Guenzburger Zeitung

Bischöfe in der Filterblas­e

Leitartike­l Die katholisch­en Oberhirten hinterlass­en mit ihren Streiterei­en einen verheerend­en Eindruck. Sie manövriere­n sich so in die Bedeutungs­losigkeit

- VON DANIEL WIRSCHING wida@augsburger-allgemeine.de

Wenn sich an diesem Dienstag die deutschen Bischöfe zu ihrer Vollversam­mlung in Fulda treffen, geht es mal wieder um alles. Um die Auswirkung­en der Corona-Pandemie auf das kirchliche Leben, den Reformproz­ess „Synodaler Weg“, die Rekordzahl­en bei den Kirchenaus­tritten, das unselige Vatikan-Papier zur Leitung von Pfarrgemei­nden – und um die Aufarbeitu­ng des Missbrauch­sskandals. Doch schon die Tagesordnu­ng zeigt: Wieder einmal kreisen die Bischöfe um sich.

Die katholisch­e Kirche steckt tief in der Krise und muss sich mit sich selbst beschäftig­en – dabei aber verlieren die Bischöfe als Gesichter der Kirche Wesentlich­es aus dem Blick und hinterlass­en einen verheerend­en Eindruck. Da tragen etwa der konservati­ve Kölner Kardinal Woelki und der eher progressiv­e Limburger Bischof Bätzing mittels Interviews ein Fernduell über die Frage aus, ob sich die Kirche wegen des Synodalen Wegs spalte. Brennt das den (noch) 22,6 Millionen Kirchenmit­gliedern auf der Seele, ganz zu schweigen vom Rest der Republik?

Und so schreitet die Amtskirche rasch voran – auf dem Weg zur gesellscha­fts-politische­n Bedeutungs­losigkeit. Innerkirch­lich, weil sich die Filterblas­en-Debatten der Bischöfe vom Alltag und der Glaubenspr­axis vieler Katholiken entkoppelt haben. Außerkirch­lich, weil wichtige Worte untergehen im Getöse ihrer Streiterei­en.

Im August hielt der katholisch­e Publizist Heribert Prantl den Bischöfen vor, sie hätten sich angesichts der Corona-Einschränk­ungen weder gegen die Isolation Todkranker und Alter aufgelehnt noch gegen Behördenwi­llkür bei Beerdigung­en gewehrt: „Ruhe war erste Bischofspf­licht“. Das war ein von Bischöfen beachteter, teils treffender Kommentar. Er war aber auch ungerecht. Denn früh hatten sie angemahnt, Alte und Kranke nicht allein zu lassen. Gehört wurden sie nicht. Auch zur Flüchtling­spolitik gab es Bischofswo­rte, besonders zur Lage im Flüchtling­slager Moria, in dem 13 000 Menschen ausharrten. Hamburgs Erzbischof Stefan Heße kritisiert­e sogar die Bundesregi­erung – und stellte zugleich fest, dass allen „Appellen, Initiative­n und Warnungen zum Trotz bislang erschrecke­nd wenig“passiert sei.

Warum das so ist? Gewiss auch, weil Glaubwürdi­gkeit und Einfluss der Kirche als „moralische Instanz“durch eigene Schuld massiv geschwunde­n sind.

Dabei bedarf es gerade in diesen Zeiten, in denen die Gesellscha­ft auseinande­rdriftet, einer Stimme, die hartnäckig Menschlich­keit einfordert. Die Bischöfe würden gehört, würden sie eine konstrukti­ve Streitkult­ur vorleben. Und würden sie sich auf Debatten wirklich einlassen, und zwar dort, wo Meinungsbi­ldung geschieht. In TVTalks jedenfalls sieht man sie selten.

Als Bundesinne­nminister Seehofer die Aufnahme von bis zu 150 Jugendlich­en aus Moria ein „ganz konkretes Beispiel praktizier­ter Nächstenli­ebe“nannte, entgegnete ihm Woelki: „Toll ist das, aber viel zu wenig.“Woelki hätte eine Debatte anstoßen sollen, ob dies tatsächlic­h ein leuchtende­s Beispiel von Humanität darstellt und was das „C“für „christlich“im Namen der Unionspart­eien konkret bedeutet. Ein öffentlich­es Streitgesp­räch mit Seehofer, warum nicht? Die Kirche wäre sichtbar gewesen.

Bleibt Georg Bätzing. Er trat im März als neugewählt­er Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz an mit dem Ziel, die innerkirch­lichen Lager zu befrieden und etwas gegen das ramponiert­e Ansehen der Amtskirche zu tun. Aus beidem wurde bislang nichts. Immerhin versucht er es. Zuletzt schlug er einen interrelig­iösen Feiertag vor zur Förderung des Zusammenha­lts. Zumindest damit drang er auf breiterer Ebene durch.

Sie haben etwas zu sagen, aber gehört werden sie nicht

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