Unschätzbar
Ein Wort hallte diese Woche durch das Grüne Gewölbe, um das Unfassbare zu beschreiben: unschätzbar. Was Diebe da in Dresden gestohlen haben, sind Kunstschätze von unschätzbarem Wert, hieß es allenthalben. Beklagt wurde dementsprechend – sozusagen aus der Perspektive der leer geräumten Vitrinen – ein unschätzbarer Verlust. Der spektakuläre Juwelenraub dürfte nach Einschätzung von Experten nur dank Insiderwissen gelungen sein, das bei diesem Coup von unschätzbarem Wert war.
War eine Fehleinschätzung der Sicherheitsstandards mitverantwortlich für den Raubzug? Eine Fehleinschätzung der beschützenden Wachleute? Wer sich wo und wie verschätzt hat, wird zweifellos noch weiter zu erörtern sein. Niemand weiß, in wessen Händen sich der unschätzbar wertvolle Schatz der Sachsen nun befindet. Die Beute zu Geld zu machen, ist ein Unterfangen, das einer nicht zu unterschätzenden Raffinesse bedarf.
Das Schätzen schillert in unserer Sprache mehrdeutig. Da gibt es Dinge und Menschen, denen hohe Wertschätzung entgegengebracht wird. Über andere und anderes hingegen wird abschätzig geredet. Der Mensch irrt, solange er schätzt – das gilt gelegentlich sogar für die amtliche Steuerschätzung und schätzungsweise auch für Klimaprognosen. Wir bewegen uns oft zwischen den Polen Geringschätzung und Überschätzung und verschätzen uns dabei leicht. „Wäre der Tod nicht, es würde keiner das Leben schätzen“, meinte der Schweizer Erzähler Jakob Boßhart. Der hochgeschätzte Goethe wiederum hängt die Sache sehr hoch. „Wir sind nur insofern zu achten, als wir zu schätzen wissen.“
Wie glücklich in all dem Entsetzen dürfen sich die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden schätzen, dass sie das Ansinnen des Metropolitan Museums in New York auf Ausleihe des „Dresdner Grünen“nicht abschätzig beschieden haben. So ist immerhin diese Granate von einundvierzig Karat den Juwelenräubern entgangen. Ein unschätzbar tröstlicher Umstand.