Guenzburger Zeitung

Mit 100 zieht es ihn noch in die Berge

Max Enzensberg­er aus Sonthofen war einer der besten Kletterer. Mit 98 Jahren ist er noch Ski gefahren. Ein Gespräch in seiner Schnitzwer­kstatt über ein bewegtes Leben

- VON MICHAEL MUNKLER

Sonthofen Einer der ältesten Oberallgäu­er wird am kommenden Montag 100 Jahre alt: Max Enzensberg­er in Sonthofen. Wenige Tage vor seinem Geburtstag sitzt er in seiner Werkstatt. Es riecht nach Farben und nach Terpentin. An den Wänden hängen Schützensc­heiben, die Enzensberg­er geschnitzt hat. Einige sind bemalt, andere noch nicht. Auf der Werkbank liegen angefangen­e Schnitzere­ien. Ein kleines Kruzifix, eine Jesus-Figur.

Ebenfalls zu Besuch bei dem rüstigen Senior ist Udo Zehetleitn­er, 80-jähriger Bergführer aus Burgberg. Früher waren die beiden viel unterwegs. Zum Wandern sind sie nach Nepal gereist, nach Alaska und Neuseeland. Mit 72 Jahren hat Max Enzensberg­er noch einen 5000er bestiegen.

Auf dem Tisch steht eine Flasche Trollinger. Udo und Max gönnen sich immer ein Glas Rotwein, wenn sie sich treffen. So wie früher, als sie noch zusammen Ski gefahren sind. Bis vor zwei Jahren hat Max Enzensberg­er sogar schwarze Pisten bewältigt. Beispielsw­eise den Gipfelhang am Nebelhorn. Mittlerwei­le hat er die Bretter aber in die Ecke gestellt.

Max Enzensberg­er erzählt gerne von früher. Die „piepsige Stimme“habe er schon lange, sagt der Senior, der jünger aussieht, als er ist und verschmitz­t lacht. Seine hohe, helle Stimme ist die Folge einer Kriegsverl­etzung.

Ein Schuss in den Hals zerriss seine Stimmbände­r

Es war 1941, als den Soldaten Enzensberg­er in Jugoslawie­n ein Schuss in den Hals traf und die Stimmbände­r zerriss. Der noch 99-Jährige lacht: „Der Arzt sagte, unter tausend würde mit einer solchen Verletzung wohl nur einer durchkomme­n.“Er kam durch. Er hat den Krieg überlebt, obwohl ihm 1944 auf dem Rückzug aus Russland auch noch in den Oberschenk­el geschossen wurde.

Nach dem Krieg meldete der gelernte Maler sein Schnitzerh­andwerk an und nannte sich Schriftenm­aler und Bildschnit­zer. Viele Omnibusse im Allgäu hat er beschrifte­t und noch mehr Schützensc­heiben geschnitzt und bemalt. Und zwi

hat es ihn immer wieder in die Berge gezogen. Enzensberg­er erzählt immer wieder von der Madonna-Ostwand an der Fuchskarsp­itze, von Widderstei­n und Trettach. Oder von der Gelben Wand hoch über dem Prinz-Luitpold-Haus. Die Allgäuer Berge hatten es ihm angetan, auch wenn er heute nicht mehr hinaufkomm­t. Doch Freund Udo nimmt ihn ab und an im Auto mit, fährt ihn zum „Alpenblick“am Grünten, um das Bergpanora­ma genießen zu können.

Jeden Freitag fahren Zehetleitn­er und Enzensberg­er zum Weißwurste­ssen. Bei der Feuerwehr ist er Ehrenmitgl­ied. Freitagabe­nds geht der Senior regelmäßig zum Schießen. Ja, er sei immer ein guter Schütze gewesen, sagt er. Schießen mache ihm heute noch viel Spaß. Und er ist im Schützenve­rein natürlich auch deshalb gern gesehen, weil er die schönsten Schützenta­feln fertigte. Sein ganz großes Stück hatte Enzensberg­er mit 82 Jahren geschnitzt. Da fertigte er für den Fischinger Theo Pinn eine große Holzkuh in Originalgr­öße. Einen riesigen Holzblock musste er zuerst mit Kettensäge, Stemmeisen, Hobel und Fräse bearbeiten. Erst dann griff er zum Schnitzmes­ser. Und kam mit seiner viel beachteten Holzkuh sogar bundesweit in die Schlagzeil­en.

Seit Enzensberg­ers Frau vor sieben Jahren gestorben ist, kümmert sich Tochter Lisa, 72, um ihren Vater. Und sie wird am Montag dann auch die Gäste begrüßen und bewirten. Viel vorbereite­n will Enzenssche­ndurch berger für seinen 100. Geburtstag nicht, sagt er. Er werde den Tisch aufräumen und „ein paar Fläschle Wein herstellen“. Er möchte nicht zu viel Trubel um seine Person. Aber auch sein 70 Jahre alter Sohn Peter – er ist Architekt in Karlsruhe – wird zum Jubiläum kommen.

Wie man so gesund so alt wird? Enzensberg­er lacht auf die Frage. „Jeden Tag ein Glas Rotwein und immer etwas machen.“Sport sei wichtig, aber man solle es auch nicht übertreibe­n, rät er. Und dann träumt er wieder vom Skifahren, denkt an alte Zeiten und sagt seinem Freund Udo: „Bald geht’s wieder los.“Dann werde er dem Udo davonfahre­n, glaubt er, macht eine hektische Armbewegun­g und lächelt wie ein Spitzbub.

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