Mit der Eleganz einer Nilpferdherde
Das Schöne an unserer Demokratie ist, dass jeder zu fast allem seine Meinung sagen darf – und sei sie auch der größte Stuss. Faris AlSultan ist eine weit über Triathlonkreise hinaus bekannte Persönlichkeit. Der Münchner mit irakischen Wurzeln war 2005 Hawaii-Sieger und ist jetzt Triathlon-Bundestrainer. Vor allem ist er aber Privatperson. Denn als solche nehme er für sich das Recht in Anspruch, seine Meinung frei zu äußern, sagt Al-Sultan über Al-Sultan.
In den sozialen Netzwerken, vorzugsweise auf Twitter, postet und teilt der Bundestrainer seit einigen Wochen jede Menge kritischer Beiträge zum Umgang der Politik mit der Corona-Pandemie. Einiges davon bewegt sich im Dunstkreis gängiger Verschwörungstheorien. Es ist die Rede von den „Vögeln in Berlin“, denen mitgeteilt werde, dass jetzt Schluss mit lustig sei. Es geht um die Hoffnung, „dass das Volk aufwacht und den Druck erhöht“. Es taucht die (richtige) Feststellung auf, dass einige Menschen stärker auf das Virus reagierten als andere – ganz wie bei einem Bienenstich. Al-Sultan fragt also: „Töten wir deshalb alle Bienen?“Oder die Stelle, an der er sich dem bayerischen Ministerpräsidenten widmet, der von Machtfülle berauscht, freudvoll verkünde, alles, „vor allem aber uns und seine Lakaien im Kabinett“im Griff zu haben. Oder: „Ich schäme mich für ein Volk, das nach einem verlorenen Weltkrieg unter einer imperialen Monarchie, einem noch größeren verlorenen Weltkrieg unter einer Nazidiktatur und einer sozialistischen Diktatur immer noch die Hände an die Hosennaht legt und „Jawohl, mein Führer!“, schreit statt sich zu besinnen, dass die Momente, in denen es kontroverse Diskussionen mit Entscheidungen aus einem breiten Meinungsspektrum heraus gab, sicher die besseren Momente waren.“Der FAZ sagte Al-Sultan jüngst, er sei kein Verschwörungstheoretiker. Aber jemand, der mit dem Kurs der Regierung nicht mehr übereinstimme und jetzt eben etwas sagen müsse.
Es ist leicht, viel zu sagen, wenn man nichts entscheiden muss. Kritik ist wichtig, natürlich. Es gibt aber eine gar nicht schwer erkennbare Grenze zwischen Polemik und Kritik. Al-Sultan trampelt mit der Eleganz einer Ein-Mann-NilpferdHerde auf dieser Grenze herum. Und wirbelt dabei jede Menge Staub auf. Sein Arbeitgeber, die Deutsche Triathlon Union, hat sich offiziell von Al-Sultans privaten Äußerungen distanziert, könne diese aber nicht verbieten oder sanktionieren. Ende des Jahres endet das Arbeitsverhältnis. Schwer vorstellbar, dass es nach all dem Stuss verlängert wird.