Wie Fallschirmspringer 3000 Zuschauer begeisterten
Vor genau 50 Jahren wurde ein Jubiläum des TSV Burgau zu einem unvergesslichen Erlebnis. Erinnerungen an einen ganz besonderen 8. August 1970
Burgau/Krumbach Es war schon ein gigantisches Bild, als am 8. August 1970 auf dem Burgauer Jahnsportplatz acht junge Männer in 3000 Metern Höhe aus dem Hubschrauber sprangen und wenige Minuten später punktgenau auf der Grasfläche landeten. Rund 3000 begeisterte Zuschauer bestaunten ihr Können, ihren Mut und klatschten Beifall. Inzwischen sind 50 Jahre vergangen und doch erinnert sich mancher Burgauer noch gut an diese spektakuläre Fallschirmdemonstration. Der Anlass für diese einmalige Luftsportschau war das 50-jährige Bestehen der Abteilung Fußball im TSV Burgau.
Es waren die Burgauer Turner, die diesem Jubiläum ein besonderes Schmankerl bieten wollten. Möglich machten dies zwei BundeswehrZeitsoldaten, nämlich die aus Burgau stammenden und in Laupheim stationierten Werner Eschenlohr und Werner Scherbaum. Turn-Abteilungsleiter Engelbert Kinzel kannte die beiden und erläuterte diesen seine Idee. Sie waren gleichfalls begeistert und sofort bereit, aktiv mitzuwirken. Als Mitglieder der Ländermannschaft Saar 1 war es ihnen ein Leichtes, weitere Kameraden nach Burgau zu locken und so traf sich die Fallschirmspringer-Elite der Bundeswehr zumindest für einen Tag in Burgau.
Keinesfalls einfach war es jedoch für den heute in Krumbach lebenden Hauptorganisator Engelbert Kinzel, die unterschiedlichsten Behörden und die Verantwortlichen bei der Bundeswehr von seinem Vorhaben zu überzeugen. Einen dicken Akt füllen die Briefe, Gesuche und Gesprächsprotokolle, denen schließlich eine Menge Schreiben und Erlaubnisbescheinigungen, aber auch Vorschriften und Sicherheitsrichtlinien folgten. Kinzel erinnert sich noch gut: „Das war schon eine Heidenarbeit und kostete viel Zeit. Die Mühe aber lohnte sich, denn der Tag wurde zu einem Topereignis.“Der Samstagnachmittag zeigte sich bewölkt und sonnig, wenngleich die Wettermeldungen Regen prophezeit hatten. Für Werner Eschenlohr und Werner Scherbaum war von Beginn an klar: „So lange wir blaue Löcher in der Wolkendecke haben, springen wir.“Rund 3000 Besucher hatten sich im
Oval und den Freiflächen des Fußballplatzes eingefunden. Hunderte kamen noch in der näheren Umgebung hinzu. Pünktlich traf der große Heereshelikopter aus Laupheim ein, landete kurz, nahm die Springer an Bord und schraubte sich über der Stadt auf Höhen zwischen 2000 und 3000 Metern. In den Sprungpausen betätigte sich Kinzel als fachlich routinierter Kommentator, zeigte sich aber auch als fundierter Kenner von Theorie und Praxis beim Fallschirmspringen.
Als Zielsprung gedacht war der erste Einsatz von Eschenlohr, Scherbaum und drei Kameraden, gleichfalls Mitglieder der deutschen Militärmannschaft. Für sie war es ein zusätzliches Training für die eine Woche später stattfindende deutsche Gruppenmeisterschaft. Außerdem hatte sich Eschenlohr bereits für die in Kürze stattfindende Weltmeisterschaft qualifiziert. Das Ergebnis konnte sich trotz aufkommender Windböen sehen lassen. Alle landeten sicher auf oder in unmittelbarer Nähe des ausgelegten Landekreuzes.
Bei der zweiten Demonstration ging es um eine sogenannte Relationsarbeit. Während des Falls aus 2500 Metern näherten sich die
Springer und reichten sich als Zweiergruppen sogar die Hände. Einer der Besucher: „Das war atemberaubend.“
Es folgte ein zweiter Zielsprung mit der Aufgabe: Jeder Springer sollte bei der Landung direkt auf einem roten Luftballon sitzen, die auf der Rasenfläche ausgelegt waren, und dies aus 3000 Metern Höhe. Starker Nervenkitzel kam bei den Zuschauern auf, als Eschenlohr trotz leichten Regens die Kameraden zum „Flash-Sprung“aufforderte. Was das bedeutete? Von der Vertikalgeschwindigkeit sollten sie in eine Horizontallage übergehen und im Seitenfall den Hubschrauber überholen. Allerdings ging die Rechnung nicht ganz auf.
Der Wind trieb die Sportler über die Heimstätten-Siedlung ab, vier landeten sicher auf den südlichen Wiesen. Einer verschaffte sich mit einem „Luftsprung“einen unbezahlten Eintritt im Gsundbrunnenbad, landete auf der Liegewiese und ließ sich von den Badegästen bestaunen.
Das zusätzliche Training bei dieser einmaligen „Schau“hat sich für Eschenlohr und Scherbaum gelohnt. Ende der 60er- bis Mitte der 70erJahre waren die beiden Burgauer die deutschen Top-Springer bei nationalen und internationalen Wettbewerben. So wurde Werner Scherbaum (er ist vor drei Jahren verstorben) bei der Weltmeisterschaft 1976 in Rom Zwölfter im Zielspringen. Zuvor schon wurde Werner Eschenlohr zwischen 1969 und 1972 viermal deutscher Meister im Stilspringen und ebenso oft in der Kombinationswertung aus Stil und Ziel. Heute wohnt der 77-Jährige in Osterberg und ist Inhaber eines Reiterhofs in Babenhausen.