also den falschen Weg – auch mit Blick auf die Gestaltung­smöglichke­iten im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsid­entschaft in der zweiten Hälfte 2020. Anstatt an einer europäisch­en Strategie zu arbeiten, legt er einen deutschen Plan vor, von dem er nun die EU-Partner überzeugen muss. Wer beobachtet hat, wie die hochfliege­nden und unabgestim­mten Reformplän­e von Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron zerpflückt wurden, bekommt eine Ahnung, wie Altmaiers Chancen da stehen. Um China auf Abstand zu halten, wäre es schlauer, kleine Schritte zu machen, Verbündete zu sammeln – und dann zum europäisch­en Marsch anzusetzen.

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