Die wertvollen Dinge waren sein täglicher Job
Nach Jahrzehnten in Gundelfingen schließt Michael Kunze sein Geschäft für Uhren und Schmuck. Ein Überfall beschäftigt ihn weiter
Gundelfingen Im Alter von 14 Jahren änderte sich das Leben von Michael Kunze grundlegend. Es war das Jahr 1966, soeben war sein Vater gestorben. Nun ging es um die Zukunft des elterlichen Geschäfts in Gundelfingen. Kunze machte eine Lehre als Uhrmacher – und stieg in den Betrieb ein. Zunächst führte er das Geschäft mit seiner Mutter. Bald übernahm er die Verantwortung. Seitdem ist Kunze fester Bestandteil der Professor-Bamann-Straße.
Doch seinen Laden für Uhren und Schmuck wird es nicht mehr lange geben. Bis spätestens Ende Januar kommenden Jahres möchte sich der 68-Jährige zur Ruhe setzen und die Türen seines Betriebes für immer schließen. „Es ist jede Menge Wehmut dabei“, sagt Kunze. Immerhin verschwindet damit ein traditionsreiches Familienunternehmen. Die Geschichte geht zurück bis ins Jahr 1910, als Kunzes Großvater sein Geschäft im sächsischen Weißwasser eröffnete. 1960 kam Kunze als Bub aus seiner niedersächsischen Heimat nach Gundelfingen, wo seine Eltern sich selbstständig machten, damals noch zwei Häuser weiter in Richtung Rathaus. Dann starb sein Vater, und Kunze wurde ins kalte Wasser geworfen.
Nach anstrengenden Jahrzehnten als Selbstständiger im Einzelhandel ist für ihn nun Schluss. Die Gesundheit spiele eine Rolle, zuletzt sind aber einige gleichaltrige Berufskollegen gestorben und das hat ihn zum Nachdenken gebracht. „Man fragt sich, ob das alles in seinem Leben gewesen ist.“Sein Beruf hat sich auch enorm verändert, und wie jeder andere Händler bekam er Konkurrenz aus dem Internet. Seit 2007 betreibt er einen Onlineshop, der ihm Kunden aus ganz Deutschland bescherte. „Gegen die Großen der Branche, wie Amazon, kommt man als kleiner Händler aber nicht an.“Mancher kam nur noch in sein Geschäft, um sich zu informieren. Der Artikel wurde im Internet gekauft. „Es kam vor, dass jemand noch in meinem Laden auf seinem Handy nachschaute, wo es das Produkt am billigsten gibt“, erzählt Kunze.
Die teuren Waren, die er anbietet, zogen auch Kriminelle an. Neben diversen Diebstählen sind ihm zwei Vorkommnisse besonders in
Erinnerung geblieben. Einmal versuchte jemand, die Scheibe seines Ladens einzuschlagen – was misslang. Schlimmer war ein Raubüberfall vor etwa 25 Jahren. Der Täter kam morgens ins Geschäft, hielt einer Mitarbeiterin ein Messer an den Hals und verlangte nach einer bestimmten Uhr im Wert von rund 10 000 D-Mark. Die Angestellte gab ihm die Uhr, der Mann flüchtete. Kunze und ein weiterer Mitarbeiter saßen hinten im Büro und bekamen nichts mit. Die Polizei schnappte den Täter wenige Minuten später. Ein Gericht sprach den Mann frei. Das Paradoxe für den Uhrmacher: Es kam laut Kunze zu keiner Verurteilung, da die Betroffenen den Tathergang
nicht auf wenige Minuten genau eingrenzen konnten. Ein Urteil, für das Kunze kein Verständnis hat – zumal die Mitarbeiterin in der Folge unter Angstzuständen litt und aus dem Beruf ausscheiden musste.
Kunze hat sich auf die Suche nach Nachfolgern gemacht. Doch unter den Interessenten seien keine passenden gewesen. Auch seine Kinder hätten abgelehnt. So wird er die Immobilie des ehemaligen Pfarrhauses wohl verkaufen. Auch danach wird er, der unter anderem als Dozent an der nun geschlossenen Uhrmacherschule Ulm lehrte, seinem Beruf treu bleiben: in der Innung und mit kleineren Reparaturen für Freunde, Bekannte und aktuelle Kunden.