Diese Industriestrategie schafft viele neue Probleme
Analyse Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will die Chinesen abwehren. Das ist richtig, doch sein Weg dahin ist es nicht
Im Februar hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Eckpunkte einer nationalen Industriestrategie vorgestellt, für die er heftig kritisiert wurde. Vor allem die Adressaten waren unzufrieden: Die deutsche Wirtschaft beklagte Bevormundung, der Mittelstand fühlte sich nicht genügend berücksichtigt. Insbesondere Altmaiers Vorstoß für die Auflage eines staatlichen Fonds zur Sicherung von Arbeitsplätzen wurde als planwirtschaftliche Einmischung zurückgewiesen. Seit Februar führte Altmaier „sehr gute und intensive Dialoge mit allen Beteiligten aus
Wirtschaft, Politik, Gewerkschaften und Vertretern der Wissenschaft“, wie er erklärte. Das Ergebnis ist die „finale Industriestrategie“, die der CDU-Politiker am Freitag in Berlin vorstellte.
Die deutschen Unternehmen erhalten mehr Raum, um das Konzept mit Leben zu füllen. Von der Idee eines Staatsfonds, der wichtige übernahmegefährdete Unternehmen aufkauft, hat Altmaier nun ganz gelassen. Das Projekt wäre ordnungspolitisch selbst in seiner eigenen Partei wohl nie durchsetzbar gewesen, weil es gegen sämtliche marktwirtschaftliche Prinzipien verstößt. Statt des Fonds soll nun die staatseigene KfW-Bank einschreiten, wenn ein unerwünschter Investor aus dem EU-Ausland zuschlagen will. Der Passus ist gegen China gerichtet. Die KfW schnappte schon einmal einem chinesischen Investor ein Aktienpaket am Netzbetreiber 50-Hertz weg.
Darüber hinaus enthält die Strategie viele Allgemeinplätze, etwa die ziemlich beliebige Zielformulierung, man müsse Arbeitsplätze und Wohlstand sichern, indem die wirtschaftliche und technologische Kompetenz, die Wettbewerbsfähigkeit und Industrieführerschaft in Deutschland gestärkt und wiedererlangt werde. Mit Spannung waren Altmaiers Vorschläge für eine Novelle der Außenwirtschaftsverordnung erwartet worden. Die letzte Erneuerung ist noch nicht mal ein
Jahr alt, doch vor dem Hintergrund der Übernahme des Augsburger Roboter-Herstellers Kuka durch den Midea-Konzern aus dem Reich der Mitte sah der Minister weiteren Handlungsbedarf. Der ganz große Wurf ist die neue Verordnung aber auch nicht.
Schon bisher konnte die Regierung Aufkäufe prüfen und notfalls verbieten, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet war. Altmaier hat lediglich die Prüfliste um Sektoren wie Zukunftstechnologien, Künstliche Intelligenz, Robotik oder Biotechnologie erweitert. Ob das Konstrukt gerichtsfest ist, wird sich erst noch weisen müssen. Vor allem kann Altmaier nicht wirklich glauben, mit einer Änderung der deutschen Außenwirtschaftsverordnung die Angriffe der Chinesen dauerhaft abwehren zu können. Seine Chefin glaubt das jedenfalls nicht.
Kanzlerin Angela Merkel plädierte erst am Mittwoch im Bundestag noch einmal dafür, im Umgang mit China eine gemeinsame europäische Haltung zu entwickeln. „Eine der größten Gefahren – ich will es so nennen; zumindest Sorgen –, ist, dass jeder Mitgliedstaat in Europa seine eigene Chinapolitik macht und dass wir zum Schluss ganz unterschiedliche Signale senden. Das wäre nicht für China verheerend, aber es wäre für uns in Europa verheerend“, sagte die CDU-Politikerin.
Altmaier geht also den falschen Weg – auch mit Blick auf die Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte 2020. Anstatt an einer europäischen Strategie zu arbeiten, legt er einen deutschen Plan vor, von dem er nun die EU-Partner überzeugen muss. Wer beobachtet hat, wie die hochfliegenden und unabgestimmten Reformpläne von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zerpflückt wurden, bekommt eine Ahnung, wie Altmaiers Chancen da stehen. Um China auf Abstand zu halten, wäre es schlauer, kleine Schritte zu machen, Verbündete zu sammeln – und dann zum europäischen Marsch anzusetzen.