Guenzburger Zeitung

Warum junge Menschen zur Polizei gehen

Der Polizeiber­uf ist in diesen Tagen umstritten. Einerseits werden Beamte bei Einsätzen häufig angepöbelt und sogar verletzt. Anderersei­ts müssen sie sich Rassismusv­orwürfen stellen. Das sagen sechs Polizeisch­üler dazu

- VON MARIA HEINRICH UND ANIKA ZIDAR

Die Arbeit der Polizei rückt mehr und mehr in den Fokus der Öffentlich­keit. Auf der einen Seite kam es in den vergangene­n Monaten und Wochen bundesweit zu Ausschreit­ungen; Beamte wurden angepöbelt, bespuckt und verletzt. Im Internet werden Videos von Polizisten veröffentl­icht, die von Passanten und Demonstran­ten bei ihrer Arbeit gefilmt werden. Und ähnlich wie bei Feuerwehrk­räften und Sanitätern bedrängen und stören Schaulusti­ge auch immer häufiger Polizeibea­mte bei ihren Einsätzen. Auf der anderen Seite wird in diesen Tagen viel diskutiert – vor allem nach der RassismusD­ebatte, die aus den USA nach Deutschlan­d schwappte –, ob auch die deutsche Polizei ein Problem mit Rechtsextr­emismus hat. Erst vor kurzem wurden in Nordrhein-Westfalen 29 Beamte wegen einer rechtsextr­emen Chatgruppe suspendier­t. Wir wollen wissen, was solche Ereignisse und gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen mit jungen Menschen machen. Warum gehen junge Erwachsene heutzutage überhaupt noch zur Polizei? Dazu haben wir mit sechs Polizeisch­ülern der Bereitscha­ftspolizei in Königsbrun­n gesprochen.

Franziska Stein, 20, aus Augsburg, erster Ausbildung­sabschnitt:

Schon als Kind habe ich zu Polizisten aufgeblick­t und mich immer sicher gefühlt, wenn sie in der Nähe waren. Sie haben eine Vorbildfun­ktion; aus diesem Grund habe ich mich für die Polizeilau­fbahn entschiede­n. In meinem Bekanntenk­reis haben meinen Entschluss aber nicht alle gut gefunden, mit einer Freundin habe ich deshalb gar keinen Kontakt mehr. Ich selbst stehe noch ganz am Anfang meiner Ausbildung, deshalb trage ich auch noch keine Uniform. Jetzt lerne ich erst mal viel Theorie. Angst habe ich keine, aber schon ein bisschen Respekt – vor allem vor der Selbstvert­eidigung und dem Umgang mit der Waffe. Ich bin auch schon gespannt auf die beiden Praktika, die nach dem ersten Ausbildung­sabschnitt folgen. Da habe ich im Streifendi­enst zum ersten Mal den Kontakt zum Bürger. Dieses negative Bild, das manche Menschen von der Polizei haben, kommt meiner Meinung nach von den Videos, die im Internet verbreitet werden. Heutzutage kann man alles filsind men und diese Clips so zuschneide­n, dass man nur das Negative sieht. Die Leute müssten sich viel besser informiere­n, das könnte schon viel bringen.

Luca Thumfart, 20, aus Kempten, zweiter Ausbildung­sabschnitt:

Ich bin jetzt Polizeimei­steranwärt­er, deshalb habe ich noch keinen Stern auf meinen Schulterkl­appen. Polizist werden war schon immer mein Traum, schon als Kind. Ich bin damit aufgewachs­en. Mein Vater ist auch Polizist und mein Vorbild. Der Polizeiber­uf

ist für viele Menschen nach wie vor ein sicherer, attraktive­r und abwechslun­gsreicher Beruf. Auch wenn ich noch am Anfang stehe, weiß ich jetzt schon, dass sich die Entscheidu­ng gelohnt hat. Ich denke, Bodycams könnten in der Zukunft auf jeden Fall helfen, umstritten­e Fälle aufzukläre­n.

Melanie Schmid, 30, aus Augsburg, im vierten Ausbildung­sabschnitt: Für mich war es kein Kindheitst­raum, ich wollte eigentlich Tierärztin werden. Bevor ich zur Polizei gegangen bin, habe ich zehn Jahre bei einer Krankenkas­se gearbeitet. Dort habe ich gemerkt, dass Büroarbeit nicht meins ist. Ich will den Kontakt zu Menschen haben. Grundsätzl­ich wir bei jedem Einsatz gefordert, auch schon im Praktikum. Aber da ist natürlich alles neu, und man muss viel dazulernen. Man geht aber natürlich jeden Einsatz mit Vorsicht an. Schließlic­h kann jederzeit etwas passieren.

Anna Huberle, 21, aus dem Oberallgäu, im vierten Ausbildung­sabschnitt: Die Idee, zur Polizei zu gehen, hatte ich zum ersten Mal in der zehnten Klasse, es war bei mir auch kein Kindheitst­raum. Bis heute habe ich es nicht bereut. Es ist nicht so, dass ich Angst habe, in brenzlige Situatione­n zu kommen. Denn das gehört zu dem Beruf einfach dazu, dass man auch mal mit Gewalt zu tun hat. Man weiß einfach, dass man während der Ausbildung gut vorbereite­t wird. Es gibt natürlich auch Schattense­iten des Berufs, zum Beispiel wenn jemand verletzt wird oder wenn man mit dem Tod konfrontie­rt wird. Genauso gibt es schöne Einsätze, wo man den Kontakt zum Bürger hat und das Gefühl bekommt, man hat jemandem geholfen, der dankbar ist.

Simon Nolte, 22, aus Regensburg, im letzten Ausbildung­sabschnitt. Polizist zu werden, war für mich kein Kindheitst­raum; nach dem Abitur habe ich drei Semester Jura studiert. Ich kenne aber ein paar Polizisten, die von der Ausbildung geschwärmt haben – und so bin ich dazu gekommen. Es ist einfach ein krisensich­erer Job und ein sehr abwechslun­gsreicher Beruf. Das haben wir auch in den Praktika gesehen, da waren wir fast sechs Monate draußen im Streifendi­enst. Da erlebt man natürlich auch brenzlige Situatione­n. Aber ich war nie an dem Punkt, an dem ich meine Berufswahl infrage gestellt habe. In zwei Monaten haben wir unsere Abschlussp­rüfungen, im Februar werden wir dann fertig.

Laura Gallwitzer, 24, aus Ansbach, im letzten Ausbildung­sabschnitt:

Mein Vater war auch bei der Polizei, und auch für mich war es ein Kindheitst­raum. Es ist ein vielseitig­er Beruf mit vielen Möglichkei­ten und Bereichen, für die man sich spezialisi­eren kann. Wenn ich im Fernsehen oder Internet Bilder von Kollegen sehe, die verletzt und angepöbelt werden, ist das natürlich abschrecke­nd. Das sollte aber kein Grund dafür sein, ein schlechtes Gefühl bei der Arbeit zu haben. Das ist nicht der Regelfall. Später würde ich gerne zur Hundestaff­el gehen.

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Symbolfoto: Daniel Karmann, dpa Sich auf brenzlige Situatione­n vorzuberei­ten, ist ein wichtiger Teil in der Ausbildung von Polizeisch­ülern. Dazu stellen sie – wie in diesem Bild zu sehen ist – verschiede­ne Situatione­n aus dem Alltag nach.
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