„Der Energiepakt ist kein Feigenblatt“
Der Winterbacher Bürgermeister Karl Oberschmid ist seit sieben Jahren der ehrenamtliche Koordinator des Projekts im Kreis Günzburg. So fällt seine Bilanz aus
Herr Oberschmid, Sie dürfen sich seit ziemlich genau sieben Jahren „Energiepaktkoordinator“nennen. Wie ist es zu diesem Titel gekommen?
Karl Oberschmid: Am 11. März 2011 ereignete sich die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima. Daraus folgend bekam die Art der Energieerzeugung sowie der Klimaschutz einen höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft. So beschäftigte sich auch der Landkreis Günzburg mit seinen Städten und Gemeinden anlässlich eines Bürgermeisterseminars am 15. und 16. November 2012 erstmals mit den Themen „Klimaschutzkonzept“und „Kommunale Energiepolitik“. Das war zugleich die Geburtsstunde des „Energiepakts“im Landkreis Günzburg. Da ich mich betrieblich seit 1996 mit der Thematik Erneuerbarer Energien beschäftigt und diese auch umgesetzt habe, waren meine Wortmeldungen zu diesem Thema verständlicherweise etwas häufiger. Und so kam es, dass meine Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen auf der Suche nach einem ehrenamtlichen „Energiepaktkoordinator“mich vorschlugen nach dem Motto: „Des kannsch doch Du macha!“
Ist es ein Titel ohne Mittel – oder können Sie für Klimaschutzbemühungen auf kommunaler Ebene auch Geld in die Hand nehmen?
Oberschmid: Die Begleitung ist wie schon gesagt rein ehrenamtlich. Ein separates Budget gibt es für diesen Bereich nicht. Ich würde es so benennen: Es ist ein Titel mit indirekten Mitteln, denn Kommunen und Landkreis investieren ja.
Nehmen wir das Wortungetüm „Energiepaktkoordinator“einmal auseinander: Was ist der Sinn des Energiebzw.
Klimapakts und was genau bringen Sie als Koordinator zusammen? Oberschmid: An der „Geburtsstunde“des Energiepakts am 16. November 2012 verpflichteten sich Gemeinden, klimaschutzrelevante Themen wie Energieberatung, Energiebuchhaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Energiemanagement, einen Erfahrungsaustausch über all das sowie energetische Schulbildung, voranzubringen. Es konnten aus diesen sechs Kriterien drei ausgewählt werden. Alle 34 Kommunen bekamen im Rahmen des Klimaschutzkonzeptes im September 2013 ihre CO2Bilanz, den Stand des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie eine Potenzialanalyse mit Empfehlungen für die weitere Senkung der CO2-Bilanz vorgestellt. Dieser Grundstein an Wissen über den eigenen Ist-Zustand und mögliche Verbesserungspotenziale brachte in den Kommunen bis heute eine Vielzahl von praktischen Umsetzungen auf den Weg. Um nur einige zu nennen: Die Ernennung von Energiebeauftragten in den kommunalen Parlamenten, Biogasnutzung mit Nahwärme-/Fernwärmeanbindung, Wärmelieferkonzepte mit Biomasse, Elektromobilität, Teilnahme am Energiecoaching sowie die Erstellung von Energienutzungsplänen, Straßenbeleuchtungsoptimierung durch LED-Leuchtmitteltausch, Umstellung von fossilen Energieträgern zu CO2-neutralen wie Pelletheizungen, Optimierung öffentlicher Verkehrsmittel durch die Einführung des Flexibusses, Regenwassernutzung in Neubaugebieten, Verbesserung des Gebäudemanagements durch geeignete Dämmungsmaßnahmen sowie die Nutzung von Solarenergie zur Optimierung des Energieverbrauchs. Eine Erkenntnis daraus ist: Es ist wichtig, es den Kommunen zu überlassen, welche Ziele sie verfolgen wollen, da jede Gemeinde individuelle Gegebenheiten und Akteure hat. Meine gedankliche Devise ist und bleibt hierbei: „Wir wollen den Hund nicht zum Jagen tragen, aber, wir können ihn auf die Fährte bringen.“Das haben wir erfolgreich vorangebracht.
Wo gibt es aus Ihrer Sicht Verbesserungsbedarf in den Gemeinden und Städten?
Oberschmid: Es geht nicht darum, dass wir jede Menge „Fleißarbeit“in Form von Wettbewerben, Auszeichnungen oder sonstigen Themen angehen, sondern dass wir die Energiewende voranbringen. Sie ist ein wesentlicher Teil für eine Zukunft in unseren Kommunen, in unserem Land und auf unserem Planeten. Was wir brauchen, sind wirtschaftliche Rahmenbedingungen, welche es erlauben, den Ausbau und die Speicherung voranzubringen.
Wie geht es mit dem Energiepakt weiter?
Oberschmid: Energiepaktschwerpunkte für das kommende Jahr werden neben der Solaroffensive die Möglichkeit der Energieeinsparung in der energieautarken Beleuchtung öffentlicher Anlagen liegen. Dazu werden die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in einer der nächsten Bürgermeisterversammlungen informiert.
Ist der Energie- und Klimapakt eine Eigeninitiative des Landkreises oder wurde der von München aus den Kommunen übergestülpt?
Oberschmid:
Er hat für unsere Energiepaktthemen stets ein offenes Ohr und steht mit Rat und Tat zur Seite.
Ist dieser Pakt nur ein Feigenblatt oder kann damit tatsächlich etwas bewegt werden?
Oberschmid: Er ist kein Feigenblatt. Ich bin noch nie bei einer Veranstaltung nur mit „Feigenblatt“aufgetreten. Spaß beiseite, dass die Kommunen energiepolitisch vieles bewegen und auch noch viele Themen in der Zukunftspipeline haben, versteht sich von selbst.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Umsetzungstempo klimaschutzrelevanter Maßnahmen in den 34 Städten und Gemeinden des Landkreises? Oberschmid: Was das Umsetzungstempo anbelangt, kann ich den Kommunen vorbildliches Mithandeln bestätigen. Dies wird in der Öffentlichkeit nicht immer sofort sichtbar wahrgenommen. Deshalb ist es auch wichtig, nicht nur Gutes zu tun, sondern auch darüber zu berichten.
Wo liegen für Sie die Herausforderungen der Zukunft, was die Kommunen anbelangt?
Oberschmid: Das Umsetzen der CO2-Neutralität im Einklang mit den Haushaltsmitteln wird eine der größten Herausforderungen bleiben. Interview: Till Hofmann