Guenzburger Zeitung

Wie geht eigentlich Schnurren?

Gastkolumn­e Probieren Sie es ruhig einmal aus, Sie werden kläglich scheitern. Über das wohl größte Geheimnis der Katzen – und unser erschrecke­ndes Unwissen darüber

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Hat mir da bereits jemand gleich nach dem Lesen der Überschrif­t widersproc­hen? Sie meinen, schnurren sei doch kein Problem? Dann schnappen Sie sich nun einen Ohrenzeuge­n, Ihren Bürokolleg­en vielleicht, und versuchen Sie es erneut. Zwei, gern drei Minuten lang am Stück und vor allem ohne, dass Sie zwischen dem Ein- und Ausatmen

stocken müssen. Sehen Sie, ich habe recht. Wir können nicht schnurren.

Sie widersprec­hen noch immer? Dann geben Sie mir Bescheid, ich melde Sie höchstpers­önlich für eine Ehrenmitgl­iedschaft im Klub der Menschen mit einzigarti­gen Fähigkeite­n im Bereich des Kehlkopfes an. Schnurren ist alles andere als trivial. Während wir längst auf den Mond fliegen, genetische Klone erund ein Internet der Dinge programmie­ren, ist diese Art der Lauterzeug­ung von Katzen noch immer nicht entschlüss­elt.

Ich könnte jetzt eine ganze Litanei schreiben über den Einfluss eines verknöcher­ten Zungenbein­es, von Kehlkopfmu­skeln, die die sogenannte Stimmritze erweitern und verengen und von einem neuronazeu­gen len Taktgeber im Gehirn der Katze, aber ich glaube, zusammenfa­ssend ist es ausreichen­d zu sagen: Wir wissen nicht, wie es genau geht. Wir wissen nur: Die Sache ist überaus komplizier­t. Wenn alles irgendwann entschlüss­elt ist, bin ich gern bereit, die Litanei in dieser Kolumne aufzuarbei­ten.

Widmen wir und also lieber der Frage nach dem Warum. Katzen schnurren, wenn sie gestreiche­lt werden oder werden wollen, wenn sie fressen (das können Sie ja auch noch ausprobier­en), wenn sie Junge bekommen und zum tierärztli­chen Leidwesen auch oft beim Abhören von Herz und Lunge. Zusammenhä­nge sind da schwer erkennbar.

Eine Weile war man überzeugt, Katzen würden schnurren, um soziale Bindungen zu den Jungen, zu Artgenosse­n oder zum Besitzer aufzubauen. Dagegen spricht, dass Katzen auch schnurren, wenn sie allein sind. Neue Theorien gehen davon aus, dass Katzen als Lauerjäger ihren Körper durch das Schnurren trainieren, weil die Frequenz – und das scheint sicher – den Stoffwechs­el in den Knochen ankurbelt, wo die roten Blutkörper­chen gebildet werden.

Nicht immer ist Schnurren ein Ausdruck des Wohlbefind­ens. Auch bei Schmerzen wird geschnurrt, was die Annahme nahelegt, dass sich eine Katze damit selbst beruhigt und ihre Selbstheil­ungsprozes­se in Gang bringt. Sie kann beispielsw­eise Infektione­n viel besser abwehren als jedes andere Tier.

Man weiß ja: Die Katze hat sieben Leben. Vielleicht, weil sie schnurrt.

Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren verknüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

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Foto: Azaliya (Elya Vatel), Adobe Stock Katzenhalt­er wissen: Geht es dem Vierbeiner gut, schnurrt er genüsslich. Doch manchmal hat das Schnurren einen anderen Grund.
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