Eine einsame Insel
Corona und wir Ein Großteil der Arbeit in einer Redaktion besteht aus Kommunikation. Doch wie soll das gehen, wenn keiner mehr im Büro ist?
Jetzt ist es also so weit. Ich höre Stimmen. Sie flüstern etwas von Corona – was auch sonst. Außer mir ist niemand im Büro in diesen Tagen. Die meisten Kollegen machen Homeoffice, nur ein paar wenigen begegnet man noch im Treppenhaus. Ansonsten: Leere. Womöglich ist der NachrichtenDesk unserer Redaktion, also der lange Tisch, an dem an normalen Tagen keine zwei Minuten Ruhe herrscht, gerade der sicherste Ort in ganz Deutschland. Mehr „social distancing“geht quasi nicht.
Ein paar Bildschirme leuchten noch blau, jemand hat vergessen, sie auszuschalten. Twilight. Ein bisschen unheimlich. Und jetzt auch noch diese Stimmen, dieses Wispern. Bestimmt nur Einbildung. Oder? Verfluchtes Corona! Ich gehe durch die Schreibtischreihen. Typisch, Kollege X hätte ruhig mal seine ganzen leeren Wasserflaschen mitnehmen können. Und wer gießt eigentlich die Orchideen von Kollegin Y? Die war auch schon mal frischer ... also die Orchidee. Irgendwann fällt mir auf: Da steht ein Radio! Und es läuft! Der schwarze Apparat sieht aus wie ein alter Weltempfänger, redet ohne Unterlass und wirkt mit seinen Knöpfen und der langen Antenne wie aus einer anderen Zeit. Aber was heißt das schon in diesen Tagen? „Früher“ist in Corona-Zeiten gerade einmal ein paar Wochen her – seither ist nichts mehr, wie es war. Wer hätte sich vor einem Monat vorstellen können, dass Texte für die Zeitung und das Internet nicht mehr im Redaktionsgewusel entstehen, sondern im besten Fall im heimischen Arbeitszimmer, im eher schlechten Fall am Küchentisch? Der Arbeitsalltag in einer Redaktion besteht zu großen Teilen aus Kommunikation. Ein schneller Zuruf über den Schreibtisch: Wer kann sich um das Thema kümmern? Eine Konferenz mit anderen Ressorts: Was plant ihr für das Wochenende? Wer recherchiert was? All das geht nicht mehr so einfach. Aber es muss gehen. Nur eben anders. Wir installieren Messenger-Dienste auf unseren Handys, ständig piepst das Mistding. Was früher ein beiläufiger Satz war, wird jetzt ein ausufernder Tipp-Einsatz. Und wie schaltet man eigentlich diese Auto-Korrektur ab? Verfluchtes Corona!
In der Kantine haben sie Aufkleber auf den Boden gepappt, die anzeigen, wie groß der Abstand sein muss. Abstand von wem eigentlich? Essen gibt es nur noch zum Mitnehmen. Also zurück an den Platz. Die Tür geht auf, ein Kopf wird durch den Schlitz gesteckt, der Restkörper bleibt sicherheitshalber im Gang. „Sind Sie ganz alleine hier?“, fragt der Besucher. Die Augen sind groß. Er lacht und schüttelt ungläubig den Kopf. Isolation mitten im Büro. Verfluchtes Corona!
An dieser Stelle berichten Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion von ihrem Alltag in Zeiten von Corona.