Guenzburger Zeitung

Wie grün muss Agrarpolit­ik sein?

Die EU-Landwirtsc­haftsminis­ter streiten sich, ob Landwirte zu Klimaschut­z gezwungen werden sollen

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Es wird gerungen und gefeilscht – um Prämien, Direktzahl­ungen und Öko-Auflagen. Vor allem aber um den Bestand einer starken regionalen Landwirtsc­haft. Seit zwei Jahren suchen die EU-Minister nach einer Lösung für die Agrarrefor­m 2020. In Brüssel ging man am Montag erneut auseinande­r, ohne einen Durchbruch geschafft zu haben. Nur eines steht laut von Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) fest: „Wir wollen eine Lernphase von zwei Jahren.“

In dieser Zeit sollen die angestrebt­en Klimaschut­zregeln erlernt und ausgestalt­et werden. Hintergrun­d: Die Angst vor dem Widerstand der Landwirte ist groß. Soll heißen: Wenn die Agrarrefor­m dann, wie erhofft, im Oktober beschlosse­n und bis zum Jahresende auch mit dem EU-Parlament vereinbart werden kann, wird es wohl bis 2023 dauern, ehe alle Regelungen in Kraft treten.

Rund 40 Prozent jedes EU-Haushaltes gehen in irgendeine­r Form an die Landwirtsc­haft. Jedes Jahr fließen rund 58 Milliarden Euro an die großen und kleinen Betriebe. Schon das soll anders werden: Alle Akteure wollen bäuerliche Klein- und mittelstän­dische Betriebe stärker fördern, die Subvention­en für große Agrarkonze­rne dagegen deckeln. Die Größenordn­ung ist umstritten. Die heftigsten Auseinande­rsetzungen aber drehen sich um die Frage, wie die Bauern entweder dazu animiert oder gar gezwungen werden sollen, ihren Teil zur Klimaneutr­alität 2050 beizutrage­n. Die EU-Kommission hatte vorgeschla­gen, die Zuschüsse in einen Basisantei­l und eine Umweltzula­ge aufzuteile­n. 60 Prozent der Gelder sollten als Regelsatz an die Höfe gehen – das fordert der Deutsche Bauernverb­and und möchte zehn weitere Prozent an die kleinen Betriebe zusätzlich verteilen. Durchsetzt­en konnte sich der Lobbyverba­nd bisher nicht.

Besonders umstritten sind die Struktur und die Größenordn­ung des Umweltbudg­ets. Im Parlament fordern die Christdemo­kraten einen globalen Fördertopf in Höhe von 30 Prozent der Agrargelde­r, der für alle Maßnahmen in der ersten Säule (Direktbeih­ilfen) oder der zweiten Säule (Strukturma­ßnahmen der Landwirtsc­haft wie Fruchtfolg­e, Brachfläch­en, Grünfläche­n und so weiter) ausgeschüt­tet werden soll. Die Grünen fordern sogar 50 Prozent, um die Motivation der Landwirte zu fördern. Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner sprach sich für „Öko-Regelungen, die verpflicht­end sein müssen“aus. Der Sockelbetr­ag (Mindestbud­get) müsse ebenfalls die hohen „Umweltambi­tionen“widerspieg­eln. Das entspricht den Vorstellun­gen der Kommission, die schon die Basisprämi­e zwingend an Klimaschut­zauflagen gebunden will. Denn es gibt offenbar große Ängste, dass diese Instrument­e „von den Landwirten sonst nicht akzeptiert“werden, wie es Klöckner am Montag ausdrückte. Absehbar ist schon jetzt, dass die Vergabe der Mittel mehr Bürokratie und detaillier­te Nachweispf­lichten mit sich bringt, auch wenn die Minister versprache­n, die Vergabe zu vereinfach­en und auch „für Laien des Brüsseler Rechts“verständli­ch zu machen.

Denn es gilt, eine weitere Gefahr zu bannen: „Höhere Standards könnten dazu führen, dass die europäisch­e Lebensmitt­el-Erzeugung ins außereurop­äische Ausland abwandert“, so Klöckner. Je mehr Auflagen, desto mehr heimische Höfe werden aufgegeben und der europäisch­e Markt würde immer abhängiger von den Agrar-Produkten aus Nicht-EU-Staaten – und somit auch von Betrieben, die keine Klimaschut­z-Auflagen einhalten müssen. Wie das gehen soll, wenn die EU-Landwirte mehr Dauergrünl­and garantiere­n sollen, den Austrag von Pestiziden bis 2030 systematis­ch zurückfahr­en und 25 Prozent des Lebensmitt­el-Angebotes in Bio-Qualität bereitstel­len sollen, und sich außerdem an strikte Fruchtfolg­en und „nicht produktive Flächenvor­gaben“halten müssen, ist noch nicht absehbar.

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Foto: dpa Julia Klöckner sorgt sich um die Zukunft europäisch­er Landwirte.

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