Guenzburger Zeitung

„Wir sind noch da und lebendig“

Die Leiterinne­n des Neuen Theaters Burgau, Dörte Trauzeddel und Vera Hupfauer, sprechen über zwei wegen Corona verschoben­e Premieren, den Neustart und wie anders der Betrieb angesichts der Auflagen werden könnte

-

Eigentlich wollten Sie ja diesen Sommer das große Open-Air-Stück „Adelheid – Markgräfin von Burgau“im Schlosshof aufführen. Anfang April sagte der Vorsitzend­e des TheaterFör­dervereins, Robert Baumeister, dass es verschoben werden müsse, sollte es innerhalb von zwei Wochen keine Klarheit für Veranstalt­er geben. Was wird nun aus dem Projekt, Frau Trauzeddel und Frau Hupfauer?

Dörte Trauzeddel: Wir haben es auf nächstes Jahr verschoben. Wir mussten klären, wie sich das auf die Förderung durch den Kulturfond­s auswirkt, aber wir können das Geld wohl dann auch noch abrufen. Einen Chor von 30 Leuten auf der Bühne zu haben, das würde jetzt einfach nicht funktionie­ren.

Vera Hupfauer: Wir müssen noch mit der Stadt besprechen, ob das Stück vielleicht im Zusammenha­ng mit dem Historisch­en Fest aufgeführt werden könnte. Es würde ja gut dazu passen.

Lassen Sie uns bitte etwas teilhaben an dem Stück. Worum geht es? Trauzeddel: Es wurde geschriebe­n von Johanna Franul von Weissenthu­rn und 1806 erstmals am Wiener Burgtheate­r aufgeführt. Die Stücke der Autorin sind in Deutschlan­d und Österreich rauf und runter gespielt worden. Dieses Stück handelt von Adelheid, Markgräfin von Burgau, und ihrer Schwester. Es geht um Macht, Liebe und Vergebung in shakespear­scher Manier. Es war total in Vergessenh­eit geraten, doch der Historisch­e Verein hat es wieder ausgegrabe­n und in Burgau aktuell (das städtische Mitteilung­sblatt, Anmerkung der Redaktion) darüber berichtet. So sind wir darauf aufmerksam geworden. Erzählunge­n, Legenden und Fakten werden darin verwoben. Es ist sehr reizvoll. Natürlich musste man es etwas modernisie­ren. Eine Berliner Autorin, die mit mir zusammen studiert hat, hat das gemacht, und sie wird auch Regie führen. Sieben Schauspiel­er und 30 Laiendarst­eller als Chor werden dabei sein.

Seit wann laufen die Vorbereitu­ngen? Trauzeddel: Seit anderthalb Jahren. Für solch ein Projekt dauert die Vorbereitu­ng recht lange, und wir sind ja nur zu zweit in der Theaterlei­tung. Die Anträge für die Förderung mussten wir schon letztes Jahr stellen, und brauchten schon ein Konzept für das Stück.

Mit „Der Weibsteufe­l“hätte das Neue Theater jetzt ja noch eine weitere Premiere gehabt.

Hupfauer: Wir dachten eine ganze Weile, dass sie stattfinde­n könnte. Aber das Stück ist ganz und gar nicht Corona-geeignet. Es geht um Liebe und Leidenscha­ft, die Schau

kommen sich dabei sehr nahe. Wir dachten zunächst an Ende Mai für die Premiere, wir wollen es jetzt aber Anfang nächsten Jahres bringen. Jetzt ist einfach nicht die richtige Zeit für so ein Stück. Trauzeddel: Zu drei Vierteln waren wir mit den Proben durch, jetzt hätte noch der Feinschlif­f gefehlt.

Was ist denn jetzt überhaupt noch möglich für das Theater? Trauzeddel: Durch die vom Ministerpr­äsidenten angekündig­te Möglichkei­t, dass Theater unter Auflagen wieder öffnen dürfen, mehr, als wir zuletzt gehofft hatten. Wir wollten im Juni oder Juli wenigstens wieder im Theatergar­ten spielen können. Das machen wir jetzt auch. Was wir dort vorhaben, hat den Titel „still alive“. Da steckt drin, dass wir noch da sind, lebendig und dass wir wieder live fürs Publikum spielen wollen. Wir erzählen, wie man eine Krise überlebt. Es soll einen Bezug zur jetzigen Zeit haben, aber nicht unbedingt mit Corona zu tun haben. Da soll auch Komik entstehen. Wir werden in drei Plexiglasz­ellen nebeneinan­derstehen, nach dem Motto eng beinander und doch getrennt.

Sie beide kümmern sich ja hauptberuf­lich ums Theater. Wie waren die Wochen der Schließung für Sie? Hupfauer: Wir haben viel gelesen, für das Herbstprog­ramm überlegt, und mussten viele Ideen wieder verwerfen, weil nicht möglich war, was zunächst möglich schien. Trauzeddel: Ich habe zwei kleine Kinder, die ich managen musste. Wenn der eine Hausaufgab­en machte und der andere schlief, konnte ich etwas arbeiten. Ansonsten haben wir über das Programm Zoom geprobt. Es war alles Improvisat­ion.

Neben dem Neuen Theater haben Sie auch noch andere Engagement­s. Wie sieht es damit aus – und wie geht es mit dem Theater in Burgau weiter? Hupfauer: Ich komme aus der Theaterpäd­agogik und arbeite neben dem Neuen Theater auch an Schulen. Das ging jetzt natürlich nicht mehr. Trauzeddel: Ich spiele ab und an woanders, aber die Aufträge sind jetzt erst mal weg. Als Theater steht uns das Wasser noch nicht ganz bis zum Hals, da wir die glückliche Konstellat­ion haben, durch den Fördervere­in, die Stadt und Spender unterstütz­t zu werden. In den letzten Wospieler chen haben auch viele Geld gegeben, wir konnten Gutscheine verkaufen, nur wenige wollten die Eintrittsg­elder zurückhabe­n. Auch gab es eine Corona-Soforthilf­e für das Theater. Sonst haben wir den Nachteil, keine festen Mitarbeite­r zu haben, das war jetzt ein Vorteil. Wir beschäftig­en die Schauspiel­er nur projektwei­se, ebenso Techniker, Grafiker und viele mehr, die trifft die Krise natürlich hart.

Hupfauer: Auch die Gastspiele bei uns sind weggefalle­n, ein großer Verlust für viele Schauspiel­er. Ein Teil der Spenden haben wir an sie weitergege­ben.

Trauzeddel: Da geht es uns beiden noch relativ gut im Vergleich.

Wie soll es jetzt mit dem Theaterbet­rieb weitergehe­n?

Hupfauer: Wir werden natürlich Einbußen haben, wenn wir wieder öffnen dürfen und nicht mehr so viele Zuschauer kommen dürfen. Aber wir sind froh, überhaupt wieder spielen zu können. Die Fläche ist bei uns recht groß, sodass das Abstandhal­ten kein Problem ist. Aber die Leute anzuspiele­n, wenn sie so weit verstreut sitzen, könnte schon schwierige­r werden. Was wir noch gar nicht einschätze­n können: Werden die Leute hungrig nach Theater sein oder doch noch vorsichtig? Trauzeddel: Was man nicht unterschät­zen darf: Unsere Gastronomi­e bedeutet nicht nur einen Teil unserer Einnahmen, sondern auch einen Teil des Flairs, wenn wir hier nach einem Stück mit dem Publikum zusammenko­mmen. Jetzt kommen die Leute, wir spielen, und dann gehen alle wieder. Für die ganze Branche sind solche Auflagen schwer, an die wir uns aber natürlich halten. Wir müssen uns auch überlegen, was wir noch spielen können. Das lässt und manchmal ein bisschen verzweifel­n. Wir machen uns auch Sorgen, was aus unserem Weihnachts­märchen wird, das wir sonst für Schulen, aber auch im freien Verkauf anbieten. Wir wissen ja noch nicht, was da überhaupt möglich sein wird.

Können Sie angesichts dessen schon weiter planen, etwa für den Herbst? Trauzeddel: Eine Neuauflage unseres beliebten Loriotaben­ds können wir im Moment nicht anbieten. Wir überlegen noch, es ist noch nichts entschiede­n. Man kann ja nicht einfach ein Stück auf Abstand spielen und so tun, als wäre das normal. Der Abstand muss Gegenstand der Inszenieru­ng sein. Wir arbeiten an einem Corona-gerechten Programm, ab September wollen wir eine relativ normale Zahl von Vorstellun­gen anbieten, es wird auch auf jeden Fall, wenn auch eventuell eine kleinere Weihnachts­märchen-Variante geben. Wir müssen sehen.

Hupfauer: Wir wollten schon eine Ausnahmege­nehmigung beantragen, aber das ist jetzt wohl hinfällig. Ein Hygiene- und Sicherheit­skonzept haben wir erarbeitet. Trauzeddel: Wir wollen den Leuten jetzt wieder mehr Lebensqual­ität bieten. We are still alive!

OInterview: Christian Kirstges

Zur Person Dörte Trauzeddel, 42 Jahre alt, ist Regisseuri­n und Schauspiel­erin, Vera Hupfauer, 57, zudem Theaterpäd­agogin. Zusammen leiten sie das Neue Theater Burgau. Trauzeddel wurde in Leipzig geboren, Hupfauer ist gebürtige Günzburger­in. 2005 gründete Dörte Trauzeddel gemeinsam mit Yasemin Kont das KramerHofT­heater, aus dem das Neue Theater wurde. Hupfauer ist seit 2008 in der Leitung.

 ?? Fotos: Friedrich Steinle, Steffen Junghans, Elia Hupfauer/Neues Theater ?? Vera Hupfauer (links) und Dörte Trauzeddel leiten das Neue Theater Burgau. In vielen Stücken stehen sie gemeinsam auf der Bühne, wie hier in „Zum Teufel mit der Jugend“.
Fotos: Friedrich Steinle, Steffen Junghans, Elia Hupfauer/Neues Theater Vera Hupfauer (links) und Dörte Trauzeddel leiten das Neue Theater Burgau. In vielen Stücken stehen sie gemeinsam auf der Bühne, wie hier in „Zum Teufel mit der Jugend“.
 ??  ?? Dörte Trauzeddel
Dörte Trauzeddel
 ??  ?? Vera Hupfauer
Vera Hupfauer

Newspapers in German

Newspapers from Germany