Bedeckt
Trotz aller wuchtigen Hiebe, die derzeit auf uns niederfahren, ist die Corona-Geißel doch auch ein Werkzeug, das Mal um Mal neuen Zusammenhang aus altem WortGestein herauszubrechen imstande ist. Man rücke – Beispiel unter vielen – nur einmal das Auge näher heran an den Begriff „bedeckt“. Was galt er uns bisher?
Bedeckt: Das war unser frisch geputzter Pkw, wenn in einer Frühjahrsnacht ein klebriger Blütenregen herniedergegangen war. Bedeckt war es ständig an den Wochenenden, wenn unser Blick nach oben ging und der Himmel nicht heiter, sondern wolkig zurückschaute. Unserer Erinnerung nach war bedeckt auch eine Verhaltensaufforderung im Italienurlaub, wenn griesgrämige Mesner uns den Zutritt zu schönen Kirchen verweigerten, weil wir in Shirts, Shorts und Badelatschen Marmor und Madonnen bestaunen wollten. Manch einem unter den Älteren kommt auch die Penne in den Sinn, als man noch seinen Goethe auswendig herzusagen hatte: „Bedecke deinen Himmel, Zeus, mit Wolkendunst …“
Verweht sind mittlerweile diese Bedeutungsfelder, stattdessen hat Sars-CoV-2 auch hier die Türen aufgestoßen zu ganz anderen Vorstellungsräumen. Bedeckt: Innerhalb weniger Wochen ist dem Wort erhebliche Brisanz erwachsen, findet der Begriff sich gar im scharfen Feuer politischer Scharmützel wieder. Man denke nur an den Thüringer Ramelow und seine Ankündigung, weitgehend Abschied zu nehmen von der Flächenbedeckung.
Aber auch für uns einfaches Volk ist da eine Frage von gretchenhafter Relevanz entstanden: Wie hältst du es mit dem Bedecken? Maske über Mund und Nase, wo’s nur geht – und damit Gefahr laufen, ob solchen Eifers als Obrigkeitsknecht angeguckt zu werden? Oder lieber freiheitsstolz jede Bedeckung als Zwangsanmaßung verweigern – mit der möglichen Konsequenz, als renitenter Covidiot zu gelten? Schwarz oder weiß, hü oder hott, irgendwo zwischendrin geht hier nicht.
Wie man in diesem Dilemma das Rechte finden soll? Komplizierter Fall. Am Ende am besten, man hält sich bedeckt.