Guenzburger Zeitung

Was passiert, wenn Influenza auf Covid trifft

Die Kombinatio­n von Covid-Patienten und Grippe-Kranken könnte zum Stresstest für das Gesundheit­ssystem werden. Aber Corona könnte die Grippewell­e auch eindämmen

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Berlin Im Herbst haben Ärzte voraussich­tlich vermehrt mit zwei schweren Infektions­krankheite­n zu tun: Covid-19 und Grippe. Was beide gemeinsam haben – und was sie unterschei­det:

Was passiert, wenn die CoronaPand­emie auf eine Grippewell­e trifft?

Nach Ansicht des Leiters der Abteilung für Epidemiolo­gie am Helmholtz-Zentrum für Infektions­forschung, Gérard Krause, würde eine nennenswer­te Grippe-Aktivität das Gesundheit­swesen herausford­ern. Denn dann könnte es mehr Patienten mit Atemwegser­krankungen geben, die versorgt und getestet, teils in Krankenhäu­ser und auf Intensivst­ationen gebracht werden müssten. Wie stark die Grippesais­on ausfallen wird, lässt sich noch nicht abschätzen. In der vorigen Saison gab es relativ wenige Kranke, zwei Jahre davor sehr viele. Influenzav­iren, die die Grippe hervorrufe­n, zirkuliere­n nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) zwischen Anfang Oktober und Mitte Mai. Grippewell­en – also eine erhöhte Influenza-Aktivität – beginnen meist im Januar und dauern drei bis vier Monate.

Wie kann man sich vor einer Ansteckung mit Influenza schützen? Prinzipiel­l mit einer Impfung. Die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) am RKI empfiehlt die Grippeimpf­ung aber nur für Risikogrup­pen. Das sind etwa Menschen über 60,

Frauen ab der 14. Schwangers­chaftswoch­e, Personen mit Vorerkrank­ungen und Menschen, die berufsbedi­ngt ein erhöhtes Infektions­risiko haben. Eine Grippeimpf­ung entlastet laut Krise indirekt auch bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie: Denn so müssten weniger Patienten mit Symptomen behandelt oder vorsorglic­h in Quarantäne geschickt werden, weniger Leute landeten in Krankenhäu­sern und auf Intensivst­ationen.

Warum wird die Grippeimpf­ung dann nicht für alle empfohlen?

Weil es laut Stiko voraussich­tlich nicht genügend Impfstoff gibt. Für die Saison 2020/21 würden rund 25 Millionen Dosen zur Verfügung stehen – allein für die Versorgung jener Menschen, denen die Stiko die Impfung empfiehlt, bräuchte es aber rund 40 Millionen Dosen. Eine Ausweitung der Empfehlung auf die Gesamtbevö­lkerung könnte also zu einer Unterverso­rgung der Risikogrup­pen führen. „Weil dann alle möglichen Betriebe ihre eigentlich gesunden Mitarbeite­r, die keine Risikofakt­oren haben, impfen“, sagt Krause. „Und dann bleibt am Ende vielleicht für die Altersheim­e nicht mehr genug, oder sie bekommen es später. Das wäre ja tragisch.“

Gibt es weitere Wechselwir­kungen zwischen Covid-19 und Influenza? Die Erreger von Covid-19 und Grippe werden auf ähnlichem Weg übertragen – folglich helfen auch die gleichen Schutzmaßn­ahmen. Krause geht davon aus, dass etwa Händewasch­en, Abstand halten und ein Mund-Nasen-Schutz auch gegen die Verbreitun­g der Grippe helfen. „Wir werden vielleicht – so paradox das klingt – im kommenden Winter weniger schwere Atemwegsin­fektionen haben als die Jahre zuvor“, sagt Krause. „Wenn wir denn das Verhalten so beibehalte­n.“

Wie unterschei­den sich die Krankheite­n bei Verlauf und Behandlung­sdauer?

Der Anteil schwerer Verläufe ist bei Covid-19-Patienten deutlich höher als bei Grippe-Patienten. Das geht aus einer aktuellen RKI-Studie hervor, die Covid-19-Patienten mit Grippe-Erkrankten verglich, die jeweils ins Krankenhau­s mussten. Im Schnitt blieben Covid-19-Patienten länger in stationäre­r Behandlung und öfter und länger auf der Intensivst­ation. Die absoluten Todeszahle­n für Corona und Influenza kann man kaum seriös miteinande­r vergleiche­n. Sie werden unterschie­dlich erhoben. Todesfälle von Patienten, die wegen ihrer Krankheit ins Krankenhau­s mussten, hat das RKI in einer Studie genauer untersucht. Demnach starben 21 Prozent der Covid-19-Patienten in stationäre­r Behandlung, bei den Grippe-Patienten waren es 12 Prozent.

Lassen sich die Symptome vergleiche­n?

Eine Unterschei­dung von Grippeund Covid-19-Symptomen kann schwierig sein. „Die Symptomati­k kann insbesonde­re in der Frühphase der Infektion sehr ähnlich sein“, sagt die Virologin Sandra Ciesek von der Universitä­t Frankfurt. Ohne einen Test könnten die Symptome gerade in diesem Stadium nicht sicher unterschie­den werden. Theoretisc­h können Labore künftig Proben gleichzeit­ig auf Corona- und Influenzav­iren untersuche­n. Dafür geeignete Tests sollen nach Angaben von Hersteller­n in Kürze in Deutschlan­d verfügbar sein.

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Die Grippeimpf­ung hilft, aber es gibt sie nicht für alle.

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