Trump twittert seinen Justizminister in Rage
William Barr ist ein treuer Anhänger des Präsidenten. Umso bemerkenswerter, dass ihm nun der Kragen geplatzt ist
Washington Die tägliche Tirade wütender Tweets aus dem Weißen Haus geht vielen Amerikanern auf die Nerven. Angeblich haben seine Berater den Präsidenten deshalb schon öfter zur Zurückhaltung gemahnt – freilich nur hinter verschlossenen Türen. Am Donnerstag aber forderte Justizminister William Barr seinen Chef Donald Trump vor laufender Kamera auf, das Twittern einzustellen: „Ich kann meinen Job hier nicht machen mit dauernden Hintergrundkommentaren, die meine Arbeit unterlaufen.“
Die Intervention ist bemerkenswert, denn Barr ist ein enger Vertrauter von Trump, und der Präsident hatte ihn via Twitter keineswegs bepöbelt. Im Gegenteil: Er dankte ihm dafür, dass er sich eines Falls angenommen habe, „der völlig außer Kontrolle geraten war“. Es geht um den Prozess gegen den zwielichtigen Politikberater Roger Stone. Sieben bis neun Jahre sollte Trumps einstiger Strippenzieher nach dem Willen der Staatsanwaltschaft hinter Gitter – unter anderem wegen Falschaussage und Zeugenbeeinflussung. „Sehr schrecklich und unfair“sei die vorgeschlagene Strafe, wütete der Präsident in einem Tweet: „Ich kann diese juristische Fehlgeburt nicht erlauben!“Tatsächlich ruderte das Justizministerium kurz darauf zurück und reduzierte die geforderte Haftzeit drastisch. Das gab nicht nur einen Aufschrei in den amerikanischen
Medien. Auch die vier verantwortlichen Staatsanwälte traten aus Protest von dem Fall zurück oder kündigten ganz ihren Job.
Für die Demokraten ist die politische Einflussnahme auf die Justiz offensichtlich. Sie haben Barr vor den Justizausschuss des Repräsentantenhauses geladen. In dieser Situation wirkt die Kritik des Ministers an den Trump-Tweets mehr wie eine Rechtfertigung als wie eine Distanzierung. Barr betont in dem Interview mit dem Fernsehsender ABC nämlich, er habe bereits vor der Trump-Intervention eine Änderung des Strafmaßes veranlasst. „Der Präsident hat mich niemals zu irgendetwas aufgefordert“, behauptet er. Doch Barr hat sich in der Vergangenheit als treuer Trump-Verteidiger
profiliert. „Das Justizministerium wird geführt wie die Anwaltskanzlei der Trump-Familie“, sagte Rick Wilson, ein früherer Parteistratege der Republikaner. So hatte Barr den Präsidenten nach der Russland-Untersuchung pauschal vom Vorwurf der Justizbehinderung freigesprochen, obwohl Sonderermittler Mueller das Gegenteil nahelegte. Nach der Einstellung des Amtsenthebungsverfahrens ist Trump endgültig überzeugt, dass er die absolute politische und juristische Macht in den USA besitzt. Vor diesem Hintergrund ist mit einem gerechten Urteil für Stone nicht mehr zu rechnen. Und selbst für den Fall einer Verurteilung seines ExKumpels hat der Präsident schon eine Begnadigung angedeutet.