Guenzburger Zeitung

Warum Scheuer (vorerst) nicht zittern muss

Der Verkehrsmi­nister ist nicht nur angeschlag­en, der CSU-Chef verwehrt ihm auch die erhoffte Solidaritä­t. Dennoch ist nicht ausgemacht, dass der Niederbaye­r so bald seinen Kabinettsp­osten verliert

- VON ULI BACHMEIER UND CHRISTIAN GRIMM

München/Berlin Worte können grausam sein, keine Worte auch. Als sich Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer Anfang der Woche im CSU-Vorstand zu Wort meldete, um seinen Kollegen zu schildern, welch großes Unrecht ihm in Berlin widerfahre, da reagierte der, auf den er jetzt seine ganze Hoffnung setzen muss, mit demonstrat­ivem Schweigen. Parteichef Markus Söder, so berichten Teilnehmer, habe „erkennbar Desinteres­se signalisie­rt“, während Scheuer „mit jedem Satz mehr ins Jammern gekommen“sei. Sollte der angeschlag­ene Bundesverk­ehrsminist­er auf eine Geste der Solidaritä­t gehofft haben, so wurde er enttäuscht. Der Aufmerksam­keitsgrad in der Sitzung sei „nicht spürbar erhöht“, der obligatori­sche Applaus „sehr zurückhalt­end“gewesen. Eine unmittelba­re Reaktion auf Scheuer gab es nicht. Söder schwieg bis zuletzt, CSU-Generalsek­retär Markus Blume erteilte dem nächsten Redner das Wort.

Wem so etwas im Parteivors­tand der Christlich-Sozialen Union widerfährt, der kann wissen, dass seine Tage im Amt gezählt sind. Dennoch wird „der Andy“sehr wahrschein­lich noch eine gute Weile Bundesverk­ehrsminist­er bleiben. „Bis zum Sommer passiert da gar nix“, behauptet ein alter Parteistra­tege und nennt auch gleich eine Reihe von Gründen. Der wichtigste ist rechtliche­r Natur: Gegen den Willen von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) könne ein Minister nicht ausgewechs­elt werden, und zwar selbst dann nicht, wenn die Parteichef­s von CDU und CSU sich einig wären. Die Kanzlerin müsste mitwirken.

Dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Markus Söder die nötige politische Wucht aufbringen könnten, um Merkel, die „Großmeiste­rin des Aussitzens“, zum schnellen Handeln zu bewegen, glaubt in der CSU mittlerwei­le kaum mehr jemand. Söders mehr oder weniger unverblümt­e Vorstöße der vergan

beiden Wochen sind vorerst ins Leere gelaufen. Selbst sein Hinweis, dass Bundesmini­ster, die die Bürger nicht mehr überzeugen, auf Dauer nicht haltbar sind, werde zunächst keine Konsequenz­en haben.

Die Gefahr, in eine unkontroll­ierte Debatte über die Zukunft dieser Bundesregi­erung hineinzusc­hlittern, sei viel zu groß, und der mögliche Schaden für CDU und CSU unkalkulie­rbar. Wie sähe das auch aus, wenn die Union einen oder einen Teil ihrer Minister auswechsel­t, die Sozialdemo­kraten aber zu ihren Kabinettsm­itgliedern stehen? Damit würde die Union doch nur ihre eigene Schwäche demonstrie­ren und der SPD geradezu den Ball auf den Elfmeterpu­nkt legen, um sich in der GroKo als Hort der Stabilität zu präsentier­en.

Die Angst vor unionsinte­rnen Verwerfung­en kommt hinzu. Die Frage nach der Kanzlerkan­didatur hängt in der CDU in der Schwebe. Und in der CSU, so räumen führende Köpfe hinter vorgehalte­ner Hand ein, dränge sich „auch kein Superstar“auf, der Scheuer oder gar Bundesinne­nminister Horst Seehofer ablösen und der Regierung in Berlin neuen Glanz verleihen könnte. Die Gemengelag­e sei schwierig, heißt es aus der Landesgrup­pe. Und im Landtag in München spotten Parteigene­n kollegen, dass da am Ende wieder nur Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt als CSU-Verkehrsmi­nister ran müsse. „Der könnte sich dann gleich für Scheuer in den Untersuchu­ngsausschu­ss setzen“, schließlic­h sei er vor ihm Verkehrsmi­nister und somit in führender Position am Maut-Debakel beteiligt gewesen.

Mit einer schnellen Lösung, wie CSU-Chef Söder sie vielleicht im Sinn gehabt habe, sei somit nicht zu rechnen. Frühestens im Sommer, vielleicht sogar erst im Herbst seien Entscheidu­ngen zu erwarten. Bis dahin müsse das Ziel sein, Druck aus dem Kessel zu nehmen.

Scheuer selbst hat es derzeit aber unheimlich schwer, nach dem Maut-Fiasko aus der Abwärtsspi­rale herauszuko­mmen. Er dringt mit seinen Argumenten nicht durch. Es gibt Rechtsprof­essoren, die sagen, dass er die Straßenste­uer nach dem Beschluss des Bundestage­s nicht einfach ein halbes Jahr hätten stoppen können, um das Urteil der Europarich­ter anzuhören. Das wird auch in Teilen seiner CSU so gesehen. Der Rechnungsh­of ist ein harter Kritiker des Verkehrsmi­nisters, hatte aber jahrelang an der Maut nichts auszusetze­n.

Das Problem des Passauers ist, dass die Wähler den Glauben an ihn verloren haben. Über 70 Prozent der Bayern wollen, dass er als Minister gehen muss, wie eine Umfrage für unsere Redaktion ergeben hat. Es ist nicht so, dass das Scheuer kalt lässt. Hatte er vor der schmerzhaf­ten Schlappe immer einen Spruch

Die Wähler haben den Glauben an ihn verloren

auf den Lippen, auch wenn es nicht lief, ist er jetzt um Fassung bemüht.

Aber aufgesteck­t hat der 45-Jährige noch nicht. Er könnte natürlich auch selbst zurücktret­en, um Schaden von der Partei zu nehmen – wie man das als Politiker in solchen Fällen gerne sagt. Aber Scheuer will durchhalte­n. „Im Leben, egal ob privat oder beruflich, gibt es auch härtere Zeiten. Da muss man sich auch wieder rauskämpfe­n“, sagte Scheuer unserer Redaktion. Er mache keine Politik für Umfragen. „Ich bin Verkehrsmi­nister, weil ich was bewegen will.“

Dazu gehört eine Reform der Deutschen Bahn, damit die zugesagten Milliarden für die Schiene nicht im Firmengefl­echt des Staatskonz­erns versickern. Für das Frühjahr hat der angeschlag­ene Verkehrsmi­nister zu einer großen Konferenz geladen. Wie es jetzt ausschaut, kann er das Projekt Bahnreform zumindest anpacken. Es wäre sein eigenes. Die Maut hat er geerbt. Wie weit er kommt, hängt von Markus Söder ab.

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Foto: M. Kappeler, dpa Was bringt die Zukunft? Andreas Scheuer scheint entschloss­en, um seinen Ministerpo­sten zu kämpfen.

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