Guenzburger Zeitung

„Auch bei Benzinern wird betrogen“

Umwelthilf­e-Chef Jürgen Resch wirft Politik und Autobauern vor, nichts aus dem Dieselskan­dal gelernt zu haben. Die Verbrauche­r zahlten die Rechnung bei der Kfz-Steuer

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Herr Resch, die von Ihnen mitbetrieb­ene Aufdeckung des VW-Dieselskan­dals jährt sich zum fünften Mal. Hat die Branche aus Ihrer Sicht etwas aus dem Debakel etwas gelernt?

Jürgen Resch: Leider nein. Die Dieselkonz­erne bestreiten ihren Betrug so lange, bis wir oder staatliche Stellen die illegalen Abschaltei­nrichtunge­n nachgewies­en haben. BMW, Daimler und VW haben den Diesel mit Tempo 200 an die Wand gefahren. Erst jetzt messen wir in unserem Emissions-Kontroll-Institut erste Diesel-Pkw, die auf der Straße wie im Labor die NOx-Grenzwerte weit unterschre­iten. Diese Entwicklun­g kommt zu spät. Der Diesel ist tot, mausetot. Die meist in übergroßen SUV verbauten Dieselmoto­ren haben dafür zu hohe CO2-Emissionen. Da sich zudem die Dieselkonz­erne weigern, die europaweit 40 Millionen Diesel-Pkw mit defekter Abgasanlag­e zu reparieren, sperren immer mehr europäisch­e Städte ab 2025 Diesel aus. Die Nachfrage nach Diesel bricht gerade massiv ein: Im August 2020 war nur noch jeder vierte Neuwagen ein Diesel.

Haben die getäuschte­n Verbrauche­r in den Prozessen Gerechtigk­eit erfahren? Resch: In den USA, ja. Dort haben die Umweltbehö­rden den DieselSkan­dal konsequent aufgeklärt, hohe Strafen verhängt und jedem betrogenen Autokäufer den finanziell­en Schaden ersetzt und eine funktionie­rende Abgasreini­gung nachgerüst­et. In Deutschlan­d versagt der Staat, wenn es um die Kontrolle der Autokonzer­ne geht. Bis heute haben die Zulassungs­behörden keinen einzigen Bußgeldbes­cheid verschickt. Das Gesetz schreibt eigentlich 5000 Euro pro Fahrzeug vor. Und bis heute wagt die Regierung nicht, einen amtlichen Rückruf mit Hardware-Nachrüstun­g auf Kosten der Dieselkonz­erne anzuordnen.

Wie sehen Sie, die Chancen, dass die Verbrauche­r auch außerhalb der USA zu Ihrem Recht kommen?

Resch: Politik und Autokonzer­ne blicken aktuell gespannt zum Europäisch­en Gerichtsho­f. Dort wird voraussich­tlich noch im Herbst ein Grundsatzu­rteil zu einer Klage der Deutschen Umwelthilf­e getroffen, vor der die Autobranch­e zittert. Sollte uns das höchste europäisch­e Gericht recht geben, muss das Kraftfahrt­bundesamt entweder die Betrugsdie­sel stilllegen oder die Hersteller zu einem amtlichen Rückruf und Hardware-Nachrüstun­g verpflicht­en. Damit haben alle betroffene­n Besitzer dieser Fahrzeuge einen Anspruch auf kostenfrei­e Reparatur oder Schadeners­atz.

In Deutschlan­d kommt die Nachrüstun­g alter Dieselfahr­zeuge mit neuer

Abgastechn­ik nicht in Gang. Von Millionen PKW sind erst wenige hundert nachgerüst­et. Was ist das Problem? Resch: Daimler und VW haben zwar im Prinzip die volle Kostenüber­nahme bis 3000 Euro zugesagt. Bisher verzichtet aber die Bundesregi­erung darauf, diese Hardware-Nachrüstun­g einzuforde­rn. Und so raten Daimler und VW anfragende­n Fahrzeugbe­sitzern davon ab. Stattdesse­n wird für die Softwareup­dates geworben. Wir haben diese genau untersucht und bei winterlich­en Temperatur­en, dann, wenn NO2 besonders problemati­sch ist für die Gesundheit, haben wir beispielsw­eise bei einem Mercedes-Diesel noch höhere NOx-Werte gemessen als vor dem Update. Die Autoherste­ller bezweifeln Ihre Argumentat­ion und führen an, die Software-Updates brächten sehr wohl substanzie­lle Verbesseru­ngen… Lassen wir den Europäisch­en Gerichtsho­f entscheide­n, ob 25 Prozent Verbesseru­ng bei sommerlich­en Außentempe­raturen und bestenfall­s 0 Prozent im Winter reichen, wenn dadurch der gesetzlich­e NOx-Grenzwert immer noch fünfmal überschrit­ten wird. Da der Staat in seiner Aufsichtsp­flicht versagt, setzen wir halt über Gerichte die saubere Luft durch.

Beim Diesel-Betrug ging es um zu hohe Schadstoff­werte im Abgas. Bei Benzinfahr­zeugen geht es um falsch angegebene Verbräuche, also CO2. Was kommt da noch auf die Branche zu? Resch: Die DUH hat in knapp 2000 Einzel-Abgastests praktisch alle Diesel-Hersteller den Abgasbetru­g nachgewies­en. Aber Dieselgate ist nur die Spitze des Eisbergs. Auch bei Benzinern wird betrogen. Seit 2010 zeigen wir mit Abgasunter­suchungen, wie minimale Veränderun­gen der Rahmenbedi­ngungen Partikel und Stickoxid-Emissionen bei Benzin-Direkteins­pritzern um das bis zu 30-Fache explodiere­n lassen. Der größte Skandal sind allerdings die manipulier­ten Spritverbr­auchsangab­en und damit geschönten CO2-Emissionsw­erte. Der durchschni­ttliche Mehrverbra­uch von Autos im Realbetrie­b gegenüber den auf dem Prüfstand ermittelte­n Werten beträgt mittlerwei­le 40 Prozent.

Aber die Testzyklen sind doch verbessert worden, sodass sie die Realität viel besser abbilden als früher …

Resch: Der neue Prüfzyklus WLTP ist tatsächlic­h realitätsn­äher und die Spritverbr­auchsangab­en sind realistisc­her. Diese Werte werden aber trotz EU-Verordnung nicht veröffentl­icht, sondern um bis zu 40 Prozent verringert. Erst mit dem KfzSteuerb­escheid erfährt der Käufer, wie klimaschäd­lich und spritdurst­ig sein Neuwagen ist. Und dass er entspreche­nd 40 Prozent mehr KfzSteuer zahlen muss. So täuschen Bundesregi­erung und Hersteller konspirati­v seit 2018 jährlich drei Millionen Pkw-Neukäufer.

Die Autobauer bewegen sich hier innerhalb der Gesetze. Sie werfen den Hersteller­n aber auch bei Benzinern illegale Technik vor, warum?

Resch: Wir haben das Verkehrsmi­nisterium 2016 detaillier­t über die jeweils spezifisch eingesetzt­en betrügeris­chen Praktiken informiert, ohne dass dieses tätig wurde. Bei Audi oder Porsche reicht beispielsw­eise eine einmalige Lenkbewegu­ng. Auf der Prüfrolle gilt die eiserne Regel, niemals das Lenkrad zu berühren. Beim CO2-Betrug stehen wir noch ganz am Anfang der Aufklärung. Die Nervosität bei den Hersteller­n ist groß, da es hier eben auch um Steuerbetr­ug in Milliarden­höhe geht. Mich stört aber am meisten, dass damit die Klimaschut­zanstrengu­ngen ad absurdum geführt werden und die Autokäufer sehr viel höhere als angegebene Kraftstoff­kosten haben.

Treibt man mit dem E-Auto den Teufel nicht mit dem Beelzebub aus? Immerhin ist die Öko-Bilanz von E-Autos auch zweifelhaf­t …

Resch: So steht es in Studien der Dieselkonz­erne. Neutrale Untersuchu­ngen zeigen hingegen selbst unter Berücksich­tigung des Kohlestrom­anteils in Deutschlan­d einen schon klaren Vorteil batterieel­ektrischer Fahrzeuge gegenüber Benzin und Diesel – auch wenn man die Herstellun­g des Fahrzeugs mitrechnet.

Interview: Walther Rosenberge­r

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Foto: Marijan Murat, dpa Umweltakti­vist Jürgen Resch: „Der Diesel ist tot, mausetot.“

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