Erfolge im Kampf gegen die Mafia
Generalstaatsanwalt Röttle erklärt, wie man die Mafia bekämpfen kann: Man muss an ihre Gewinne ran. Ohne verdeckte Ermittler und Telefonüberwachung geht da nichts
Bayern macht im Kampf gegen die Mafia und andere Gruppen der Organisierten Kriminalität beständig Fortschritte. „Wir fangen nicht nur kleine Fische. Gerade im Kampf gegen das Kokain waren die Kollegen zuletzt sehr erfolgreich“, sagt der Münchner Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle im Interview mit unserer Redaktion. Kritik an der Arbeit der Sicherheitsbehörden, wie sie jüngst von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze in Kempten vorgetragen wurde, lässt er nicht gelten. „Wenn die Grünen die Mafia besser bekämpfen wollen, dann müssen sie verdeckte Maßnahmen politisch mittragen.“Telekommunikationsüberwachung und der Einsatz verdeckter Ermittler seien unverzichtbar.
Herr Röttle, als Generalstaatsanwalt in München sind Sie Chef aller Strafverfolgungsbehörden im Süden Bayerns. Können Sie uns sagen, wie stark die Mafia hier ist? Der Journalist und Präsident des Vereins „Mafia? Nein, Danke!“, Sandro Mattioli, hat kürzlich bei einer Podiumsdiskussion in Kempten gesagt, dass das Allgäu nicht nur „Ruheraum“, sondern „Aktionsraum“der Organisierten Kriminalität (OK) sei.
Reinhard Röttle: Es ist richtig, was Herr Mattioli sagt. Und ich freue mich, wenn dieses Thema in der Zivilgesellschaft diskutiert wird. Grundsätzlich gilt: Die Organisierte Kriminalität ist überall dort aktiv, wo es entsprechende Gewinne zu machen gibt. Deshalb wäre es naiv zu meinen, Bayern sei kein Aktionsraum. 2018 gab es beim Bundeskriminalamt 13 Verfahren mit MafiaBezug, davon sieben in Bayern. Aktuell sind es laut LKA noch vier. Eine nennenswerte Steigerung solcher Fälle gibt es allerdings nicht. Die Fallzahlen sind seit Jahren relativ konstant.
Sieben von 13? Das klingt hoch. Ist der Fahndungsdruck in Bayern höher oder liegt es an der Nähe zur Grenze? Röttle: Vermutlich gilt beides. Drogendelikte zum Beispiel werden kaum zur Anzeige gebracht. Da muss man aktiv danach suchen. In Bayern spielt dabei die gut funktionierende Schleierfahndung entlang der Grenze eine besondere Rolle, ebenso die enge Vernetzung aller beteiligten Behörden: Landes- und Bundespolizei, der Zoll und die Staatsanwaltschaften arbeiten hier enger zusammen als anderswo in Deutschland.
Es geht bei Organisiertem Verbrechen also hauptsächlich um Drogen? Röttle: Überwiegend ja. Wenn Herr Mattioli sagt, dass man die Mafia am besten dadurch bekämpft, dass man kein Kokain konsumiert, dann stimmt das. Wir haben es im grenznahen Bereich aber auch immer wieder mit Falschgeld aus Oberitalien zu tun oder zum Beispiel mit der Verschiebung hochwertiger Mietwagen.
Es gab jüngst spektakuläre Kokainfunde in Bananenkisten sowohl in Landshut als auch in Neu-Ulm. Steckt da die italienische Mafia dahinter?
Röttle: Nein. In diesen Fällen führen die Spuren nach Albanien und Südamerika. Das Problem bei der Strafverfolgung ist aber immer das gleiche: Es geht darum, an die Hintermänner ranzukommen.
In Kempten wurde der Vorwurf erhoben, Polizei und Staatsanwaltschaft würden immer nur die konkrete Straftat sehen, aber viel zu selten die Frage stellen, ob Organisierte Kriminalität dahintersteckt.
Röttle: Diese Kritik kann ich nicht so stehen lassen. Wir fangen nicht nur kleine Fische. Gerade im Kampf gegen das Kokain waren die Kollegen zuletzt sehr erfolgreich. Wir machen Fortschritte und stehen in der OKBekämpfung besser da als noch vor zwei Jahren. Das liegt auch an unserem „Traunsteiner Modell“, das wir neben Traunstein jetzt auch in Kempten und Landshut eingerichtet haben.
Was bedeutet dieses Modell konkret? Röttle: Das bedeutet, dass wir bei diesen Staatsanwaltschaften alle Verfahren von grenzüberschreitender Kriminalität in einer Abteilung konzentrieren. Wenn wir einen Drogenkurier festnehmen, dann fragen wir: Wo kommt er her? Wohin fließt das Geld? Wer bekommt den Profit? Je besser vernetzt Ermittler in solchen Fällen sind, umso größer sind die Erfolgsaussichten. Ergänzt wird das durch internationale Zusammenarbeit. Wir haben bereits ein Kooperationsabkommen mit der Region Trentino-Südtirol, über weitere derartige Abkommen wird verhandelt. Wenn sich die Kollegen über Grenzen hinweg persönlich kennen und austauschen, dann nutzt das allen. So können wir Schritt halten mit der internationalen Vernetzung der Organisierten Kriminalität.
Dem Landeskriminalamt sind 136 Personen mit Wohnsitz in Bayern bekannt, die der italienischen Mafia zugeordnet werden. Wie gefährlich sind die Leute? Röttle: Wir wissen, dass sie hier sind, so wie wir wissen, dass auch potenziell Kriminelle aus Albanien, Russland oder Tschetschenien hier sind. Kriminelle Clanstrukturen wie in einigen anderen Bundesländern gibt es in Bayern aber nicht. Polizei und Verfassungsschutz beobachten die Lage. Konkrete Ermittlungen allerdings können erst bei einem konkreten Verdacht eingeleitet werden. Und Sie dürfen nicht vergessen: Es gibt auch immer wieder Kleinkriminelle, die damit prahlen, einen einflussreichen Onkel in Sizilien zu haben. Da ist nicht selten ein gewisses Posing dabei. Für Staatsanwälte kann es in einem Strafverfahren am Ende aber nur um gerichtsverwertbare Fakten gehen.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze fordert ein besseres Analyseund Berichtswesen bei den Sicherheitsbehörden.
Röttle: Wir verschließen nicht die Augen und die Polizei verschließt nicht die Augen. Wir entwickeln uns beständig weiter. Zuletzt haben wir eine zentrale Koordinierungsstelle für Vermögensabschöpfung eingerichtet. Wir nutzen alle Ermittlungsmöglichkeiten der Strafprozessordnung. Unverzichtbare Ermittlungsinstrumente sind dabei die Telekommunikationsüberwachung, aber auch der Einsatz verdeckter Ermittler. Wichtige Erkenntnisse liefern daneben häufig Informanten und Kronzeugen. Ohne diese Maßnahmen, gegen die es ja gerade von Seiten der Grünen immer wieder Bedenken gibt, könnten wir die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität einstellen. Wenn die Grünen die Mafia besser bekämpfen wollen, dann müssen sie verdeckte Maßnahmen politisch mittragen.
Gibt es ein zusätzliches Instrument, das Sie sich als Praktiker wünschen? Röttle: Ja. Wir sollten meiner Meinung nach bei der Abschöpfung von Vermögen mehr in Richtung Beweislastumkehr kommen. Bisher müssen wir beweisen, dass zum Beispiel beschlagnahmtes Bargeld ungeklärter Herkunft kriminell erworben wurde. Wenn der Verdächtige nachweisen müsste, dass er das Geld legal erworben hat, wäre es für uns einfacher. OK-Bekämpfung heißt Gewinnabschöpfung. Wenn wir Gewinne sichern können, werden illegale Geschäfte für Kriminelle zunehmend uninteressant.
Interview: Uli Bachmeier