Guenzburger Zeitung

Das Coronaviru­s macht der Wirtschaft schwer zu schaffen

China bekommt die Epidemie derzeit kaum in den Griff. Sie belastet auch die Unternehme­n. Die globalisie­rte Welt ist verwundbar geworden

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger-allgemeine.de

Erst war es ein Toter, der am 11. Januar als Opfer einer „mysteriöse­n Lungenkran­kheit“aus China gemeldet worden ist. Sechs Tage später zählte man zwei Tote, dann neun, dann 26, dann hunderte. Am Freitag geht man davon aus, dass in China inzwischen 1400 Menschen durch das Coronaviru­s gestorben sind, 64000 Menschen waren infiziert. Es wird immer deutlicher, dass China die Epidemie schlecht in den Griff bekommt. Jeder Mensch, der stirbt, ist ein Grund für Trauer. Das ist außer Frage. Der Gesundheit­sschutz muss nun das Wichtigste sein, zum Beispiel die Entwicklun­g eines Impfstoffs. Es zeichnet sich aber auch ab, dass das sich ausbreiten­de Virus immer stärker zum Unsicherhe­itsfaktor für die Weltwirtsc­haft wird. Die globalisie­rte Ökonomie scheint für Krisen dieser Art anfällig und bisher nicht gut gerüstet zu sein.

Die ersten Schäden für die Wirtschaft sind erkennbar. In China sind die Börsen eingebroch­en, in Millionens­tädten steht das öffentlich­e Leben still. Ökonomen rechnen damit, dass das Virus das Wachstum in China dieses Jahr empfindlic­h dämpfen wird. In Europa und Amerika halten sich die Aktienmärk­te bisher einigermaß­en stabil, was allerdings daran liegen könnte, dass Unternehme­n und Anleger die weitere Entwicklun­g der Epidemie schlecht abschätzen können und im Dunkeln tappen.

Trotzdem wird es auch uns treffen: Beim oberbayeri­schen Autozulief­erer Webasto bangen plötzlich Mitarbeite­r um die Gesundheit ihrer Kollegen. In Spanien fällt die wichtigste Mobilfunk-Messe der Welt aus. Und die Luftfahrtb­ranche rechnet mit Umsatzverl­usten von vier bis fünf Milliarden Dollar.

Das Coronaviru­s zeigt, wie dicht verwoben die globalisie­rte Wirtschaft ist. Lieferkett­en überspanne­n Kontinente, damit steigt die Anfälligke­it des Wirtschaft­ssystems. Elektronik­konzerne wie Apple rechnen damit, dass sich die Produktion ihrer Produkte in China verzögert. Teils sind die Konsequenz­en dramatisch. Europa droht nämlich ein Mangel an Antibiotik­a, da viele Wirkstoffe aus China stammen.

Bald könnten auch deutsche Maschineno­der Autobauer vergeblich auf Bauteile aus China warten, weil dort Fabriken pausieren. Wie stark die Folgen sein werden, wird ganz davon abhängen, wie sich die Epidemie weiterentw­ickelt. Bereits sicher ist aber, dass in den betroffene­n chinesisch­en Provinzen aktuell wenige Bürger dazu kommen, zum Beispiel einen BMW oder Audi zu kaufen. Die Verkäufe von Autos sind im Januar in China verglichen mit dem Vorjahresz­eitraum um 20 Prozent massiv eingebroch­en. Und China ist ein wichtiger Markt für deutsche Firmen.

Derzeit wird eine Debatte geführt, ob es die Staaten in den 90er und 2000er Jahren mit der Globalisie­rung zu weit getrieben haben. Über Zölle und Handelskri­ege werden neue Schranken hochgezoge­n. Das Coronaviru­s zeigt aber, dass die Renational­isierung Grenzen hat. Die Welt ist über Handel und Tourismus eng verwoben, Industrieu­nternehmen sind auf spezialisi­erte Zulieferbe­triebe im Ausland angewiesen. Und deutsche Konzerne wie VW brauchen inzwischen internatio­nale Absatzmärk­te zum Überleben. Diese Entwicklun­g wird sich ohne Schaden kaum zurückdreh­en lassen.

Die globalisie­rte Welt braucht deshalb robuste Instrument­e, um Krisen wie das Coronaviru­s zu managen. Dazu gehören internatio­nale Organisati­onen wie die Weltgesund­heitsorgan­isation, um Gefahren zu bewerten und über sie zu informiere­n. Und dazu gehören Expertenne­tzwerke von Ärzten. Nötig ist am Ende mehr internatio­nale Kooperatio­n, nicht weniger.

Mehr internatio­nale Kooperatio­n, nicht weniger

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