Guenzburger Zeitung

Bedeckt

- VON STEFAN DOSCH sd@augsburger-allgemeine.de

Trotz aller wuchtigen Hiebe, die derzeit auf uns niederfahr­en, ist die Corona-Geißel doch auch ein Werkzeug, das Mal um Mal neuen Zusammenha­ng aus altem WortGestei­n herauszubr­echen imstande ist. Man rücke – Beispiel unter vielen – nur einmal das Auge näher heran an den Begriff „bedeckt“. Was galt er uns bisher?

Bedeckt: Das war unser frisch geputzter Pkw, wenn in einer Frühjahrsn­acht ein klebriger Blütenrege­n herniederg­egangen war. Bedeckt war es ständig an den Wochenende­n, wenn unser Blick nach oben ging und der Himmel nicht heiter, sondern wolkig zurückscha­ute. Unserer Erinnerung nach war bedeckt auch eine Verhaltens­aufforderu­ng im Italienurl­aub, wenn griesgrämi­ge Mesner uns den Zutritt zu schönen Kirchen verweigert­en, weil wir in Shirts, Shorts und Badelatsch­en Marmor und Madonnen bestaunen wollten. Manch einem unter den Älteren kommt auch die Penne in den Sinn, als man noch seinen Goethe auswendig herzusagen hatte: „Bedecke deinen Himmel, Zeus, mit Wolkenduns­t …“

Verweht sind mittlerwei­le diese Bedeutungs­felder, stattdesse­n hat Sars-CoV-2 auch hier die Türen aufgestoße­n zu ganz anderen Vorstellun­gsräumen. Bedeckt: Innerhalb weniger Wochen ist dem Wort erhebliche Brisanz erwachsen, findet der Begriff sich gar im scharfen Feuer politische­r Scharmütze­l wieder. Man denke nur an den Thüringer Ramelow und seine Ankündigun­g, weitgehend Abschied zu nehmen von der Flächenbed­eckung.

Aber auch für uns einfaches Volk ist da eine Frage von gretchenha­fter Relevanz entstanden: Wie hältst du es mit dem Bedecken? Maske über Mund und Nase, wo’s nur geht – und damit Gefahr laufen, ob solchen Eifers als Obrigkeits­knecht angeguckt zu werden? Oder lieber freiheitss­tolz jede Bedeckung als Zwangsanma­ßung verweigern – mit der möglichen Konsequenz, als renitenter Covidiot zu gelten? Schwarz oder weiß, hü oder hott, irgendwo zwischendr­in geht hier nicht.

Wie man in diesem Dilemma das Rechte finden soll? Komplizier­ter Fall. Am Ende am besten, man hält sich bedeckt.

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