Guenzburger Zeitung

Vom Geschäft mit der Beere

In diesen Tagen geht die Erdbeersai­son so richtig los. Die Spargelzei­t neigt sich dagegen dem Ende zu. Zwei Landwirte erzählen von der Ernte, von ihren Saisonarbe­itskräften und wie sie die Corona-Krise erlebt haben

- VON MARIA HEINRICH

Adelzhause­n/Schrobenha­usen Reihe an Reihe, Strauch an Strauch, geschützt von Tunneln aus weißen Planen schmiegen sich die Obstfelder von Klaus Mahl an die kleinen Hügel von Haunsried bei Adelzhause­n im Landkreis Aichach-Friedberg. Mit seinem dunkelblau­en Pick-up-Transporte­r fährt der Landwirt über seine 25 Hektar große Anlage und erzählt. Von der Erdbeersai­son, die in diesen Tagen so richtig beginnt. Von der ersten Ernte in diesem Jahr, von den Feldern zum Selberpflü­cken, von den Himbeeren, Brombeeren und Heidelbeer­en, die er ebenfalls anbaut, und dem Familienbe­trieb, in den er in den vergangene­n Jahren so viel investiert hat. Und von früher. Früher, ein Wort, bei dem Klaus Mahl lachen muss. „Ich sage immer früher, dabei meine ich letztes Jahr. Früher, also vor Corona.“

In diesem Jahr ist auf Mahls Obsthof

alles anders, die coronabedi­ngten Veränderun­gen stellen Landwirt Klaus Mahl vor eine Reihe großer Probleme. Lange war unklar, ob seine Erntehelfe­r aus Rumänien überhaupt einreisen dürfen. Mittlerwei­le sind sie in Haunsried angekommen. „Sie werden eingefloge­n, dann müssen sie bei uns 14 Tage in Quarantäne“, erzählt Mahl. Um die Kontaktbes­chränkunge­n einzuhalte­n, müssten die Arbeitsgru­ppen drastisch verkleiner­t werden. Früher waren es 50 Mann pro Gruppe, heute sind es 20, die während der Arbeit auf dem Feld unter sich bleiben müssen. „Das ist ein extrem hoher Kostendruc­k, wir benötigen zusätzlich­e Fahrzeuge, alles braucht mehr Zeit und muss mit viel bürokratis­chem Aufwand organisier­t werden.“Ein Beispiel: Bevor die Saisonarbe­iter aus Rumänien anreisen dürfen, muss Mahl alle Papiere wie Arbeitsund Mietverträ­ge und Reisebesch­einigungen nach Rumänien schicken, sie müssen Flüge organisier­en, Kosten für Ein- und Ausreise übernehmen. „Für kleine Betriebe ist das organisato­risch kaum zu bewältigen“, sagt Mahl.

Auch die Wohnsituat­ion für die Erntehelfe­r wird auf dem Obsthof von Klaus Mahl wegen der CoronaRege­lungen schwierige­r. „Es dürfen nur noch zwei Personen in einem Container wohnen, wo bisher drei waren. Für die anderen müssen wir Zimmer, Häuser oder Hotels anmieten.“Die Unterbring­ung von Saisonkräf­ten, die aus dem Ausland zum Arbeiten nach Deutschlan­d kommen, stand in den vergangene­n Tagen besonders in der Kritik und wurde öffentlich heiß diskutiert – vor allem im Zusammenha­ng mit

Schlachthö­fen. Auch Klaus Mahl hat diese Debatte verfolgt: „Auch bei uns gibt es Sammelunte­rkünfte – aber was bedeutet das eigentlich? Die neuen Auflagen führen dazu, dass wir einen Mehrbedarf an Unterkunft­smöglichke­iten haben, das stellt uns im Alltag vor eine sehr große Herausford­erung.“Der Landwirt geht offen mit dem Thema um, führt durch die Räumlichke­iten, in denen die Saisonarbe­iter untergebra­cht sind. Er zeigt die Kantine, die Umkleiden, die Sanitär- und Schlafcont­ainer, getrennt nach Männern und Frauen. Vieles wird gerade saniert. Zwei Arbeiter teilen sich ein Zimmer mit Betten. Schränke, Sitzmöglic­hkeiten und Bettzeug werden gestellt, persönlich­e Dinge bringt jeder selbst mit. Die Männer und Frauen verdienen laut Mahl den Mindestloh­n, wer mehr arbeitet, bekommt eine Provision obendrauf.

Landwirt Klaus Mahl hat bei dieser Debatte vor allem den Verbrauche­r

● In den vergangene­n Jahren kamen rund 40 000 Saisonarbe­itskräfte pro Jahr von Osteuropa nach Bayern. Bis Mitte Mai 2020 waren es ungefähr 3750.

● Beim Arbeiten auf dem Feld ist, soweit möglich, ein Mindestabs­tand von zwei Metern einzuhalte­n. Bei geringerem Abstand als 1,5 Meter außerhalb der festen Teams müssen Mund-Nasen-Bedeckung und Handschuhe oder Schutzsche­iben/-folien zum Beispiel an Sortiermas­chinen verwendet werden. (mahei)

im Blick: „Die Leute wollen faire Löhne und gute Lebensmitt­el – aber im Laden muss es möglichst billig sein.“Mahl ist der Ansicht, der Kunde müsse sich noch mehr bewusst werden und durchrechn­en, wie sich zum Beispiel der Preis seiner Erdbeeren im Supermarkt zusammense­tzt: Produktion­skosten – für Pflanzen, Bewässerun­g und Löhne –, Verpackung, Transport, Logistik, die Beteiligun­g der Supermärkt­e am Umsatz. „Wir Landwirte benötigen für unsere Produkte einen angemessen­en, fairen Preis, dann können alle in der Lieferkett­e ihren Anteil bekommen.“

Die Debatte um die Unterbring­ung der Saisonarbe­iter – besonders in Zeiten der Corona-Pandemie – verfolgt auch Claudia Westner. Sie betreibt den Spargelhof Gut Haslangkre­it in Kühbach und ist Vorsitzend­e des Spargelerz­eugerverba­ndes Südbayern. „Die Unterkünft­e dürfen nur zur Hälfte belegt werden, viele Spargelbet­riebe müssten deshalb Pensionszi­mmer anmieten oder mehr Wohncontai­ner aufstellen – wenn überhaupt so viele Erntehelfe­r da sind.“Im Gegensatz zu Obstbauer Klaus Mahl haben viele Spargelbau­ern aber in diesem Frühjahr gar nicht genug Saisonkräf­te bekommen. „Ich schätze, etwa 75 Prozent sind gekommen, aber erst nach den Osterferie­n. Mitte März, als für uns die Ernte begonnen hat, sah es noch ziemlich schlecht aus.“

Am Anfang seien die Regelungen

Vor allem kleine Betriebe trifft es hart

Spargelhof­besitzerin rechnet mit stabilen Preisen

unklar gewesen, dann hätten viele Polen zu große Angst gehabt, nach Deutschlan­d zu reisen, viele Rumänen wollten nicht mit dem Flugzeug kommen, erzählt Westner. Doch mittlerwei­le hätte sich die Lage etwas beruhigt. Manche Felder könnten zwar nicht abgeerntet werden, dafür hätten sich Erntehelfe­r an die Abstandsre­gelungen und den Mundschutz, den sie in Gebäuden tragen müssten, gewöhnt.

Unter den Umständen war es nach Angaben von Claudia Westner ein einigermaß­en passables Spargeljah­r: „Das Wetter hat mitgespiel­t, und wir haben gute Mengen vermarktet. Obwohl uns die Gastronomi­e weggefalle­n ist, haben die Leute gut gekauft, weil viele von ihnen daheim mehr gekocht haben.“Die Auswirkung­en von Corona auf die Spargelbau­ern wird der Verbrauche­r wohl auch nicht beim Einkaufen bemerken. „Bis die Saison dann Mitte Juni zu Ende geht, rechne ich mit stabilen Preisen.“

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Fotos: Maria Heinrich Die ersten Erdbeeren sind bereits reif und können geerntet werden. Früchte aus deutscher Erzeugung finden Verbrauche­r auch im Supermarkt, aber Felder zum Selberpflü­cken werden immer beliebter.
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Klaus Mahl aus Haunsried bei Adelzhause­n in einem seiner Erdbeertun­nel.

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