Guenzburger Zeitung

Und wieder werden Medikament­e knapp

Welche Arzneimitt­el betroffen sind. Und warum gerade ein bestimmtes Antidepres­sivum hierzuland­e kaum zu haben ist – in Frankreich aber schon

- VON MARKUS BÄR

Augsburg Immer wieder gibt es Versorgung­sengpässe bei bestimmten Medikament­en. Das ist insbesonde­re für Patienten ärgerlich, die auf ein ganz bestimmtes Mittel angewiesen sind – und nicht einfach entweder auf ein anderes Präparat mit dem gleichen Wirkstoff oder auf ein Medikament mit einem recht ähnlichen Wirkstoff ausweichen können.

So wie etwa eine Leserin, die das Antidepres­sivum Venlafaxin braucht. Es ist derzeit hierzuland­e nur sehr schwer, zu bekommen. Weil es angeblich Lieferschw­ierigkeite­n in den Hersteller­ländern China und Indien gibt. Sie erhielt darum den Tipp von ihrem Apotheker, es einmal in Frankreich zu probieren. Und siehe da: Ihr Sohn, den sie mit dieser Aufgabe beauftragt hatte, erhielt in dem Nachbarlan­d problemlos Venlafaxin. Zu einem günstigere­n Preis als in Deutschlan­d. Und der Apotheker habe versichert, dass es in Frankreich keinerlei Lieferschw­ierigkeite­n mit gebe. Wie kann das sein? „Wir stellen tatsächlic­h fest, dass es bei unterschie­dlichen Medikament­en immer wieder mal zu Versorgung­sengpässen kommt“, bestätigt Ulrich Koczian, Vizepräsid­ent der Bayerische­n Landesapot­hekerkamme­r und Apotheker in Augsburg. Betroffen sind derzeit vor allem Therapeuti­ka aus den Bereichen Blutdrucks­enkung, HerzKreisl­auf, Schilddrüs­e und Antidepres­siva.

„Grundsätzl­ich entstehen Lieferengp­ässe wegen plötzliche­r erhöhter Nachfrage oder wegen Produktion­sproblemen“, erläutert Koczian. Ein Beispiel für eine plötzliche erhöhte Nachfrage ist etwa der Impfstoff gegen Gürtelrose ab dem Alter von 60 Jahren. „Das kam dadurch, dass diese Impfung in mehreren Ländern gleichzeit­ig empfohlen wurde.“

Produktion­sprobleme entstehen unter anderem durch den erhebliche­n Preisdruck bei der Pharmahers­tellung auf der Welt. „Dabei geht es nicht nur um Wirkstoffe, sondern auch etwa um beigemengt­e Hilfsstoff­e oder Verpackung­en für Medikament­e.“Die Materialie­n würden wegen des Preisdruck­s dort gekauft, wo sie am günstigste­n sind. „Auf diese Weise können aber Verzögerun­gen und Verknappun­gen entstehen“, berichtet der Apotheker.

Und was ist mit Venlafaxin? „Bei diesem Mittel gibt es weltweit nur zwei Hersteller, die in Asien sitzen. Und tatsächlic­h ist ausgerechn­et bei jenem mit dem größten Marktantei­l die Produktion­sstätte explodiert.“Der daraus resultiere­nde Ausfall könne von dem übrigen Hersteller nicht ausreichen­d kompensier­t werden. Dass Venlafaxin aber problemlos in Frankreich zu haben ist, liege daran, dass die Hersteller ihre Ware vor allem dorthin liefern, wo es für sie den größten Ertrag gebe. Für Venlafaxin wurden für den deutschen Markt Rabattvert­räge – für gesetzlich Versichert­e – ausgehande­lt, die preislich unter jenen etwa in Frankreich oder auch Österreich liegen, sagt Koczian. Darum bekämen diese Länder größere Mengen.

Dass das Medikament sogar günsMedika­menten tiger in Frankreich zu haben war, liege nur daran, dass es wohl als Selbstzahl­er abgeholt wurde. Das heißt aber auch: Einer französisc­hen Krankenkas­se entstehen höhere Kosten, wenn ein gesetzlich versichert­er Franzose Venlafaxin benötigt als dem Selbstzahl­er, der aus dem Ausland kommt. „Der Preis also, der auf dem Kassenzett­el steht, entspricht keineswegs dem Preis, der letztlich von den gesetzlich­en Krankenkas­sen bezahlt wird“, erläutert Koczian.

Doch was rät der Apotheker nun Patienten, die von einem Versorgung­sengpass betroffen sind? „Man kann sich von seinem Arzt ein anderes Medikament verschreib­en lassen. Das ist aber nicht immer möglich.“Bei Venlafaxin etwa, dessen Wirkstoff sehr besonders ist, komme das vielleicht gar nicht infrage. „Es ist auch möglich – mit Genehmigun­g der Krankenkas­se – ein Medikament einzeln aus dem Ausland zu importiere­n.“Doch das erfordere natürlich einen gewissen Organisati­onsbedarf.

 ?? Foto: Christin Klose, dpa ?? Gerade Patienten, die auf ein bestimmtes Arzneimitt­el angewiesen sind, machen sich große Sorgen, wenn es nicht lieferbar ist. Denn nicht immer gibt es Alternativ­en mit ähnlichen Wirkstoffe­n. Ein Apotheker erklärt, was Betroffene tun können.
Foto: Christin Klose, dpa Gerade Patienten, die auf ein bestimmtes Arzneimitt­el angewiesen sind, machen sich große Sorgen, wenn es nicht lieferbar ist. Denn nicht immer gibt es Alternativ­en mit ähnlichen Wirkstoffe­n. Ein Apotheker erklärt, was Betroffene tun können.

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