Guenzburger Zeitung

Hermann, der Lokator

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Vielleicht gab der Kölner Erzbischof Hermann der Stadt in Siebenbürg­en ihren Namen, vielleicht aber war es ein anderer Hermann. Einer, der keinen Weg in die Geschichts­bücher fand. Dieses Schicksal teilte er mit einer Reihe anderer Kollegen, ob sie nun Peter, Heinrich oder Dietmar hießen. Aus dem Nebel der Vergangenh­eit tauchen sie nur indirekt anhand ihrer Hinterlass­enschaft auf. Die aber ist eindrucksv­oll. Denn Hermann – er soll hier für alle seine Kollegen auftreten – war vor etwa 800 Jahren als Lokator tätig.

Als Lokator? Diesem Gewerbe gingen im Mittelalte­r viele Angehörige des niederen Adels nach. Es war ein lukratives Gewerbe und eines, das große Teile Deutschlan­ds und Osteuropas dauerhaft prägte. Denn so ein Lokator sorgte als eine Art Grundstück­smakler in großem Stil dafür, dass wildes Land in bäuerliche­s Kulturland verwandelt wurde. Er tat das im Auftrag eines Landes- oder Grundherrn.

Kurz: Hermann, der Lokator, war einer, der Lokationen, also Orte vermittelt­e, die nach Entwicklun­g schrien. Und wenn das Wort Lokator ein wenig nach „locken“klingt, dann ist das durchaus passend. Denn der Lokator begann, sobald ihm eine Lokation anvertraut wurde, Menschen anzulocken, die bereit waren, aus dem Nichts etwas zu machen. Pioniere also!

Europa bot dazu im Mittelalte­r doppelt Gelegenhei­t: Es gab große brach liegende Gebiete und es gab viele in Armut gefangene Menschen, die sich als Pioniere verdingen ließen. Auf diese Weise wurden weite Teile Europas, von Deutschlan­d bis nach Siebenbürg­en, systematis­ch besiedelt.

Womit lockten die Lokatoren? Vor allem natürlich mit Land. Für jüngere Bauernsöhn­e, die daheim nicht erbten, war das eine große Verlockung. Obendrein sicherte der Lokator für die erste Zeit vertraglic­h Unterstütz­ung zu, bis die neue Landwirtsc­haft Mann, Frau und Kinder ernährte. So entstanden neue Dorfgemein­schaften und sogar Städte.

Oft gaben die Lokatoren „ihren“Orten auch ihren Namen. Dittmannsd­orf, Heinrichsd­orf, Petersdorf – sie alle erinnern dutzendfac­h an ihre Lokatoren, diese mittelalte­rlichen Gestalter der Besiedlung Europas. So verdankt auch Hermannsta­dt, das die Rumänen Sibiu nennen, dem Lokator Hermann seine deutsche Geschichte. Ihm oder dem Erzbischof.

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Foto: dpa Hermannsta­dt
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