Alter Baustoff, neu interpretiert
Vom einfachen Backstein zum Hightech-Baustoff
Zukunftsträchtig und nachhaltig bauen – da fällt einem spontan der natürliche Baustoff Holz ein. Doch auch künstlich hergestellte Produkte wie Ziegel haben sich an die klimatischen sowie baukulturellen Anforderungen angepasst. In den vergangenen 50 Jahren wurde aus einem einfachen Backstein ein hochmoderner Baustoff, der viele Verwendungsmöglichkeiten bietet.
Konsequente Forschung und Entwicklung brachten im Laufe der Zeit innovative Produkte unter dem Namen Poroton hervor. Die Erfindung des Lochziegels und die Zugabe von Porosierungsmitteln machten den Ziegel leichter und wärmedämmender. Hinzu kamen das zeitsparende Planziegelverfahren und im Jahr 2018 werkseitig vorgefertigten Ziegelwand-Elemente, die auf der Baustelle nur noch versetzt werden müssen. Dies ist eine Möglichkeit für moderne Bauunternehmer, enge Termin- und Zeitpläne ohne Einschränkungen zu bewältigen.
Der Ziegel ist heute besonders vielseitig. Er bringt Tragfähigkeit, Feuchteschutz, Brandschutz, Schallschutz, Wärmeschutz, Wohngesundheit und viele weitere Eigenschaften unter einen Hut. Als Hightech-Produkt kann Ziegel auch die strengsten Anforderungen, die man heute an energieeffiziente Baustoffe stellt, mühelos erfüllen. So gelang der Wandel vom kleinformatigen mittelalterlichen Backstein zum großformatigen modernen Hochlochziegel.
Die Einführung einer wärmedämmenden Füllung im Jahr 2000 eröffnete neue Möglichkeiten. Beim Hausbau werden hierzulande traditionell Lochziegel verwendet. Die Löcher machen einerseits den Baustoff leichter und sorgen andererseits für Dämmung. Bei vielen modernen Ziegelsteinen findet sich zusätzlich eine in den Löchern integrierte Dämmung. Ein Beispiel ist die bei der Aichacher Firma Schlagmann verwendete Füllung aus Perlit, einem natürlichen Vulkangestein.
Perlitverfüllter Ziegel dämmt so stark, dass man daraus sogar Passivhäuser oder Plusenergiehäuser bauen kann. Im Friedberger Ortsteil Hügelshart entstand so eine ganze Siedlung mit Gebäuden, die als Effizienzhaus Plus konzipiert wurden. Effizienzhäuser Plus erfüllen die hohen Anforderungen an den Niedrigst-Energiestandard. Sie speichern überschüssigen Strom aus Sonnenenergie und nutzen diese optimal mithilfe eines intelligenten Energiemanagements. Das Effizienzhaus Plus kann dazu beitragen, dass die Energiewende auch im Bereich der Gebäude immer weiter umgesetzt wird. Eine der vielen Herausforderung unserer Zeit liegt darin, deutlich schneller zu bauen, damit die Lücke auf dem Wohnungsmarkt nicht noch größer wird. Im Rahmen eines speziellen Verfahrens werden Ziegelwände in unterschiedlichen Mauerstärken seriell gefertigt. Hierbei werden die Wände nicht gemörtelt, sondern verklebt. Die Vorteile des hochwertigen Ziegelmassivbaus werden mit der automatisierten Serienfertigung kombiniert.
Der Zuschnitt von Dachschrägen sowie Fenster- und Türöffnungen erfolgt im Werk, sodass die vorgefertigten Ziegelwände auf der Baustelle nur noch montiert werden müssen. Auf diese Weise lassen sich mehrgeschossige Bauten innerhalb weniger Tage mit vergleichsweise geringem Personalaufwand errichten.
Erfahrungen haben gezeigt, dass ein Facharbeiter und zwei Hilfskräfte ausreichen, um ein Stockwerk pro Tag zu errichten. Ein weiterer innovativer Ansatz, um den Fachkräftemangel in der Baubranche zu kompensieren, ist der Einsatz künstlicher Intelligenz. Ein auf Ziegelmauerwerk spezialisierter Roboter kann rund 1000 Ziegel pro Stunde verbauen. In der Robotertechnik liegt die Chance, mit dem Low-Tech Image der Branche aufzuräumen und mehr „Digital Natives“für einen Beruf am Bau zu begeistern. pm