Ministerium pfeift Landratsamt zurück
Großzügigere Günzburger Regelung wurde kassiert – aber nicht für sehr lange
Günzburg Das Landratsamt Günzburg scheint zum Trendsetter zu werden: Bis Samstag galt in der Coronakrise die Regelung, dass Eltern, die in sogenannten systemrelevanten beziehungsweise systemkritischen Berufen tätig sind, auf eine staatliche Notfallbetreuung ihrer Kinder zurückgreifen können.
So soll auf alle Fälle in jeder Schule (Klassenstufen eins bis sechs) und in jeder Kita diese Notfallbetreuung für Kinder aus Familien gewährleistet werden, in denen ein alleinerziehender Elternteil als Pfleger, Arzt, bei Polizei oder Feuerwehr und so weiter tätig ist. Zu den Bereichen der kritischen Infrastruktur zählen insbesondere die Gesundheitsversorgung, Pflege, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr und die Sicherstellung der öffentlichen Infrastrukturen. Das gleiche Verfahren wird angewandt, wenn beide Elternteile zu den oben genannten Berufsgruppen gehören. Ist nur ein Elternteil betroffen, sollte der Partner die Betreuung zuhause übernehmen.
Die Notfallbetreuung erstreckt sich auf den Zeitraum der regulären Unterrichtszeit oder aber der gebuchten Betreuungszeit in Kitas.
Natürlich dürfen diese Kinder keine Krankheitssymptome aufweisen, sich zuletzt nicht in einem Risikogebiet aufgehalten haben und nicht in Kontakt zu infizierten Personen stehen.
Der Landkreis Günzburg wollte den betroffenen Personen weiter entgegenkommen. Christoph Langer, der im Landratsamt die Führungsgruppe Katastrophenschutz leitet, machte das auf Nachfrage an einem Beispiel deutlich: „Es kann ja durchaus sein, dass beide Elternteile arbeiten, der Mann zum Beispiel in der freien Wirtschaft, die Frau als Pflegekraft im Krankenhaus. Wenn dann einer von beiden zuhause bleiben muss, um die Kinder zu betreuen, wird es vermutlich derjenige mit dem geringeren Verdienst sein.“
Das Landratsamt wollte mit einer weiter gefassten Regelung helfen, dass mögliche Versorgungsengpässe nicht wegen der strikten Bestimmungen
entstehen. Für Ärzte, Pflegepersonal, Polizei und Rettungsleitstelle galt deshalb (seit vergangenen Mittwoch und bis Freitag), dass es reicht, wenn ein Elternteil einen dieser in der Coronakrise essenziellen Beruf ausübt.
Vier Angehörige hatten sich in den eineinhalb Tagen nach Bekanntwerden der Günzburger Regelung gemeldet und wollten sie in Anspruch nehmen. Doch dem schob nach unseren Informationen das Sozialministerium (für die Kindergärten zuständig) nach einer Telefonkonferenz einen Riegel vor. Die Allgemeinverfügung, die auch die Notbetreuung der Kinder stark reglementiert, würde durch die praktische Umsetzung à la Günzburg konterkariert, lautete ein Argument. Dass der Landkreis seine Praxis ändern müsse, schärfte dem Vernehmen nach auch der schwäbische Regierungspräsident Erwin Lohner in einem Telefongespräch am Freitag Günzburgs Landrat Hubert Hafner ein.
„Wir wollten in sehr engem Rahmen eine flexiblere Möglichkeit der Kinderbetreuung für Eltern schaffen, deren Berufsausübung derzeit für die Gesellschaft so wichtig ist“, bedauerte Langer, dass das Landratsamt zurückgepfiffen worden ist. Das war am Samstag. Seit Sonntag sieht es nun doch wieder anders aus:
Nach den Worten von Roman Gepperth, Fachbereichsleiter Öffentliche Sicherheit und Ordnung, ist es inzwischen Ärzten und Pflegepersonal gestattet, ihre Kinder zur staatlich organisierten Notfallbetreuung in die Kita oder die Schule zu schicken, wenn nur ein Elternteil in einem Beruf tätig ist, der für die Gesundheitsversorgung oder die Sicherheit der Bevölkerung wichtig ist. Im Kreis Günzburg nehmen zurzeit neun Schulkinder und 47 Mädchen und Buben in Kitas die Notfallbetreuung in Anspruch.
Neben dem Hin und Her wartet das Katastrophenschutzteam auf ausreichenden Materialnachschub beispielsweise an Schutzanzügen, Mundschutz und Desinfektionsmitteln. Auch der Bezirksregierung war Beobachtern zufolge am Samstag noch nicht klar, wo sich die angekündigten, zentral gesteuerten Lieferungen befinden.