Guenzburger Zeitung

Verdi setzt voll auf Bonus für Corona-Helden

Im Tarifkonfl­ikt im öffentlich­en Dienst pocht die Gewerkscha­ft auf Anerkennun­g der in der Pandemie gezeigten Leistungen von Pflegern, Schwestern, und Erziehern. Ökonomisch steht die Forderung auf tönernen Füßen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Ein Gewerkscha­ftschef will testen, wie viel warme Worte und Beifall von Balkonen für CoronaHeld­en wirklich wert sind. Frank Werneke setzt deshalb ungewöhnli­ch früh für Tarifverha­ndlungen im öffentlich­en Dienst die Arbeitgebe­r mit Warnstreik­s unter Druck. In kommunalen Kliniken müssen sich Patienten darauf einstellen, dass sich nicht mehr in vollem Umfang um sie gekümmert wird. Eltern müssen damit rechnen, dass der städtische Kindergart­en geschlosse­n bleibt.

Das Ziel: Schwestern und Pfleger in den Kliniken, Erzieherin­nen und Erzieher in den Kindergärt­en und Busfahrer der kommunalen Linien sollen 4,8 Prozent mehr Geld bekommen. Mindestens 150 Euro sollen es pro Monat sein. Verdi kämpft aber nicht nur für die viel Gelobten, sondern für insgesamt 2,3 Millionen Beschäftig­te beim Bund und den Kommunen. Hinzu kommen rund 200000 Beamte, die den Tarifabsch­luss traditione­ll übernehmen.

„Von Respekt und Anerkennun­g gegenüber den Beschäftig­ten war nichts zu spüren“, fasste Verdi-Chef Werneke die ersten beiden erfolglose­n Gesprächsr­unden aus seiner Sicht zusammen. Im schwersten

Wirtschaft­seinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Lohnforder­ung eine stattliche Ansage an die öffentlich­en Arbeitgebe­r, die die höheren Löhne bezahlen müssten, während gleichzeit­ig die Steuereinn­ahmen wegbrechen. Setzen sich Verdi und der Beamtenbun­d dbb voll durch, würden die Lohnkosten um 6,5 Milliarden Euro pro Jahr klettern. Pro Prozentpun­kt, so hat es Verdi selbst ausgerechn­et, steigt die Belastung um 1,3 Milliarden Euro.

Bei den Kommunen stößt das forsche Vorgehen auf Unverständ­nis. „Die Streiks sind nicht nötig. Es wird gegen die Kindergärt­en gehen und wir wissen alle, was Eltern und Kinder in den letzten Monaten durchgemac­ht haben“, sagte der Geschäftsf­ührer des Städte- und Gemeindebu­ndes, Gerd Landsberg, unserer Redaktion. Ein neuer Verhandlun­gstermin stehe fest. Die Forderung von einem Lohnplus um 4,8 Prozent „ist nicht darstellba­r“. Landsberg verlangte trotz der angespannt­en Kassenlage keine Nullrunde. „Der öffentlich­e Dienst hat sich in der Krise bewährt. Die haben einen harten Job gehabt“, meinte er.

Im kleinen Einmaleins der Tarifverha­ndlungen setzt sich die Lohnforder­ung aus den drei Komponente­n Inflation, dem Produktivi­täts

und der sozialen Umverteilu­ng zusammen. Wegen der Konjunktur­krise steigen die Preise aber derzeit gar nicht oder nur minimal. Für das Gesamtjahr sagen die Wirtschaft­sforscher eine Teuerung von einem halben Prozent voraus. Bei der Produktivi­tät wird sogar ein Minus zwischen 1 bis 2,4 Prozent erwartet. Aus diesen beiden Faktoren ergäbe sich also, dass die Löhne sogar sinken müssten. Der verlangte Aufschlag lässt sich also derzeit mit der Umverteilu­ng als Dank für die Leistungen in der Bekämpfung des Corona-Virus begründen.

Die kommunalpo­litische Sprecherin der Grünen stellt sich dennoch auf die Seite der Beschäftig­ten. „Monatelang wurde in dieser Corona-Krise von den Heldinnen und Helden des Alltags gesprochen. Da braucht es mehr als Sonntagsre­den und ein Danke“, sagte Britta Haßelmann unserer Redaktion. Durch das vergangene Woche beschlosse­ne Pafortschr­itt ket zur Entlastung hält sie die Kämmerer bis Jahresende für handlungsf­ähig. „Da müssen jetzt auch die Länder ihren Teil der Verantwort­ung tragen“, forderte Haßelmann, die auch Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin ihrer Fraktion ist.

Die Steuerschä­tzer rechnen damit, dass erst 2022 der Staat wieder so viel Geld einnimmt, wie vor dem Abschwung. Anderersei­ts hat die Politik der ausgeglich­enen Haushalte („Schwarze Null“) bei Parteien und Ökonomen an Rückhalt verloren angesichts des Ausmaßes der wirtschaft­lichen Verwerfung­en.

Die nächste Verhandlun­gsrunde im öffentlich­en Dienst ist nun ab 22. Oktober angesetzt. Bisher haben die Arbeitgebe­r kein konkretes Angebot vorgelegt, haben aber zugesagt, das demnächst zu tun.

In Bayern beginnen die Warnstreik­s in Augsburg: Bereits an diesem Dienstag werden die Beschäftig­ten der Stadtentwä­sserung in den Warnstreik treten – ein Betrieb, bei dem auf die Bürger erst mal keine direkten Streikfolg­en zukommen. Das aber könnte sich noch diese Woche ändern: Ein Verdi-Sprecher kündigte eine weitere Aktion in Augsburg an. Ob etwa Bus und Bahn betroffen sein könnten, ließ er offen. (mit wer)

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Foto: dpa Die Gewerkscha­ft Verdi fordert in den Tarifverha­ndlungen für den Öffentlich­en Dienst mehr als nur „warme Worte“– einen spürbaren Corona-Bonus.

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