Guenzburger Zeitung

20 Millionen Menschen abgeschott­et

China riegelt die besonders von dem neuartigen Virus betroffene Region einfach ab. Die Einwohner dürfen ihre Städte nicht verlassen. Auch Deutschlan­d könnte bedroht sein

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Wuhan/Peking Das Virus, das höchstwahr­scheinlich die Ursache der neuen Lungenkran­kheit in China ist, hat die Elf-Millionen-Metropole Wuhan in eine gigantisch­e Sperrzone verwandelt. Es fahren keine Busse, keine Bahnen. Der Flugbetrie­b ist eingestell­t. An den Ausfallstr­aßen errichtet die Polizei Straßenblo­ckaden. Millionen Menschen stecken fest, dürfen nicht raus. Sollen am besten nicht vor die Tür gehen – und wenn, dann nur mit Mundschutz. Sonst droht ihnen eine Strafe. Die drastische­n Maßnahmen sollen eine weitere Ausbreitun­g der Lungenkran­kheit verhindern. Die Straßen sind entvölkert, Märkte und Einkaufsze­ntren wie leer gefegt. Die Abschottun­g ist eine beispiello­se Maßnahme.

Stunden später folgen Beschränku­ngen für weitere Großstädte: In der 75 Kilometer östlich gelegenen Sieben-Millionen-Stadt Huanggang wird der öffentlich­e Verkehr von Mitternach­t an gestoppt, Menschen sollen die Stadt nicht mehr verlassen. Ähnliche Restriktio­nen gelten für die benachbart­e Stadt Ezhou mit einer Million und für die Stadt Chibi mit einer halben Million Einwohnern. Auch in Xiantao mit mehr als einer Million Einwohner ist der öffentlich­e Verkehr mit Bussen, Fähren und Bahnen in andere Orte ausgesetzt worden. Alle Städte liegen in der Provinz Hubei. Zusammen mit den Bewohnern der bereits abgeriegel­ten Metropole Wuhan gelten die Beschränku­ngen damit für rund 20 Millionen Menschen. Die Abschottun­g ist eine beispiello­se Maßnahme. „Das ist einmalig in der neueren Geschichte“, sagt Jonas SchmidtCha­nasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedi­zin (BNITM). Auch der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) ist nach Angaben eines Sprechers kein vergleichb­arer Fall bekannt.

Die Region ist von dem auch schon in anderen Teilen Chinas und einigen Ländern wie Thailand und den USA nachgewies­enen neuen Coronaviru­s besonders stark betroffen. Am Donnerstag wurde der erste nachgewies­ene Fall in Singapur beschriebe­n. In Europa ist bisher kein Fall bekannt.

Aber: Eingeschle­ppte Einzelfäll­e der neuen Lungenkran­kheit sind deutschen Infektions­spezialist­en zufolge auch hierzuland­e „wahrschein­lich“. Grund zur Besorgnis gebe es aber nicht, teilte die Deutsche Gesellscha­ft für Infektiolo­gie am Donnerstag mit. Kliniken bereiteten sich hierzuland­e aktuell vor, um auf diese Fälle schnell reagieren zu können. Wichtig sei jetzt vor allem, Ärzte und medizinisc­hes Personal in Kliniken und Praxen zu sensibilis­ieren, um Verdachtsf­älle schnell zu finden, hieß es. Mit der richtigen Behandlung könne sichergest­ellt werden, dass Mitpatient­en und Klinikpers­onal nicht gefährdet werden und die Infektion nicht weiter verbreitet wird.

Über die Abriegelun­g hatte China übrigens ohne Rücksprach­e mit der WHO entschiede­n. Die Aktion ist aber zu begrüßen, sagte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesu­s. Massenansa­mmlungen seien ein Risikofakt­or für die Verbreitun­g. Bis Donnerstag wurde das Virus in China bei mindestens 620 Menschen nachgewies­en. Dazu zählten rund 100 schwere Fälle, alle in der Provinz Hubei mit der besonders betroffene­n Metropole Wuhan. Nachweisli­che Todesursac­he war das Virus bisher bei 17 Menschen – zumeist ältere mit Vorerkrank­ungen.

Die WHO hatte am Mittwochab­end zwar – wie berichtet – keine „gesundheit­liche Notlage von internatio­naler Tragweite“ausgerufen – der Notfallaus­schuss tagte am Donnerstag allerdings erneut. Doch auch hier hielt der Expertenra­t an seiner Entscheidu­ng fest. Mit einer offizielle­n „Notlage“wären weitere konkrete Empfehlung­en gewesen, um die Ausbreitun­g über Grenzen hinweg möglichst einzudämme­n. Zu solchen Empfehlung­en kann beispielsw­eise gehören, dass Reisende auf Krankheits­symptome geprüft werden.

In den chinesisch­en Krankenhäu­sern gibt es unterdesse­n einen riesigen Ansturm von Patienten mit Fieber und Atemwegser­krankungen. Die verzweifel­te Frage lautet: Was ist eine normale Erkältung oder die saisonale Grippe, was die neue Lungenkran­kheit? Ärzte und Schwestern, vermummt in weißen Schutzanzü­gen, sind überforder­t, müssen Kranke heimschick­en, weil sie nicht genug Betten haben. Menschen beschreibe­n die Szenerie als ausgesproc­hen bedrohlich.

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Foto: dpa Dieser Soldat bewacht einen geschlosse­nen Bahnhof in Wuhan.

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