Warum junge Menschen zur Polizei gehen
Der Polizeiberuf ist in diesen Tagen umstritten. Einerseits werden Beamte bei Einsätzen häufig angepöbelt und sogar verletzt. Andererseits müssen sie sich Rassismusvorwürfen stellen. Das sagen sechs Polizeischüler dazu
Die Arbeit der Polizei rückt mehr und mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Auf der einen Seite kam es in den vergangenen Monaten und Wochen bundesweit zu Ausschreitungen; Beamte wurden angepöbelt, bespuckt und verletzt. Im Internet werden Videos von Polizisten veröffentlicht, die von Passanten und Demonstranten bei ihrer Arbeit gefilmt werden. Und ähnlich wie bei Feuerwehrkräften und Sanitätern bedrängen und stören Schaulustige auch immer häufiger Polizeibeamte bei ihren Einsätzen. Auf der anderen Seite wird in diesen Tagen viel diskutiert – vor allem nach der RassismusDebatte, die aus den USA nach Deutschland schwappte –, ob auch die deutsche Polizei ein Problem mit Rechtsextremismus hat. Erst vor kurzem wurden in Nordrhein-Westfalen 29 Beamte wegen einer rechtsextremen Chatgruppe suspendiert. Wir wollen wissen, was solche Ereignisse und gesellschaftlichen Entwicklungen mit jungen Menschen machen. Warum gehen junge Erwachsene heutzutage überhaupt noch zur Polizei? Dazu haben wir mit sechs Polizeischülern der Bereitschaftspolizei in Königsbrunn gesprochen.
Franziska Stein, 20, aus Augsburg, erster Ausbildungsabschnitt:
Schon als Kind habe ich zu Polizisten aufgeblickt und mich immer sicher gefühlt, wenn sie in der Nähe waren. Sie haben eine Vorbildfunktion; aus diesem Grund habe ich mich für die Polizeilaufbahn entschieden. In meinem Bekanntenkreis haben meinen Entschluss aber nicht alle gut gefunden, mit einer Freundin habe ich deshalb gar keinen Kontakt mehr. Ich selbst stehe noch ganz am Anfang meiner Ausbildung, deshalb trage ich auch noch keine Uniform. Jetzt lerne ich erst mal viel Theorie. Angst habe ich keine, aber schon ein bisschen Respekt – vor allem vor der Selbstverteidigung und dem Umgang mit der Waffe. Ich bin auch schon gespannt auf die beiden Praktika, die nach dem ersten Ausbildungsabschnitt folgen. Da habe ich im Streifendienst zum ersten Mal den Kontakt zum Bürger. Dieses negative Bild, das manche Menschen von der Polizei haben, kommt meiner Meinung nach von den Videos, die im Internet verbreitet werden. Heutzutage kann man alles filsind men und diese Clips so zuschneiden, dass man nur das Negative sieht. Die Leute müssten sich viel besser informieren, das könnte schon viel bringen.
Luca Thumfart, 20, aus Kempten, zweiter Ausbildungsabschnitt:
Ich bin jetzt Polizeimeisteranwärter, deshalb habe ich noch keinen Stern auf meinen Schulterklappen. Polizist werden war schon immer mein Traum, schon als Kind. Ich bin damit aufgewachsen. Mein Vater ist auch Polizist und mein Vorbild. Der Polizeiberuf
ist für viele Menschen nach wie vor ein sicherer, attraktiver und abwechslungsreicher Beruf. Auch wenn ich noch am Anfang stehe, weiß ich jetzt schon, dass sich die Entscheidung gelohnt hat. Ich denke, Bodycams könnten in der Zukunft auf jeden Fall helfen, umstrittene Fälle aufzuklären.
Melanie Schmid, 30, aus Augsburg, im vierten Ausbildungsabschnitt: Für mich war es kein Kindheitstraum, ich wollte eigentlich Tierärztin werden. Bevor ich zur Polizei gegangen bin, habe ich zehn Jahre bei einer Krankenkasse gearbeitet. Dort habe ich gemerkt, dass Büroarbeit nicht meins ist. Ich will den Kontakt zu Menschen haben. Grundsätzlich wir bei jedem Einsatz gefordert, auch schon im Praktikum. Aber da ist natürlich alles neu, und man muss viel dazulernen. Man geht aber natürlich jeden Einsatz mit Vorsicht an. Schließlich kann jederzeit etwas passieren.
Anna Huberle, 21, aus dem Oberallgäu, im vierten Ausbildungsabschnitt: Die Idee, zur Polizei zu gehen, hatte ich zum ersten Mal in der zehnten Klasse, es war bei mir auch kein Kindheitstraum. Bis heute habe ich es nicht bereut. Es ist nicht so, dass ich Angst habe, in brenzlige Situationen zu kommen. Denn das gehört zu dem Beruf einfach dazu, dass man auch mal mit Gewalt zu tun hat. Man weiß einfach, dass man während der Ausbildung gut vorbereitet wird. Es gibt natürlich auch Schattenseiten des Berufs, zum Beispiel wenn jemand verletzt wird oder wenn man mit dem Tod konfrontiert wird. Genauso gibt es schöne Einsätze, wo man den Kontakt zum Bürger hat und das Gefühl bekommt, man hat jemandem geholfen, der dankbar ist.
Simon Nolte, 22, aus Regensburg, im letzten Ausbildungsabschnitt. Polizist zu werden, war für mich kein Kindheitstraum; nach dem Abitur habe ich drei Semester Jura studiert. Ich kenne aber ein paar Polizisten, die von der Ausbildung geschwärmt haben – und so bin ich dazu gekommen. Es ist einfach ein krisensicherer Job und ein sehr abwechslungsreicher Beruf. Das haben wir auch in den Praktika gesehen, da waren wir fast sechs Monate draußen im Streifendienst. Da erlebt man natürlich auch brenzlige Situationen. Aber ich war nie an dem Punkt, an dem ich meine Berufswahl infrage gestellt habe. In zwei Monaten haben wir unsere Abschlussprüfungen, im Februar werden wir dann fertig.
Laura Gallwitzer, 24, aus Ansbach, im letzten Ausbildungsabschnitt:
Mein Vater war auch bei der Polizei, und auch für mich war es ein Kindheitstraum. Es ist ein vielseitiger Beruf mit vielen Möglichkeiten und Bereichen, für die man sich spezialisieren kann. Wenn ich im Fernsehen oder Internet Bilder von Kollegen sehe, die verletzt und angepöbelt werden, ist das natürlich abschreckend. Das sollte aber kein Grund dafür sein, ein schlechtes Gefühl bei der Arbeit zu haben. Das ist nicht der Regelfall. Später würde ich gerne zur Hundestaffel gehen.