Wie lange Erholungen an der Börse brauchen
Die Corona-Epidemie hat die Kurse auf Talfahrt geschickt. Frühere Abstürze zeigen, dass es nach vier Monaten für Dax und andere Indizes wieder aufwärtsgeht. Es kann aber auch Jahre dauern
Berlin Freier Fall an den Börsen. Das Coronavirus sorgt an den Kapitalmärkten für enorme Verwerfungen. Der Deutsche Aktienindex verbuchte schon vor einigen Tagen den zweitgrößten Verlust seiner Geschichte. Ein Blick in die Geschichte der Börsencrashs zeigt, dass die Anleger wohl noch bange Monate vor sich haben. Die Großbank Goldman Sachs und der Wirtschaftsnachrichtensender CNBC haben für die USA die Einbrüche an der Wall Street untersucht. Im Schnitt dauert es vier Monate, bis sich die Erholung durchgesetzt hat. Dieser Wert ergibt sich aus 26 Abstürzen, die der Index der 500 größten börsennotierten US-Unternehmen (S&P 500) seit dem Zweiten Weltkrieg hingelegt hat.
Ob der Corona-Kollaps bald überwunden werden kann, wird davon abhängen, ob das Virus eine globale Wirtschaftskrise auslöst oder nicht. Taumelt die Weltwirtschaft in einen schweren Abschwung, dürfte es mehrere Jahre dauern, bis die Verluste aufgeholt sind. Für den wichtigsten deutschen Aktienindex Dax gibt es weniger Anschauungsmaterial aus der Vergangenheit, weil er erst 1988 aufgelegt wurde. Seinen bisherigen Höchststand von knapp 13800 Punkten erreichte er Mitte Februar und fiel seitdem zwischenzeitlich auf unter 8500 Punkte. Abermilliarden an Börsenwert wurden dadurch vernichtet. Die große Finanzkrise vor über zehn Jahren ist ein Beispiel dafür, wie langwierig es sein kann, eine schwere Rezession abzuschütteln. Ab Mitte 2007 bröckelten die Kurse von den damaligen Höchstständen ab, weil erste Nachrichten
das bevorstehende Platzen der Blase am US-Immobilienmarkt nach Europa schwappten. Erst im Frühjahr 2013 hatte der Dax das alte Niveau wieder erklommen. An die Finanzkrise hatte sich in Europa die Schuldenkrise angeschlossen, die die Erholung am Finanzmarkt bremste.
Ähnlich lange dauerte die Aufholjagd nach dem Untergang des Neuen Marktes im Jahr 2000, als es ein Volkssport war, blind Aktien von Unternehmen zu kaufen, die nach
Internet und Technologie klangen. Seinerzeit verloren viele Kleinanleger ihr Erspartes, die zu spät aus dem Boom ausgestiegen waren. Erst ab dem Frühjahr 2003 zeigte der Dax wieder nach oben. Weitere vier Jahre dauerte es, bis die alten Rekorde erreicht waren.
Andere Einschnitte wie der Crash von August 1991, als der Kurs um beinahe zehn Prozent nachgab, weil kommunistische Hardliner den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow stürzen wollten, waren hingegen schon nach wenigen Wochen verdaut.
Wie die Krise dieser Tage für Aktionäre ausgeht, ist offen. Notenbanken und Regierungen stemmen sich energisch dagegen, dass die Realwirtschaft der Börse folgt und in eine schwere Corona-Rezession rutscht. US-Präsident Donald Trump lässt ein gewaltiges Konjunkturpaket im Umfang von einer Billion Dollar vorbereiten. Es soll vor den Wahlen im November verhindern, dass der jahrelange Aufschwung der größten Volkswirtschaft des Planeten zu Ende geht.
Die Bundesregierung will ebenfalls klotzen, wie es Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ausdrückte, um eine Pleitewelle von Firmen zu verhindern. Die Lektion aus der Euroüber krise, die Deutschland und seine nordeuropäischen Verbündeten gelernt haben, lautet, dass die Wirtschaft in Krisenzeiten mit Geld geflutet werden muss. Während Europa und die USA den Höhepunkt der Infektionen noch vor sich haben, kommen aus China erste positive Meldungen. Die Regionalregierung in Schanghai erklärte, dass 85 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen ihre Arbeit wieder aufgenommen haben. Der
In China starten die ersten Werke wieder
tägliche Kohleverbrauch der sechs größten Stromerzeuger liegt jetzt bei etwa drei Viertel des Vorjahresverbrauchs, wie die Commerzbank berichtet. Die meisten VW-Werke in China konnten ihre Produktion mittlerweile wieder anfahren.
Für Aktionäre heißt es jetzt, geduldig zu sein und darauf zu warten, dass die Abwärtsspirale zu einem Ende gelangt und die Zuversicht an die Märkte zurückkehrt. Für Anleger, die überlegen, ob sie jetzt wegen der Tiefststände einsteigen sollten, gilt das Gleiche. „Fange niemals ein fallendes Messer“heißt die Weisheit der Börsenprofis.