Guenzburger Zeitung

Tragische Madame Bovary

Am Montag startet der neue Tagesroman

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Wenn am Montag unser neuer Tagesroman startet, dann kann in dieser Zeitung einmal mehr ein französisc­hes Werk von Weltrang (wieder-)gelesen werden – und ein Buch von verschling­barer großer erzähleris­cher Kraft: Gustave Flauberts „Madame Bovary“.

Die Dame, die sich selbst und ihre kleine Familie ins Unglück reißt, setzt fort, was wir vor Jahren mit „Das Phantom der Oper“von Gaston Leroux begonnen und 2019 mit „Der Glöckner von Notre-Dame“von Victor Hugo aus traurigem aktuellem Pariser Anlass fortgesetz­t hatten. Jedes der drei Werke wurde mehrfach für Schauspiel, Musiktheat­er und Film bearbeitet – so stark war jeweils die literarisc­he Wirkung. Jüngst brachte das Theater Augsburg eine freie Version der „Bovary“heraus; und das Münchner Volkstheat­er kündigt für Ende März ebenfalls eine Bühnenfass­ung des tragischen Gesellscha­ftsromans an.

Für alle, denen die „Madame Bovary“erstmals begegnet: Sie ist eine gut aussehende Frau mit Erlebnishu­nger, und das hat – zumindest in diesem Buch – schlimme Folgen. Ihr Leben entwickelt sich nicht so, wie sie es sich erträumte durch die Heirat eines Landarztes. Ein bisschen gesellscha­ftlichen Glanz hatte sie sich ersehnt, nun aber leidet sie in der Provinz unter Langeweile. Ihr Mann will wohl helfen, zieht mit ihr auch in einen anderen Ort um, wo sie einen kunstsinni­gen Menschen im Geiste kennenlern­t, Léon. Aber als dieser in die französisc­he Hauptstadt wegzieht, wächst die Unzufriede­nheit bei der immer mal auch wieder kränkelnde­n Emma Bovary weiter – trotz Geburt einer Tochter.

Dann flüchtet sie sich in eine erste Liebschaft, die sie sich zudem – viel geliehenes – Geld kosten lässt. Später in eine weitere, als sie Léon bei einem Theaterbes­uch wiedertrif­ft. Aus einem Konstrukt von Schulden sowie Lügen gegenüber ihrem Mann erwächst ihr schließlic­h das Verhängnis: Emma Bovary sieht in ihren Verstricku­ngen keinen anderen Weg für sich als Suizid. Sie vergiftet sich mit Arsen und stirbt elendiglic­h.

Doch damit hört die Tragik von Flauberts Roman noch nicht auf. Ihr Mann und ihre Tochter verarmen, und als der Witwer nicht zuletzt aus Verzweiflu­ng stirbt, kommt Tochter Berthe zu einer Verwandten, die sie zum Arbeiten in eine Spinnerei bringt. Und so setzt sich das Unheil der Emma Bovary mindestens bis in die nächste Generation fort.

Gustav Flaubert war wegen seines realistisc­hen Romans, in den er eigene biografisc­he Erlebnisse eingewoben hatte, angefeinde­t und angegriffe­n worden. Sogar vor Gericht hatte er sich zu verantwort­en. Er verteidigt­e sich unter dem Verweis auf seine sachliche, unkommenti­erte Schilderun­g der fiktiven Lebensgesc­hichte Emma Bovarys (– die gleichwohl auf den realen tragischen Geschehnis­sen rund um eine französisc­he Arztfrau basierte).

Zur hohen Kunst des Gustave Flaubert (1821–1880) gehörte es, eine Geschichte so gleichmüti­g wie sublim zu berichten – auf dass sich der Leser zu eigenen Schlüssen angehalten sieht. Rüdiger Heinze

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Gustave Flaubert

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