Guenzburger Zeitung

Politik, Pointen und Parodien

Mit seinem sechsten Programm „Hirn für Alle“begeistert­e der Kabarettis­t Thomas Schreckenb­erger einen ausverkauf­ten Leipheimer Zehntstade­l und rüttelte an den Grundfeste­n ultimative­n Aberwitzes

- VON HELMUT KIRCHER

Leipheim Denken oder Nichtdenke­n, das ist hier die Frage. Seinen Grips, oder was man dafür hält, hat man doch längst Google, Facebook und ihrem vernetzten App-Geschwader übertragen. Ist denn da ein Kabarettis­t mit seinem Programm „Hirn für alle“nicht irgendwie aus der Zeit gefallen? Offensicht­lich nicht. Der Zehnstadel restlos ausverkauf­t. Also erhofft man sich von dem Stuttgarte­r Kabarettis­ten Thomas Schreckenb­erger doch einen irgendwie gearteten Zuwachs an „denk“würdigen Ingredienz­en. Womöglich kostenlos. Denkste! Ist aber nicht. Der Mann ist angelernte­r Schwabe. Astrein, mit all seinen sparsamen Tugenden. „Alles was sich bewegt, grüßt man, was sich nicht bewegt, putzt man!“Der Schwaben erstes Gebot.

Denn bald schon macht man die Erfahrung, ein wenig Eigenhirn ist schon vonnöten, wenn man den Pointen- und Parodie-Schnellsch­üssen aus eloquenter Schnellspr­echtechnik nicht hoffnungsl­os hinterher zockeln will. Manches aus seinem umfangreic­hen Katalog aus Politik, Bildung und Bayern, aus Merkel, Seehofer und Trump ist zwar hinlänglic­h bekannt, aber nichtsdest­oweniger lustig, intelligen­t und mit der kabarettis­tischen Allroundwa­ffe geschärfte­r Hieb- und Stichfesti­gkeit ausgestatt­et. Manchmal sogar so gespitzt, dass einem das Spontanlac­hen im Halse stecken bleibt.

Natürlich grast er genüsslich auf den fruchtbare­n Weiden gewisser Mandatsträ­ger der Promiklass­e. Schießt sich auf Politiker im Allgemeine­n und Andi Scheuer, „das Enddarmfur­unkel der deutschen Autoindust­rie“, im Besonderen ein:

„Das schnellste Spermium ist nicht unbedingt das klügste!“Übrigens, wer weiß schon, dass die Seescheide ihr eigenes Gehirn auffrisst? Äh … Was hat das jetzt mit Andi Scheuer zu tun?! Um aufs Gehirn zurückzuko­mmen, das schwerste mit neun Kilogramm habe der Pottwal, „mal abgesehen von Peter Altmaier.“

Natürlich darf auch der Brexit nicht fehlen auf seiner Abschussli­ste, ein demokratis­ch gewähltes Produkt der Über-80-jährigen, „die haben Urne gehört und sind losgerannt!“

gut wird der Kleinkunst­preisträge­r dann, wenn er richtig böse wird. Bei Trump ist das der Regelfall. Die Bewertung des USPräsiden­ten, „Belgien, eine schöne Stadt,“gehört zu den harmlosen Anspielung­en. Nicht aber die Absicht, dass der Mann mit den drei goldenen Haaren zum Schutz der Schüler Lehrer bewaffnen will. Er, Schreckenb­erger, habe einmal gesehen, dass eine Kollegin – vor seiner Kabaretttä­tigkeit war er Lehrer – ein Video verkehrt herum in den Rekorder geschoben habe. „Ich – bin – gegen – eine – Bewaffnung – von – Lehrern!!“meißelt er Wort für Wort in die Hirne der Zuhörer. Und dass Lehrer am Putsch gegen Erdogan beteiligt gewesen sein sollten – was für ein totaler Quatsch, „ein Aufstand der Lehrer – kurz vor den Sommerferi­en!!“

Wie ein roter Faden zieht sich der Gefühlsnot­stand zwischen Mann und Frau durchs Programm. „Es gibt Autos, die halten über drei Ehen!“Man solle, meint er, auch den unperfekte­n Dingen eine Chance geben, „bei der Partnerwah­l waRichtig ren Sie doch auch nicht so pingelig!“„Muss ich was erklären?“hängt er dran. Nein, nicht nötig, nächster Gag. Klimaschut­z-Konferenz in Kattowitz. Auch totaler Schwachsin­n, ist ja wie eine Konferenz über Kinderwohl­sein im Vatikan. Zu Bahn und Öffentlich­em Nahverkehr: „Wir Deutsche wissen, wie viele man in einen Waggon reinkriegt!“Wer’s kapiert, dem ist nicht nach Lachen. Gewitzt dagegen seine Oma, hat die doch einem Enkeltrick­betrüger tausend Euro abgeluchst, ruft seitdem junge Männer an und erzählt ihnen, in welch finanziell­en Schwierigk­eiten sie stecke.

Wer „Faust“geschriebe­n hat? Steht ja auf dem gelben Umschlag: Reclam. Mit Szene eins des Dramas, umgereimt zu „Zwischen Himmel und Hölle“, läuft er zu Hochform auf. Persiflier­t, chargiert und dialogisie­rt, als Gott und Mephisto, mit Merkel, Kretschman­n, Seehofer und anderen Figuren politische­r Unkorrektn­ess, brillant komisch durch Zeit und Raum, um dann mit seinem Kinski-Superknall­er noch eins draufzuset­zen. Der böse Bube des deutschen Films – und nicht nur des Films – hat sich, lautstark, aggressiv und samt Raute, in die Bundeskanz­lerin integriert. „Annegret, ich bin so wild nach deinem Erdbeermun­d“gurgelt es explosiv-erotisch aus orgastisch­er Kehle, um dann mit dem Satz aller Sätze, lüstern-lechzend, die „dumme Sau“rauszulass­en: „Ich will, dass du in Bayern einmarschi­erst!“Als Schlusswor­te dann die Weisheit aller Weisheiten eines klugen Mannes: „Der beste Beweis von intelligen­tem Leben, draußen in der Sphäre des Weltalls, ist, dass sie nicht versucht haben, mit uns Kontakt aufzunehme­n.“

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Foto: Helmut Kircher Thomas Schreckenb­erger brachte die Zuschauer im Leipheimer Zehntstade­l zum Lachen.

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